Speyer Wie aus der „Zellid“ der Industriehof geworden ist

Celluloidfabrik Speyer: Gegründet wurde sie 1897 von Kommerzienrat Franz Kirrmeier.
Celluloidfabrik Speyer: Gegründet wurde sie 1897 von Kommerzienrat Franz Kirrmeier.

Der Speyerer Industriehof hat eine lange Geschichte. Sie beginnt 1897 als Celluloidfabrik und reicht bis ins aktuelle Jahr 2022, in dem der heutige Industriehof erweitert werden soll. Zur Geschichte gehört auch ein tragisches Unglück.

Die Speyerer nennen sie kurz „die Zellid“: Gemeint ist die Celluloidfabrik Speyer. Gegründet hat sie 1897 Kommerzienrat Franz Kirrmeier. Produziert wurde auf dem 7,3 Hektar großen Areal nur Rohzelluloid in Form von Stäben, Platten und Rohren. Die Firma belieferte Zelluloid-Verarbeiter wie die Mannheimer „Schildkröt“, die Filmindustrie und die Hersteller von Musikinstrumenten.

Die Produktion des leicht brennbaren Materials – es ist der erste bunt einfärbbare Kunststoff – begann bereits 1877 in England. In Speyer dauerte sie bis 1968. In Spitzenzeiten hatte die „Zellid“ rund 1000 Beschäftigte. In den 1950er-Jahren lösten neue Kunststoffe wie PET das Zelluloid jedoch ab. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden aus dem Material noch Gebrauchsartikel wie Brillengestelle, Kugelschreibergehäuse oder Messergriffe gefertigt. Wie gefährlich die Herstellung von Zelluloid sein kann, beweist ein tragisches Unglück am 28. November 1933: Bei einer Brandkatastrophe in der Celluloidfabrik Speyer sterben kurz nach 16 Uhr sieben Menschen.

Letzte erhaltene Fabrik ihrer Art

Seit dem Ende der Celluloidfabrik werden die Gebäude als Industriehof genutzt. Er bietet zahlreiche Arbeitsplätze für Kreative, Handwerker, Neugründungen und Vereine. Besitzer ist lange Zeit die Erbengemeinschaft H. Ecarius-Kirrmeier. 2016 beginnt der Verkauf von Anteilen an die Familie Stefan Johann. Heute gehört das Gelände bis auf wenige Teile der Industriehof Speyer GmbH. Sie gehört zu 75 Prozent der Quartiersmanufaktur GmbH & Co. KG.

Die „Zellid“ ist „die letzte zumindest äußerlich komplett erhaltene Fabrik ihrer Art in Deutschland“, schreibt Barbara Ritter vom Verein Industriekultur Rhein-Neckar in Mannheim auf der Homepage des Vereins. Dort ist die Fabrik mit der Objektnummer 179 der Industriedenkmäler in der Region dokumentiert. Andere Celluloidfabriken seien in den 1980er-Jahren abgerissen worden. „Glücklicherweise hat die Speyerer Erbengemeinschaft den Industriehof ohne große Veränderung erhalten“, lobt Ritter. Mit Blick auf die „Zellid“ Speyer fordert sie auf Anfrage der RHEINPFALZ von den Investoren weiter Augenmaß bei der Weiterentwicklung: „Es ist uns wichtig, dass der raue Charme der Fabrikgebäude auch mit ihren Handwerkern und Gewerbebetrieben erhalten bleibt. Eine Siedlung nur für Reiche und Schöne in angesagten Industrielofts – das würde nicht passen.“

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