Speyer 2022 gibt es viel Händel in der Domstadt

Am 6. September 1741 war es fertig: das „Hallelujah“ aus Händels „Messiah“.
Am 6. September 1741 war es fertig: das »Hallelujah« aus Händels »Messiah«.

Vor 280 Jahren, am 13. April 1742, erklang in Dublin erstmals Georg Friedrich Händels „Messiah“, das erste große Werk der Musikgeschichte, das bis heute eine ungebrochene Aufführungstradition hat. Er wird im Juli in Speyer erklingen

Im Jahr 1759 war der 13. April ein Karfreitag. Händel wollte, so ist überliefert, an einem Karfreitag sterben. Es wurde am 14. April 1759 der Morgen eines Karsamstags. Das Zimmer , dem er starb, ist heute zu besichtigen im Museum in der Brook Street in Londons Stadtteil Mayfair. Seit 1724 lebte dort der Komponist. Im 20. Jahrhundert wurde das Nachbarhaus übrigens von Jimi Hendrix bewohnt.

In Händels Haus ist eine Etage unter dem Schlafzimmer auch das Arbeitszimmer des Meisters zu besuchen. Jener Ort, an dem er zwischen dem 22. August und dem 13. September 1741 den „Messiah“ komponierte.

Die Uraufführung war also in der Osterzeit. Händel hat später das Werk in seinen Benefizkonzerten für das Foundling Hospitel auch immer in Passions- und Osterzeit aufgeführt. Zuletzt am 6. April 1759. Doch die Aufführungen gingen nach seinem Tod weiter. Allmählich gab es auch immer öfter Aufführungen vor Weihnachten, was auch bei uns zur Regel geworden ist. Dabei ist ja nur der erste Teil weihnachtlich.

Beliebt für Mitsing-Konzerte

Die Besetzungen wurden schon im 18. Jahrhundert immer größer – und gerade heute ist der „Messiah“ ein sehr beliebtes Stück für Mitsing-Konzerte. Das Stück wurde schnell auch außerhalb Englands populär, im 18. Jahrhundert fand es sogar schon den Weg nach Indien. Und auf dem Kontinent gab es früh deutsche Übersetzungen, etwa von Herder, und mit der Bearbeitung von Mozart auch jene Version, die lange dem Original vorgezogen wurde. Mozart ist nicht der Einzige, der den Messias keine 50 Jahre nach seiner Entstehung neu gefasst hat, Johann Adam Hiller tat es unter anderem auch. Nun ist Mozarts Fassung ein ganz großes Kunstwerk, es macht aber das Original nicht besser, sondern passt es dem Geschmack des späten 18. Jahrhundert an. Es gibt ihm aber auch eine eindeutige Gestalt.

Denn dieses Werk, das zu den berühmtesten der Musikgeschichte gehört, hat im Original keine definitive Gestalt. Georg Friedrich Händel hat vielmehr gleichsam für jede Aufführung eine neue Version kreiert, Stücke ausgetauscht und immer wieder neue Fassungen einzelner Nummern im Blick auf die jeweils verfügbaren Sänger komponiert. Das war ja auch in seinen Opern eine gängige Praxis: Arien wurden den Gesangsstars der Zeit immer auf den Leib geschrieben.

Viel aus dem Alten Testament

Das Werk erzählt keine durchgängige Geschichte. Im Unterschied etwa zu den Passionen oder dem Weihnachtsoratorium von Bach folgt der Text nicht einer konkreten biblischen Erzählung. Charles Jennens, der die Textzusammenstellung besorgte und auch die Idee zu dem Stück hatte, stellte vielmehr Bibelstellen unterschiedlicher Herkunft zusammen.

Dabei überwiegen Verse aus dem Alten Testament. Der Name Jesus kommt nur ein einziges Mal vor, kurz vor Schluss. Es ist, wenn, dann fast nur von Christus, dem „Messias“, dem Gesalbten, die Rede.

Das Leben Jesu, seine Geburt, sein Wirken, seine Passion, Auferstehung und Himmelfahrt werden nicht direkt angesprochen. Sie stehen freilich im Hintergrund der prophetischen Texte des Alten Bundes, in denen auf den kommenden Messias hingewiesen wird. So lässt sich in Händels „Messias“ mit seinen drei Teilen durchaus ein erster Teil zu Advent und Weihnachten, ein zweiter zu Passion, Auferstehung, Aussendung des Wortes Gottes und Verherrlichung des Messias und ein dritter zu den letzten Dingen erkennen. Jennens freilich selbst hat sein Libretto anders eingeteilt. Er nennt den ersten Teil „Prophezeiung des Heils durch den Messias als Sohn Gottes“, den zweiten „Prophezeiung der Erlösung durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Messias“, den dritten „Die Heilsmächtigkeit des Messias“.

Das Wirken des Erlösers

In der Art der mittelalterlichen Typologie oder Präfiguration, die Textstellen aus dem Alten Testament als Verheißung eines Geschehens versteht, das sich im Neuen Testament erfüllt, stehen vor allem in den ersten beiden Teilen die Verse aus dem Alten Testament hinweisend auf ihre Erfüllung im Leben und Wirken Jesu als des Messias.

Die Sinfonia steht übrigens in e-moll, während das erste Rezitativ in E-Dur steht, der hellsten damals gebräuchlichen Tonart. In E-Dur steht auch am Beginn des dritten Teils die Sopran-Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. Auf Händels Grabdenkmal in Westminster Abbey in London trägt die ihn darstellende Statue ein Notenblatt mit diesen Worten in der Hand.

Sanfte, zarte Empfindung, Erhabenheit und Größe: Das sind die schon nach der Uraufführung 1742 in Dublin in einer Zeitungsnotiz in „The Dublin Journal“ vom 17. April 1742 für Text und Musik gefundene Bezeichnungen für die bestimmenden Ausdruckscharaktere des Werks.

Nach der Offenbarung

„Erfüllung der Weissagung durch die Geburt eines Kindes“ lautet Jennens’ Überschrift für den „Weihnachtsteil“. In dessen Zentrum steht die Szene mit dem Hirten auf dem Feld in Bethlehem, denen ein Engel erscheint und denen die himmlischen Chöre den Himmel den Frieden verheißen. Diese Stücke nach dem Lukas-Evangelium, Kapitel 2, Vers 8 bis 14) gehören bekanntlich zur Weihnachtsgeschichte, wie sie auch Bach vertont hat. Es ist sehr spannend und aufschlussreich, diese analoge Stelle aus „Messiah“ und Weihnachtsoratorium zu vergleichen und die Unterschiede in der musikalischen Ambition von Bach und Händel zu erkennen.

Das berühmte Hallelujah nach Worten aus der Offenbarung beschließt den zweiten Teil zu Passion, Auferstehung, Himmelfahrt, Verkündigung und Auseinandersetzung mit den Feinden des Glaubens. Er steht nicht am Ende des ganzen Stücks. Aber es sind auch Worte aus der Offenbarung, die am Ende mit dem Chor „Würdig ist das Lamm“ stehen, dem die große „Amen“-Fuge folgt.

Zum Schluss eine kleine Anekdote zur „Aufführungspraxis“ vor 280 Jahren bei der Uraufführung dieses „vollendeten Meisterwerks“, als das es schon Dublin 1742 erkannt wurde. Auf dem Weg nach Dublin ging Händel in Chester mit einigen Chorsängern der Kathedrale die Chorstimmen durch. An einer Stelle scheiterte einer der Sänger. Händel wurde wütend: „Sie Brummochse! Hamm Se mir nich gesaacht, Sie gönnt’n von Blatte lääs’n?“ Darauf der Sänger: „Natürlich, Sir, das kann ich auch, aber nicht, wenn ich Blatt zum ersten Mal sehe.“

Zur Sache

Am 15. Juli um 19 Uhr führt PalatinaKlassik im Jubiläumskonzert zu seinem zehnjährigen Bestehen den „Messiah“ in der Kirche St. Otto in Speyer-West auf. Leo Kraemer dirigiert. Das PalatinaKlassik Vokalensemble, die PalatinaKlassik Kammerphilharmonie sowie Susanne Bernhard, Sopran, Victoria Real, Alt, Daniel Wagner, Tenor, und Heikki Kilpeläinen, Bass, musizieren. Infos unter www.palatina-klassik.eu.

Die Internationalen Musiktage Dom zu Speyer sind 2022 vom 16. September bis 3. Oktober ein veritables Händel- und Schütz-Fest. Von Händel gibt es neben Kammermusik, das Utrechter Te Deum und Jubilate, die Neun Deutschen Arien und das erst vor gut 20 Jahren wiedergefunden Gloria für Sopran und Streicher. Im Abschlusskonzert musiziert die Dommusik unter Domkapellmeister Markus Melchiori das wenig gespielte Oratorium „Joshua“. Für die Titelrolle kommt mit James Gilchrist erneut ein Star der Alten Musik nach Speyer, ein herausragender Tenor für die Musik des Barocks. Infos in Kürze unter www.dommusik-speyer.de.

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