VG Rheinauen/Rhein-Pfalz-Kreis Hochwasser-Übung: Am Ende müssten die Altriper fliehen

Auf dem Gelände der Firma Rohr: Mitglieder der DLRG füllen mithilfe eines Füllgeräts Sandsäcke.
Auf dem Gelände der Firma Rohr: Mitglieder der DLRG füllen mithilfe eines Füllgeräts Sandsäcke.

In der Verbandsgemeinde Rheinauen waren am Samstag rund 300 Einsatzkräfte aktiv, um ein fiktives Jahrhunderthochwasser am Rhein zu bewältigen. Bei der Übung wurde die Evakuierung eines Altenheims geprobt, vermisste Paddler aus dem Altrhein gerettet sowie Sandsäcke gefüllt und am Deich verbaut. Die Erfahrungen sollen auch anderen Rheinanliegern dienen.

Paula Leger von der DLRG Neuhofen steht am Sandsackfüllgerät der Verbandsgemeinde auf dem Gelände der Firma Rohr an der Schlicht, bindet den gerade befüllten Sandsack zu und legt ihn neben sich auf den Tisch. Ihr DLRG-Kollege Collin Bentz packt den rund 15 Kilogramm schweren Sack und stapelt ihn auf eine Palette. Diese werden mit Mehrzweckfahrzeugen der Feuerwehr an den Deichabschnitt zwischen Altrip und Waldsee transportiert.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via Glomex.

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Bei der gemeinsamen Übung der Verbandsgemeinde Rheinauen und des Rhein-Pfalz-Kreises wird ein Jahrhunderthochwasser mit einem Rhein-Pegel von mehr als neun Metern prognostiziert. Aufgrund dieser Lage traten bereits am Freitag auf Verbandsgemeinde- und Kreisebene Krisenstäbe zusammen, an deren Spitze der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rheinauen Patrick Fassott (SPD) und Einsatzleiter Stefan Loebel-Hoffelder sowie Landrat Clemens Körner (CDU) und Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) Rainer Schädlich stehen. Weil die Lage aufgrund der Prognose für die Verbandsgemeinde bald nicht mehr stemmbar war, bat sie am Freitagabend den Kreis um Hilfe, woraufhin Landrat Körner und BKI Schädlich die Einsatzleitung übernahmen.

Bei der Übung: Einsatzkräfte am Deich.
Kommentar

Bestmöglich vorbereitet sein

THW berät am Deich

Am Samstagvormittag beginnt die Deichverteidigung: Am Deichstück zwischen Altrip und Waldsee, das noch nicht für ein statistisch gesehen alle 200 Jahre auftretendes Hochwasser ertüchtigt ist, stehen neun Einsatzkräfte aus unterschiedlichen Feuerwehren aus dem Kreis. Sie reichen im Akkord Sandsäcke auf die Krone des Deichs. Nicole Lutz, Technische Beraterin für Hochwasserschutz vom THW Speyer, hat ein Auge auf die Kameraden und achtet darauf, dass die Sandsäcke nach einem gewissen Muster auf die Deichkrone gelegt werden. Bei diesem Szenario hätten die Einsatzkräfte rund zehn Stunden Zeit, um das etwa 1,5 Kilometer lange Deichstück um 30 Zentimeter zu erhöhen. Nach Berechnungen der ehrenamtlichen THW-Fachfrau bräuchte es dafür 60 Helfer und 25.000 bis 30.000 Sandsäcke. Im Ernstfall sei somit deutlich mehr Füll- und Personalkapazität notwendig als bei der Übung, sagt Lutz, die von der Deichmeisterei der SGD Süd als Beraterin hinzugezogen wurde und schon beim Hochwasser der Elbe 2002 und im Ahrtal im Einsatz war.

Am Deich zwischen Waldsee und Altrip: Einsatzkräfte der Feuerwehr verbauen Sandsäcke auf dem Schutzbauwerk.
Am Deich zwischen Waldsee und Altrip: Einsatzkräfte der Feuerwehr verbauen Sandsäcke auf dem Schutzbauwerk.

Zusätzliche Einsatzkräfte fordert der Kreis angesichts eines drohenden Deichversagens von Gemeinden an, die vom Hochwasser nicht betroffen wären. Laut Rheinauens Wehrleiter Michael Jaspers, der die Übung organisiert hat, könnten auch Helfer aus der Bevölkerung beim Sandsackfüllen eingesetzt werden. Denn in der Verbandsgemeinde gibt es nicht nur das noch nicht ertüchtigte Deichstück zwischen Altrip und Waldsee, sondern auch eins bei Otterstadt. Zudem muss mit weiteren Vorfällen gerechnet werden, die die Einsatzkräfte binden.

Stand-up-Paddler vermisst

Bei der Übung wird die Feuerwehr zwischenzeitlich zu weiteren Schwachstellen am Deich alarmiert. An vier Stellen sickert fiktiv Wasser durch das Schutzbauwerk. An einer Stelle bei Otterstadt tritt auch Material aus dem Deich, was dessen Standfestigkeit beeinträchtigt. Daher müssen die Einsatzkräfte dort eine sogenannte Quellkade bauen, wofür laut Stefan Loebel-Hoffelder noch mal 1500 Sandsäcke benötigt würden. Und als wäre die Lage nicht schon groß genug, meldet ein Spaziergänger zwei Stand-up-Paddler auf dem Altrhein, die später vermisst werden. Die Feuerwehr Waldsee bringt mit ihrem Boot die Strömungsretter der DLRG aufs Wasser, die die beiden Personen retten und dem Notarzt übergeben.

Der Rettungsdienst ist auch in die Evakuierung von 37 Statisten in der Altriper Maxschule involviert. Die Personen spielen bettlägerige und demente Bewohner eines Altenheims, das evakuiert werden muss. Denn zum Abschluss der Übung droht die Katastrophe: Das Sandsackfüllgerät fällt aus und die Einsatzkräfte vor Ort schaffen es nicht mehr, mit den vorhandenen Mitteln den Deich zu verteidigen. Der Krisenstab auf Verbandsgemeinde-Ebene schlägt daher dem Kreis vor, Altrip zu evakuieren. Damit endet die Übung, die den Krisenstäben auf Verbandsgemeinde- und Kreisebene, den Einsatzkräften und der Deichmeisterei viele Erkenntnisse geliefert hat. Diese sollen nun im Nachgang aufgearbeitet werden. Ein Ziel ist laut Kreis und Verbandsgemeinde, einen Evakuierungsplan für Altrip zu erstellen.

Rheinauens Bürgermeister Patrick Fassott nannte es „sehr intensive Tage für uns alle“ und lobte seine Verwaltungskollegen, die Wehrleitung und die ehrenamtlichen Einsatzkräfte für die „tolle Arbeit“. Für ihn habe die Übung gezeigt, dass Dinge, die eigentlich einfach ablaufen müssten, schwierig seien. Er nennt als Beispiel, das Verfassen einer Mitteilung, um die Bevölkerung zu warnen, ohne dass diese in Panik gerät. Landrat Clemens Körner (CDU) zog ebenfalls ein positives Fazit. Die Übung habe gezeigt, dass „wir öfter üben müssen und Optimierungsbedarf besteht“, sagte Körner und nannte die Kommunikation untereinander. Er lobte die hochmotivierten Einsatzkräfte, machte jedoch deutlich, dass eine solche Katastrophe nicht allein von Ehrenamtlichen bewältigt werden könne.

Zur Sache: Wie Bürger vorsorgen können

Ein Hochwasser ist ein Naturereignis, das im Katastrophenfall Deiche, Gebäude und Straßen überfluten, die Strom-, Wasser-, Gas- und Telekommunikationsversorgung beeinträchtigen und im schlimmsten Fall Menschenleben kosten kann. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gibt Tipps zur Vorsorge.

  • Hochwassergefahrenkarten (unter www.hochwassermanagement.rlp-umwelt.de) geben Aufschluss über das Risiko am Wohnort. Wer sich vor Kauf oder Anmietung eines Gebäudes oder Grundstücks informiert, weiß, was ihm drohen kann und kann sich entsprechend von Fachfirmen zur baulichen Vorsorge beraten lassen.
  • Das BBK empfiehlt eine Rückstausicherung, um das Haus vor dem Eindringen von Wasser aus der Kanalisation zu schützen. Außerdem sollen Heizöl- und Gastanks vor dem Aufschwimmen gesichert werden. Zudem rät die Behörde, elektrische Versorgungseinrichtungen und Heizungsanlagen in den oberen Geschossen zu installieren.
  • Es wird zu Elementarversicherungen geraten, die für Bewohner von Hochwasser-Risikogebieten allerdings schwer zu erhalten sind.
  • Wichtige Dokumente sollen gesammelt an einem sicheren Ort hinterlegt werden. In einer sogenannten Hochwasserkiste können für den Notfall nützliche Utensilien wie eine Hausapotheke, batteriebetriebenes Radio, Taschenlampe, Sprit- und Gaskocher, unverderbliche Lebensmittel und ausreichend Trinkwasser sowie warme wasserfeste Kleidung aufbewahrt werden.
  • Wenn das Hochwasser naht, sollen Fahrzeuge rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich gefahren werden. Achtung: Tiefgaragen und Keller können zur tödlichen Gefahr werden! Generell gilt es sich über die Internetseite der Gemeinde, lokale Medien und den Rundfunk zu informieren, kranken und hilfsbedürftigen Menschen zu helfen sowie unbedingt den Anweisungen von Polizei und Feuerwehr zu folgen.

Weitere Informationen zum Thema und wie realistisch eine solche wie in der Übung beschriebene Katastrophe ist, lesen Sie hier.

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