Kolumne Warum die Winzer derzeit kaum schlafen

rheinpfalz_18_9_2021

Die Weinlese war in dieser Woche ein wichtiges Thema. Einige Winzer hatten noch dringend Aushilfskräfte gesucht. Die Resonanz war überwältigend. Im Nachhinein geht ein großes Dankeschön an alle RHEINPFALZ-Leser, die sich bei den Weingütern gemeldet haben, um dort zu helfen.

Wer dieser Tage am Haardtrand unterwegs war, hat sie gespürt – die Ruhe vor dem Sturm. Wenn die Trauben reif werden, stehen alle in den Startlöchern. Und diesmal sind die Winzer nervös. Auch Bernd Weik vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) ist besorgt, wenn er seine Weinberge inspiziert. „Man muss sich als Winzer motivieren und optimistisch bleiben“, sagt er. Vor allem bei den roten Sorten drohe nicht nur Fäulnis, auch die Kirschessigfliege sei mal wieder ein Problem. 

Kurzer Herbst und lange Nächte

Schon Ende August hat Weik bei der Web-Seminarreihe „Keller digital“ 60 Teilnehmer angesichts der Wetterkapriolen mental auf eine schwierige Lese vorbereitet: „Uns erwartet ein kurzer Herbst mit vielen Arbeitsstunden und langen Nächten.“ Nach drei sehr guten Jahrgängen sind die Kenner verwöhnt, haben hohe Erwartungen. Weik hofft trotz aller Schwierigkeiten auf ausdrucksstarke, säurebetonte Weine mit Rückgrat.

Als Laie betrachtet man die Weinrebe mit Ehrfurcht. Kaum eine andere Obstsorte, die so viel Zeit, Energie und Sorgfalt benötigt – zuerst im Wingert und dann im Keller. Zwar haben wir den Weinbau den alten Römern zu verdanken, doch deren Erzeugnisse ließen stark zu wünschen übrig.

Saure Brühe wurde aufgepeppt

Heute würde man den oft auch noch gepanschten Römerwein als „saurie Brieh“ bezeichnen. Er wurde vorm Trinken mit Wasser verdünnt, mit Honig gesüßt und mit Gewürzen aufgepeppt. Zu den wertvollsten Ausstellungsstücken des Historischen Museums der Pfalz gehört eine gelbliche Glasflasche aus der Römerzeit. Sie stammt aus einem in Speyer entdeckten Steinsarkophag. Die Flasche enthält einen der ältesten Traubenweine der Welt (um 325 n. Chr.). Man erkennt noch einen flüssigen, klaren Bodensatz und ein festes, harziges Gemisch.

Flaschen mit Olivenöl abgedichtet

Nach Auskunft einer Museumssprecherin gossen die Römer den Wein mit einer Würzmischung in die Glasflasche, darüber kam Olivenöl, um das Ganze luftdicht zu verschließen. Im vorliegenden Fall muss es mehr Öl als üblich gewesen sein, denn es reichte in seiner verharzten Form aus, um den Wein bis heute zu konservieren, auch wenn sich der Alkohol längst verflüchtigt hat.

Die Vollernter, die jetzt bei der Lese im Einsatz sind, hätten sicher auch den alten Römern gefallen. Bernd Weik befürchtet aber, dass diesmal viele Winzer die faulen Trauben von Hand rausschneiden müssen, bevor die Maschine kommt. Wie auch immer der Herbst ausfällt, wir werden das Ergebnis würdigen. Denn eines steht fest: Was am Ende in unseren Gläsern funkelt, übertrifft um Längen das, was die armen Römer so schlucken mussten.

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