Meinung Bodentruppen in die Ukraine: Macrons großer Bluff

„Nichts darf ausgeschlossen werden“: Emmanuel Macron.
»Nichts darf ausgeschlossen werden«: Emmanuel Macron.

Es ist rätselhaft, was der französische Präsident mit seiner Äußerung über Bodentruppen in der Ukraine genau bezwecken wollte. Klar ist: Der eigenwillige Vorstoß untergräbt die europäische Geschlossenheit.

Von Emmanuel Macron ist man große Ankündigungen schon gewohnt. So schlug der Präsident Frankreichs nach dem schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel vor, die internationale Koalition gegen den „Islamischen Staat“ könnte auch die palästinensische Terrororganisation bekämpfen. Ende Oktober war das, passiert ist in dieser Hinsicht nichts. Für den Vorstoß hat sich schnell niemand mehr interessiert.

Das dürfte im aktuellen Fall anders sein. Die Aufregung ist jedenfalls um einiges größer, nachdem Macron sagte, eine Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine könne nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Diverse EU- und Nato-Länder äußerten sich schnell skeptisch hinsichtlich solcher Gedankenspiele. Was also könnte Macron mit seinem Alleingang bezweckt haben?

Er selbst sprach vom Prinzip der „strategischen Mehrdeutigkeit“. Das bedeutet, sich bewusst unscharf auszudrücken und alle Optionen offen zu halten, damit der Gegner über die wahren Absichten rätselt. Konkret auf den russischen Präsidenten gemünzt: Er muss demnach damit rechnen, dass der Westen zu allem bereit ist, um der Ukraine zu helfen.

Der Führungsanspruch der „grande nation“

Es ist durchaus nachvollziehbar, warum Macron gerade jetzt glaubt, eine Drohung an Putin und einen Weckruf an die westlichen Partner senden zu müssen. Denn die Lage an der Front ist Besorgnis erregend: Die Vorteile scheinen mittlerweile wieder bei der angreifenden russischen Armee zu liegen, während den ukrainischen Verteidigern Soldaten, Waffen und Munition ausgehen.

Zudem drohen sich die USA aus dem Kreis der Unterstützer der Ukraine zu verabschieden. Derzeit wird um weitere Militärhilfe hart gerungen, unter einer möglichen zweiten Präsidentschaft Donald Trumps könnte es ganz damit vorbei sein. Macron springt da wohl auch gern in die Bresche, um einen Führungsanspruch für die „grande nation“ zu erheben.

Nur ist sein hoher Einsatz leider allzu leicht als Bluff zu enttarnen. Der unrealistische Vorstoß war übereifrig, der Präsident steht ziemlich allein da auf europäischer Flur. Geschlossenheit, dringend erforderlich angesichts der existenziellen Bedrohung durch Putins Russland, sieht anders aus.

Auch Scholz äußert sich strategisch unklug

Erschwerend kommt hinzu, dass Bundeskanzler Olaf Scholz kurz zuvor erstmals ausführlich erklärt hat, warum Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper liefern wird. Das war das Gegenteil von „strategischer Mehrdeutigkeit“ und als Signal an den Kriegsherrn im Kreml ebenfalls nicht sonderlich klug.

Dann erlaubte sich Macron auf der von ihm einberufenen Pariser Ukraine-Konferenz (nachdem er bei einem G7-Treffen zuletzt nicht anwesend war) noch einen Seitenhieb auf Deutschlands anfängliches Zögern und Zaudern bei Waffenlieferungen. Dabei tut sich gerade Frankreich mit militärischer Unterstützung nicht gerade hervor.

Dass diese Dissonanzen weidlich von der russischen Propaganda ausgeschlachtet werden, ist schlimm genug. Viel tragischer ist, dass die von Macron ohne Not angezettelte Debatte um – von der Ukraine übrigens nie geforderte – Bodentruppen die wichtigste Frage wieder in den Hintergrund drängt: wie der Westen dem Land die überlebensnotwendigen Waffen beschaffen kann.

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