Ahrtal Wie zwei Unternehmer die privaten Helfer organisieren

Ehrenamtliche Helfer warten geduldig auf ihren Einsatz im verwüsteten Ahrtal.
Ehrenamtliche Helfer warten geduldig auf ihren Einsatz im verwüsteten Ahrtal.

Seit fünf Wochen treffen sich täglich über 1000 Menschen in einem Gewerbegebiet an der A61: Sie packen in dem vom Hochwasser gezeichneten Ahrtal an. Zwei Unternehmer aus Bad Neuenahr haben für sie einen kostenlosen Shuttle-Service, die Auftragsvermittlung und die Verpflegung organisiert.

An die 200 Menschen warten geduldig. Viele haben Schaufeln und einen Werkzeugkoffer mit Bohrhammer in Händen – alle tragen festes Schuhwerk. „Passt auf eure Knochen auf und kommt mir gesund zurück“, sagt Thomas Pütz. Er ist einer der Initiatoren der Hilfsaktion. Gemeinsam mit Marc Ulrich rief er den „Helfer-Shuttle“ für das arg gebeutelte Ahrtal ins Leben. Gleich wird wieder ein Bus ins Tal starten.

Die Wirtschaftsjunioren im Einsatz in Dernau, das von der Flut stark getroffen wurde.
Hochwasser-Katastrophe

Private Helfer aus der Pfalz immer noch unterwegs

„Wir fahren jetzt in ein paar Ecken, wo noch nicht viel passiert ist. Leere Häuser, leere Gebäude sind tabu. Nur wo der Besitzer davor steht, da dürft ihr rein“, sagt Pütz. Seine Ansprache ist ein morgendliches Ritual. „Ich bin der Thomas“, stellt er sich vor. Hinter ihm ist das Firmenlogo von Haribo zu erkennen. Der Hersteller von Gummibärchen verlegte vor drei Jahren seinen Hauptsitz von Bonn in den „Innovationspark Rheinland“, der als Teil der Verbandsgemeinde Grafschaft über dem Ahrtal thront.

„Wir sind eigentlich alle durch“

Das Helfer-Shuttle existiert seit fünf Wochen. Und noch immer strömen täglich 1000 und mehr Menschen auf das Gelände dieses Gewerbegebietes an der A61. Sie kommen, um im Ahrtal mit anpacken zu können. „Es ist die größte Katastrophe, die wir hier je erlebt haben. Wir sind eigentlich alle durch“, wirbt Pütz in seiner Ansprache um Empathie. „Wir brauchen Eure Augen, wir brauchen Eure Ohren. Habt dabei bitte auch Respekt vor den Menschen im Tal.“

Geduldig stehen die Helfer in der Schlange, bis sie eingeteilt werden. An den benachbarten Ständen gibt es Wasserflaschen und für den, der noch nicht gefrühstückt hat, ein belegtes Brötchen und Kaffee. Rund 36.000 Menschen haben sich inzwischen zu einem Tageseinsatz ins Tal kutschieren lassen. In die Dörfer und Städte zwischen Ahrbrück im Westen und Sinzig im Osten. Um dort Schlamm aus Kellern zu schaufeln, Häuser zu entkernen, Böden heraus zu reißen und Putz abzuschlagen, oder sei es darum, in den Weinbergen den in Not geratenen Winzern zu helfen.

Viele Helfer von überall her

Da ist ein Ärzte-Ehepaar aus Erlangen, das – auf einem kurzen Zwischenstopp auf dem Weg in den Urlaub – zwei Tage Arbeitseinsatz mit dem Bohrhammer in Ahrweiler einlegt. Da ist der Zeitsoldat aus Koblenz, der einen Teil seines Urlaubs opfert, oder die junge Frau aus Linz auf der anderen Seite des Rheins, die „beim Entlauben“ der Rebhänge in dem Örtchen Mayschoss mithilft. Dort, wo viele Häuser abgerissen werden müssen und auch die seit 1868 bestehende Winzergenossenschaft meterhoch im braunen Wasser stand.

Manche Helfer nächtigen in Wohnwagen oder Zelten auf den Wiesen des Gewerbegebiets, andere nehmen sich günstige Zimmer oder kommen bei Bekannten unter. Auch viele Fachkräfte sind eingetroffen: Da ist der Handwerker, der mit Firmenwagen aus dem Allgäu anreiste. „Ich suche eine Mitfahrgelegenheit zum Shuttle (gerne früh) aus dem Rhein-Main-Gebiet“, meldet sich ein Frankfurter. Andere reisen aus Kusel an. „Das Basis Camp Grafschaft bei Haribo ist mega“, meint Margarita. „Vielen Dank für euren Shuttle-Service. Einfacher geht's nicht, einfach hinfahren, einsteigen und helfen“, postet ein Jan auf Facebook.

Auch nach der Arbeit ist für die Helfer gesorgt: mit warmem Essen und Kaltgetränken. Ein Caterer aus Haslach im Kinzigtal lieferte 2000 Mal Curry-Reis – als Spende. „Jeden Tag kommt ein anderer Caterer, der uns 1000 oder 2000 Essen anbietet, und spenden will. Das ist Wahnsinn“, sagt Thomas Pütz.

Die Logistik war das große Problem

Das logistische Problem bei der Hilfe haben die Initiatoren Pütz und Ulrich früh erkannt: in dem 38 Kilometer langen Abschnitt des Ahrtals, der von der Sturzflut heimgesucht wurde, sind viele Straßen weggespült worden. Orte wie Ahrbrück, Mayschoss oder Dernau sind weiter nur mit kleineren Fahrzeugen zu erreichen, die Straßen sind mit Schotter notdürftig wieder hergestellt. Die ersten Tage entstand ein Verkehrschaos, weil viele Hilfswillige mit Privatautos ins Tal fuhren – bis die Polizei die Straßen absperrte, um die Durchfahrt für die großen Lastwagen von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk vorrangig zu ermöglichen.

Marc Ulrich charterte gleich nach der Katastrophe im Juli den allerersten Linienbus. Der Inhaber eines Marketingbüros in Bad Neuenahr, mit Büro direkt neben dem Krankenhaus „Maria Hilf“, sagte zu seinem Kompagnon Pütz: „Wir fahren jetzt den Linienbus von Haribo voll besetzt mit Helfern runter nach Ahrweiler.“

„Die freiwilligen Helfer sind eine Stütze und wichtige Hilfe beim Wiederaufbau“, sagt Pütz. Im Ahrtal habe das anfangs nicht so funktioniert wie beim Oder-Hochwasser 2002, hier habe „das auch keiner in die Hand genommen“, glaubt er. In der Stadt und in den Dörfern habe absolutes Chaos geherrscht. Selbst die Koordination der Hilfskräfte war schwierig.

Helfer sind selbst Geschädigte

Die Shuttle-Organisatoren sind selbst Flutgeschädigte. Pütz, der in Bad Neuenahr ein Sanitätshaus führt, sind einige seiner firmeneigenen Kleintransporter „einfach weggeschwommen“.

Längst haben die beiden Unterstützer. Im „Orga-Team“ kümmern sich 30 Helfer oben im Gewerbegebiet um die Abwicklung der Arbeitsaufträge und Verteilung der Helfer. Die Arbeitsaufträge können online an das Team von „Helfer Shuttle“ gestellt werden.

Die Hilfsaktion kann kostenlos auf etliche Busse zurückgreifen. So haben die Kölner Verkehrsbetriebe zwei große Gelenkbusse samt Fahrer gestellt. Zwei weitere Busse kommen von einem privaten Bonner Verkehrsunternehmen. Dafür, dass alles weiter rund läuft, sorgt auch Marketingfachmann Ulrich: Mit seinem Team postet er Nachrichten und Videoclips auf die Facebook-Seite der Hilfsaktion. Über einen 80 Sekunden-Clip schrieb er Ende Juli „Wir brauchen Euch! Ohne Euch geht nichts.“

Und Pütz sagt: „Wir bleiben hier oben, solange wir gebraucht werden.“ Die Aktion „ist ohne behördlichen Auftrag, nur mit gesundem Menschenverstand“ entstanden. Mit ein „bisschen Führung“ sei es gelungen, „Hilfe an den Punkt zu bringen, wo Hilfe auch gebraucht wird“. Er wirkt mit seiner guten Laune ansteckend. „Wir sind einfach nur Ahrtaler Unternehmer, die ihre Heimat lieben – und sie wieder aufbauen möchten“, schreiben Ulrich und Pütz im Internet auf www.helfer-shuttle.de.

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Thomas Pütz
Thomas Pütz
Marc Ulrich
Marc Ulrich
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