Bexbach Menschenfreund Ludwig Nieder vor 100 Jahren verstorben
Auf seinem Weg zum Begräbnis wurde der Geistliche am 12. Februar 1922 von zahllosen Priestern, Arbeitern, Bergleuten, Turnern und Bürgern begleitetet. Mit Kerzen und Grubenlampen. Am Montag, 7. Februar, 10 Uhr, wird Nieders Grab auf dem Hauptfriedhof in einer öffentlichen Gedenkstunde mit Kranzniederlegung gesegnet.
Geboren am 1. Mai 1880 in Bexbach als eines von vier Kindern des Metzgers Karl Nieder, verlor Ludwig Nieder im Alter von zehn Jahren seine Mutter Anna-Maria. Ludwig engagierte sich im Turnverein Mittelbexbach. Am Reck, als Gewichtheber und beim Weitsprung bestritt er manchen Wettbewerb. In Zweibrücken besuchte er das Herzog-Wolfgang-Gymnasium. An seiner Seite saßen evangelische und jüdische Mitschüler. Besonders bei der eingesessenen Buchhändlerfamilie Ruppert ging der Schüler ein und aus: Der Mitbegründer des „Vereins der Mediomatriker“ weckte Nieders geschichtliches Interesse für seine pfälzische Heimat. Nach dem Besuch der höheren Schulen in Homburg fand Ludwig Nieder seine geistliche Berufung und studierte in München Theologie.
Wohltäter der Pfalz-Winzer nach Hagelschlag
1904 wurde er in Speyer von Bischof Konrad von Busch geweiht. Seine erste Kaplansstelle führte Nieder nach Neustadt-Diedesfeld. Als dort ein Hagelunwetter fast die gesamte Weinernte an der Haardt vernichtete, erreichte Nieder 1905 in zähen Verhandlungen mit den Regierungspräsidenten in Speyer und München, dass die Winzer mit staatlicher Hilfe vor dem Ruin gerettet wurden.
Der „Volksverein für das katholische Deutschland“, ein Vorläufer der heutigen Volkshochschulen, wurde durch diese soziale Aktion, die ein starkes mediales Echo fand, auf den talentierten Geistlichen aufmerksam. Der Verein erwirkte bei Diözesanbischof Faulhaber Ludwig Nieders Freistellung für die Volksvereinsarbeit in Mönchengladbach, verbunden mit einem weiteren Studium. Nun studierte der Bexbacher in München Volkswirtschaft. 1909 prangerte Nieder in seiner Dissertation „Die Arbeitsleistung der Saarbergleute in den kgl. Preußischen Steinkohlengruben bei Saarbrücken ab 1888“ die ungerechte Entlohnung an. Mehrfach war er in verschiedene Gruben eingefahren. Sein Professor Brentano bezeichnete das bei Cotta in München veröffentlichte Werk als „Muster einer tiefschürfenden, neue Aussichten eröffnenden Untersuchung“.
Großes Herz für die Bergarbeiter
Die Bergleute seiner Saarheimat ließen ihn nie los. Als 1920 zu Ehren des legendären Bergarbeiterführers Nikolaus Warken, genannt „Eckstein“, in Hasborn bei Tholey ein Gedenkstein errichtet wurde, oblagen Ludwig Nieder die Weihe und die Ansprache. Warken hatte 1889 in Bildstock den „Rechtsschutzverein“ zur Vertretung der Bergleute gegründet und den „Rechtsschutzsaal“ bauen lassen: Dieser gilt heute als ältestes Gewerkschaftsgebäude in Deutschlands.
Zurück in Mönchengladbach, wurde Ludwig Nieder in der Zentralstelle des Volksvereins tätig, an deren Spitze er 1920 trat. Als Assistent des späteren Reichsarbeitsministers Heinrich Brauns (1868 - 1939) war Nieder nicht nur Unterstützer der christlichen Gewerkschaftsbewegung, sondern auch Kontaktperson zum deutschen Episkopat.
Begnadeter Redner
Ludwig Nieder hielt Vorträge im In- und Ausland und veröffentlichte rund 60 Schriften mit Titeln wie „Die Frau in Staat und Kirche“, „Großstadtseelsorge“, „Der wissenschaftliche Sozialismus“, „Gedanken über Krieg, Gott und Christentum“ oder „Kirche und Sport“.
Als Volksredner füllte Ludwig Nieder die Säle. Begeistert kamen die Arbeiter auf ihn zu, besonders in der heimischen Saarpfalz. Nieders Schwester Anna, die seinen Haushalt besorgte, leitete von 1919 bis 1953 den Berufsverband katholischer Hauswirtschafterinnen, der noch heute existiert. Im Ersten Weltkrieg waren die beiden Geschwister in der Munitionsfabrik Hallschlag/Eifel einquartiert: Sie betreute dort die weiblichen Betriebsangehörigen, während er als Seelsorger wirkte. Indem Ludwig Nieder im Werk eine Explosion verhinderte, rettete er die Belegschaft.
Grundsatzrede zum Gemeinschaftsgeist
Nach Kriegsende galt sein Einsatz wieder der Arbeiterschaft. Ludwig Nieder warnte die Jugend vor falschen Ideologien und ermunterte die Frauen zu verstärktem Engagement in Kirche und Staat; seine Tür war stets offen.
1920 erhielt er die volle Verantwortung für die volkswirtschaftlichen Kurse des Volksvereins. Auf dem Frankfurter Katholikentag 1921 hielt Nieder die große Grundsatzrede „Der Gemeinschaftsgeist, unsere Rettung im inneren Zusammenbruch“.
Letzte Aktivitäten, früher Tod
Im Winter 1921/22 weilte Ludwig Nieder auf Vortragsreise in der Pfalz: Regelmäßige Besuche in seiner Heimatdiözese waren vertraglich mit dem Volksverein vereinbart. Fast täglich hielt er Vorträge, Kurse und Vertrauensmännerkonferenzen, die letzten im Priesterseminar Speyer und in Deidesheim. Dort erkrankte er schwer an einer Lungenentzündung, von der er sich nicht mehr erholte. Am 7. Februar 1922 starb Ludwig Nieder im Pfarrhaus Deidesheim. In seinem Messgewand wurde er in der Spitalkirche aufgebahrt. Seine letzten Worte lauteten: „Betet für mich und arbeitet weiter. Herr, dein Wille geschehe!“
Tags darauf begleitete ihn Bischof Ludwig Sebastian noch bis zur Saargrenze und erteilte den Segen. Bexbach ernannte den Verstorbenen sofort zu seinem ersten Ehrenbürger. Tagelang wurde der blumengeschmückte Sarg von Hunderten Trauergästen aufgesucht. Wie beliebt Ludwig Nieder war, zeigte sich beim größten Trauerzug, den Bexbach jemals erlebt hat. Während dort fast alle Priester- und Schwestergräber heute längst eingeebnet sind, hat sich Nieders Ruhestätte mit dem Bronzerelief des Barmherzigen Samariters nach wie vor erhalten.