Speyer „Geld und Macht setzen sich durch“

Lobby-Hochburg: Brüssel. Das Bild zeigt das Gebäude der Europäischen Kommission. Im BASF-Büro in Belgiens Hauptstadt gibt es 19
Lobby-Hochburg: Brüssel. Das Bild zeigt das Gebäude der Europäischen Kommission. Im BASF-Büro in Belgiens Hauptstadt gibt es 19 Mitarbeiter. Das Jahresbudget liegt laut Katzemich bei 3,3 Millionen Euro.

«Ludwigshafen.» Mit den „Lobbystrategien der deutschen Automobil- und Chemiekonzerne“ befasst sich am morgigen Donnerstag ein Vortrag, zu dem das globalisierungskritische Netzwerk Attac ins Verdi-Haus in Ludwigshafen einlädt. Referentin ist die Politologin Nina Katzemich, die seit 2009 für die Organisation Lobby Control arbeitet und dort für die EU-Lobbyregulierung zuständig ist. Über ihre Kritik am Lobbyismus hat Nicole Sperk mit der 42-Jährigen gesprochen.

Frau Katzemich, was ist denn eigentlich Lobbyismus?

Das ist jede Art von Versuch, in die Gesetzgebung einzugreifen. Wir unterscheiden zwischen direktem und indirektem Lobbyismus. Direkte Lobbyarbeit funktioniert über Treffen von Unternehmen und Politikern. Es werden Stellungnahmen verfasst oder Gesetzesformulierungen vorgeschlagen. Indirekte Lobbyarbeit meint zum Beispiel, dass probiert wird, Medien zu beeinflussen. Oder das Verfassen von Studien oder von Rechtsgutachten, die öfter auch mal von scheinbar neutralen Organisationen oder Kanzleien in die Politik gebracht werden sollen. Ist es nicht legitim, dass Unternehmen versuchen, ihre Interessen zu vertreten? Natürlich. Letztendlich machen wir als Nichtregierungsorganisation auch Lobbyarbeit. Politik kann nicht per se wissen, was richtig ist, und muss natürlich im Kontakt mit Akteuren sein. Was wir kritisieren, ist die Intransparenz. Es ist nicht klar, wie die Kontakte verlaufen, die einen großen Einfluss auf gesetzgeberisches Handeln haben können. Und wir kritisieren, dass die Kontakte ungleich verteilt sind. Durch eine Anfrage der Linken-Fraktion kam heraus, dass die Bundesregierung und speziell die Kanzlerin im Zuge von Dieselgate nur mit Unternehmen und Verbänden der Automobilindustrie gesprochen hat und nicht mit Umweltverbänden. Wie ist denn die Lobbyarbeit in Konzernen organisiert? Man kann davon ausgehen, dass jeder Konzern, erst recht jeder multinational operierende Konzern, ganz offiziell eigene Abteilungen hat, um die Regierungsbeziehungen zu pflegen. Wie sieht es bei der BASF aus, dem größten Arbeitgeber der Region? Die BASF hat solche Büros in Berlin, Brüssel, Washington, Delhi und Peking. Ich bin bei Lobby Control für Brüssel zuständig und weiß, dass im dortigen Büro 19 Mitarbeiter arbeiten und es ein Jahresbudget von 3,3 Millionen Euro gibt. Das sind öffentlich zugängliche Infos von der BASF-Website und aus dem EU-Lobbyregister, das von den Firmen und Verbänden selbst gepflegt wird. Die BASF ist unheimlich gut vernetzt und im Europäischen Chemieverband aktiv. Allgemein gesprochen, nicht über ein einzelnes Unternehmen: Wie sieht Lobbyarbeit konkret aus? Es wird doch sicher kein Parlamentarier ein Gesetz verabschieden, nur weil beim Empfang die Häppchen so gut geschmeckt haben? Es gibt unheimlich viele Varianten, und die Häppchen sind nur ein kleiner Teil (lacht). Es ist ja auch gar nichts dagegen zu sagen, dass nach einer Veranstaltung noch Getränke gereicht werden. Sehr oft wird ein Drohpotenzial bemüht, und es werden Studien vorgelegt, die besagen, dass Arbeitsplätze gefährdet sind. Das Argument wiegt natürlich sehr schwer. Fruchtet der Lobbyismus? Das ist immer wieder zu beobachten. Es wird oft behauptet, dass die Europäische Union ein bürokratisches Monster ist. Aber das stimmt gar nicht. Die Kommission ist in vielen Abteilungen nicht gut besetzt. Den Mitarbeitern fehlt oft das Fachwissen oder die Zeit, sich mit zum Teil hochkomplexen Fragestellungen intensiv zu befassen. Da ist es manchmal einfach praktisch, wenn ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen eine gute Formulierung vorschlägt. Das Prinzip „Copy und Paste“ (kopieren und einfügen; Anm. d. Red.) kommt sehr oft vor. Wir kritisieren außerdem den personellen Austausch zwischen Wirtschaftsunternehmen und politischen Institutionen. Viele Unternehmen werben mit ihrem gesellschaftlichen und ethischen Engagement. Halten Sie das für Augenwischerei? Das wäre zynisch. Ich denke, man kann eher davon sprechen, dass sie zweigleisig fahren. Wenn es um den Gewinn des Unternehmens geht, spielen die Gesundheit, der Umweltschutz und die soziale Verantwortung oft keine Rolle mehr. Also schadet Lobbyismus dem Allgemeinwohl? Das auch. In erster Linie sehen wir Lobbyismus aber als ein Demokratieproblem. Zwischen vielen Lobbys und der Politik gibt es eine zu große Nähe. Und am Ende setzen sich Geld und unternehmerische Macht durch. Das ist das Beunruhigende. Termin Morgen, Donnerstag, 12. Juli, 19.30 Uhr, Verdi-Haus, Kaiser-Wilhelm-Straße 7.

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