Podcast „Alles Böse“ Fünf Jahre danach: Worauf die Opfer bis heute warten

Flammenhölle: das BASF-Gelände kurz nach der Explosionsserie im Oktober 2016.
Flammenhölle: das BASF-Gelände kurz nach der Explosionsserie im Oktober 2016.

Die überlebenden Opfer der BASF-Explosion und die Angehörigen eines toten Feuerwehrmanns sind frustriert: Fünf Jahre nach dem verhängnisvollen Unglück haben sie noch keinen Cent Schmerzensgeld bekommen. Ihr Anwalt erklärt, wen er in der Pflicht sieht.

Auf eine halbe Milliarde Euro wird der Sachschaden geschätzt, der beim BASF-Explosionsunglück vor fünf Jahren entstanden ist. Die Schadensersatz-Ansprüche der Schwerverletzten sowie der Hinterbliebenen der Toten sind im Vergleich dazu lächerlich klein: Nach den üblichen Maßstäben stehen seinen Mandanten nun fünf- bis sechsstellige Beträge zu, sagt der Anwalt Jan Schabbeck. Was diesen Menschen widerfahren ist, hatte der Ludwigshafener Jurist schon im Strafprozess um das Unglück eindrücklich geschildert.

Sie leiden noch immer

Über das Schicksal eines nach elf qualvollen Krankenhaus-Monaten gestorbenen Mannes und seiner Hinterbliebenen sagte der zuständige Staatsanwalt anschließend: „Das ist das Schrecklichste, was ich hier je gehört habe.“ Mittlerweile, berichtet Schabbeck, geht es seinen Mandanten so, wie es zu erwarten war: Sie leiden noch immer. Von drei besonders schwer verletzten Überlebenden etwa kann nur einer überhaupt wieder zur Arbeit gehen: weiter bei der BASF-Werkfeuerwehr, aber nurmehr im Innendienst.

Seine beiden früheren Kollegen hingegen mussten in den vorgezogenen Ruhestand. Und zu den jeweiligen körperlichen Einschränkungen kommen die psychischen Folgen. Die Familie des erst nach fast einem Jahr gestorbenen Feuerwehrmanns wiederum muss durch dessen Tod auch den Ausfall des Haupt-Ernährers verkraften. Immerhin: Die Sozialkassen, die Berufsgenossenschaft und die BASF haben sich dem Anwalt zufolge anständig um die Opfer gekümmert, um Renten oder Geld für Therapien mussten sie also nicht erst kämpfen.

Urteil schon 2019

Doch einen weitergehenden finanziellen Ausgleich für das ihnen widerfahrene Leid haben sie bis heute nicht bekommen. Allerdings lässt sich auf den ersten Blick auch kaum sagen, wer das überhaupt zu zahlen hat. Strafrechtlich haben Frankenthaler Richter den Fall zwar schon 2019 aufgearbeitet und am Ende der BASF eine „kausale Mitverantwortung“ bescheinigt – ein Vorwurf, den Uwe Liebelt, der Ludwigshafener Standort-Chef des Konzerns, zum fünften Unglücks-Jahrestag im RHEINPFALZ-Interview zurückgewiesen hat.

Aber als eigentlichen Verursacher haben auch die Frankenthaler Richter nur einen einzelnen Monteur verurteilt, der versehentlich mit seiner Flex die falsche Pipeline aufschnitt. So löste er eine fatale Kettenreaktion aus: die gigantische Explosionsserie, durch die insgesamt fünf Menschen starben und Dutzende verletzt wurden. Dass er dafür mit einem Jahr Haft auf Bewährung büßen muss, hat der Bundesgerichtshof inzwischen bestätigt – und diese rechtlich endgültige Entscheidung soeben öffentlich gemacht.

Der Arbeitgeber haftet

Für die finanzielle Haftung wiederum gilt: Wenn jemand bei der Arbeit so einen fatalen Fehler macht, dann zahlt normalerweise sein Arbeitgeber für die Schäden. Doch beim Flex-Mann ist es verwickelt: Der mittlerweile 65-Jährige aus Mannheim war bei einer Leiharbeitsfirma angestellt. Die schickte ihn zu einem Rohrbau-Betrieb, der wiederum als Subunternehmer einer weiteren Firma auf dem BASF-Gelände in einem Graben voller Pipelines am Nordhafen eine außer Betrieb genommene Leitung abbauen sollte.

Anwalt Schabbeck geht nun davon aus, dass nun der Rohrbau-Betrieb – es geht um den formal eigenständigen Pfälzer Ableger eines auch an vielen anderen Chemie-Standorten vertretenen Konzerns – für die Unglücksfolgen einstehen muss. Tatsächlich habe sich bei ihm auch schon längst dessen Versicherung gemeldet. Allerdings nur, um mitzuteilen: Das Geld wird nicht reichen, um alle Ansprüche zu bedienen. Die Opfer wissen bislang aber nicht, welche Summe überhaupt bereitsteht. Oder wer noch Ansprüche angemeldet hat.

Auch die BASF muss warten

Vermuten ließe sich etwa: Die BASF könnte den Milliardenschaden an ihren Anlagen wohl zumindest zu einem großen Teil in Rechnung gestellt und so den größten Brocken für sich reklamiert haben. Eine Unternehmenssprecherin sagt aber: Es geht nur noch um Beträge in Höhe „eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags“. Denn nur so viel war als Selbstbehalt nicht von den eigenen Versicherungen des Chemie-Riesen abgedeckt, den ganzen Rest haben sie demnach hingegen bereits kompensiert.

Das für verhängnisvollen Demontage-Arbeiten verantwortliche Rohrbau-Unternehmen wiederum hat auf eine RHEINPFALZ-Anfrage zur Schadensabwicklung gar nicht erst reagiert. Opfer-Anwalt Schabbeck sagt: „Nach der Rückmeldung der Anwaltskanzlei der Versicherung gingen wir davon aus, dass eine Klage nicht notwendig sei. Aber man merkt in solchen Fällen leider immer wieder, dass das persönliche Schicksal der Betroffenen dann doch nicht viel Beachtung findet.“

 

Um das BASF-Explosionsunglück von 2016 und seine juristische Aufarbeitung im Frankenthaler Prozess geht es auch in zwei neuen Folgen des RHEINPFALZ-Podcasts „Alles Böse“. Die erste ist schon abrufbar – im Webplayer sowie auf gängigen Plattformen wie Spotify, Google Podcasts, Apple Podcasts oder Castbox. Im Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur Uwe Renners beschreibt Gerichtsreporter Christoph Hämmelmann, was Wehrleute in der Flammenhölle erlebten und wie die Ermittler die Unglücksursache entdeckten.

Mit Überlebenden im Prozess ums BASF-Unglück: Opfer-Anwalt Jan Schabbeck.
Mit Überlebenden im Prozess ums BASF-Unglück: Opfer-Anwalt Jan Schabbeck.
Ums BASF-Explosionsunglück von 2016 geht’s auch in der neuen Folge des RHEINPFALZ-Podcasts „Alles Böse“.
Ums BASF-Explosionsunglück von 2016 geht’s auch in der neuen Folge des RHEINPFALZ-Podcasts »Alles Böse«.
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