Windhoek/Limburgerhof Eine Auswanderin aus Limburgerhof über Krisenzeiten in Namibia und hungernde Tiere

Lore mit den Pferden Hexe, Mona, Leo und Prinz – im Hintergrund die Weite Namibias. Ganz ohne Gras. Hier hat es in den vergangen
Lore mit den Pferden Hexe, Mona, Leo und Prinz – im Hintergrund die Weite Namibias. Ganz ohne Gras. Hier hat es in den vergangenen zwei Jahren so gut wie nicht geregnet.

Bestimmt werden sich einige an Hannelore Neuffer erinnern. Über die Limburgerhoferin, die mit 60 ihre Sachen packte und nach Namibia auswanderte, haben wir immer wieder berichtet. Fast 20 Jahre schon lebt Lore, wie sie von allen genannt wird, auf einer Farm im Südwesten Afrikas. Gerade durchlebt die 79-Jährige Krisenzeiten. Kein Regen, keine Gäste. Dürre und Corona. Aber Lore wäre nicht Lore, wenn sie nicht auch etwas Schönes zu erzählen hätte.

„Jetzt ist es wirklich Winter bei uns geworden. Es ist kalt draußen und es stürmt. Wir sitzen drinnen in unserem Haus am Tisch und trinken heißen Kaffee, um uns aufzuwärmen. Ich habe schon auf deinen Anruf gewartet. Wie ist denn das Wetter in der Pfalz?“

Hannelore Neuffer, oder einfach Lore, hört sich an wie Lore. Ja wie auch sonst, werden Sie vielleicht denken. Aber nach fünf Jahren Pause ist es einfach schön, ihre Stimme zu hören. Im Januar 2015 hat unsere Serie „Lores Leben“ geendet. Ein Jahr lang hatten wir jeden Monat über Lore, ihren Partner Frans van Biljon und das Leben auf Rooiklip berichtet. Eine Farm, die an der C 26 liegt, 190 Kilometer von Windhoek entfernt. Einen Supermarkt in der Nähe gibt es nicht und wer essen will, muss auf die Jagd gehen – oder eben die Fahrt in die Landeshauptstadt auf sich nehmen. Doch Hannelore Neuffer kann sich das gar nicht mehr anders vorstellen. Am 12. Januar 2001 ist sie mit 60 Jahren nach Namibia ausgewandert. Sie lebt seit fast 20 Jahren auf der Farm am Fuße des Gamsbergs und von hier will sie auch nicht mehr weg. Trotz aller Krisen, die sie derzeit mit Frans zu bewältigen hat. Und dabei spielt Corona nicht einmal die Hauptrolle. Lore erzählt, was gerade los ist:

2019 waren es nur noch knapp 15 Liter Regen

„Ach was, bei euch wird es heute richtig warm? Verkehrte Welt also. Wir frieren und ihr habt afrikanische Temperaturen. Jetzt unterhalten sie sich übers Wetter, werden eure Leser denken. Aber tatsächlich beschäftigt uns das hier auf der Farm in besonderem Maß. Ich möchte heute ja erzählen, wie es uns gerade ergeht. Ohne Wetter und ohne Wehmut geht das nicht. Auch wenn ich lieber die fröhliche Lore von früher wäre. Aber wir erleben hier wirkliche Krisenzeiten. Nummer eins in der Welt ist natürlich Corona, doch für uns ist die schlimmere Krise die Trockenheit. Ich habe vorhin mal schnell addiert: 2018 sind bei uns gerade mal 93 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. 2019 waren es nur noch knapp 15 Liter. Das ist fast gar nichts. Rooiklip ist ausgetrocknet. Es wächst hier kein Grashalm mehr. Niederschlag ist frühestens wieder im November oder Dezember zu erwarten. Aber da es in Namibia immer sehr punktuell regnet, ist es nicht sicher, ob wir hier am Fuße des Gamsbergs etwas abkriegen. Dabei wäre es so wichtig – gerade für unsere Tiere.

Einen Großteil haben wir schon verkauft. Bevor die Tiere verhungern, ist es die bessere Lösung. Unsere Rinder sind weg samt Kälbchen. Frans hatte sie erst letztes Jahr gekauft, in der Hoffnung auf Regen und dass wieder Gras wächst. Unsere Bokkies sind weg, so nennt man hier die Ziegen. Einen Großteil der Schafe mussten wir hergeben. 35 haben wir noch und die bekommen wir kaum durch. Sie stehen gerade hinter dem Haus. Wenn es noch kälter wird, müssen wir sie ins Wohnzimmer bitten. Tatsächlich kann die Kälte hier für Tiere tödlich sein, vor drei oder vier Jahren sind uns 500 Schafe erfroren. Das Wetter spielt für uns Farm-Menschen also wirklich eine besondere Rolle.

Geld fehlt, um Futter zu bestellen

Zur Zeit also Trockenheit und absolute Dürre. Wir kommen mit der Futterbeschaffung kaum hinterher. Frans hatte Mitte 2018 in Walvis Bay an der Lagune angefangen, Schilf zu schneiden, bei uns dann gehäckselt, gemahlen und verfüttert. Doch im März wurde der District Walvis Bay wegen Corona geschlossen und aus war es mit dem Schilfschneiden. Da kam uns ein guter Freund zu Hilfe. Er bot uns an, bei ihm auf der Farm gelagerte gepresste Luzerne abzuholen. Weißt du was das ist? Es ist eine der trockenheitstolerantesten Futterpflanzen und lässt sich eben gut pressen und trocknen. Leider ist der Vorrat bald aufgebraucht. Und was machen wir dann? Uns fehlen einfach die finanziellen Mittel, eine Lkw-Ladung aus Südafrika zu ordern und zu bezahlen. Außer den Schafen haben wir auch noch vier Pferde und drei Esel zu versorgen. Tiere, an denen wir sehr hängen und die schon ihre persönlichen Schicksale hinter sich haben wie Eselin Nummer 7.

Ja, die Eseldame lebt noch. Sie ist die Frau und Beschützerin unseres zahmen Bergzebras Linus gewesen. Beides Findelkinder, die Frans bei seinen Fahrten verletzt aufgelesen hat. Linus ist leider gestorben. Nummer 7 hat mich morgens um 6 Uhr mit ihren Rufen geweckt. Aber wir konnten nichts mehr tun. Zwei Stunden später war Linus tot. Für uns alle war das sehr traurig. Aber am traurigsten war Nummer 7. Sie ist auf den Hügel hochgetrabt und hat gerufen. Tagein, tagaus. Wir haben dann versucht, die Pferde zu ihr zu stellen. Aber die haben Nummer 7 vom Futter vertrieben. Mit den Kühen ging es gut. Eine verträgliche Gesellschaft. Aber als wir sie verkaufen mussten, hat Nummer 7 wieder geweint, weil sie einsam war. Eines morgens stand erst ein wilder Esel und dann noch einer vor ihrem Gatter. Frans hat sie zu Nummer 7 gelassen. Sie verstehen sich prima. Eigentlich müssten wir unserer Eselin die neuen Freunde wieder wegnehmen und sie in die Wildnis entlassen. Wegen der Futterknappheit. Aber draußen finden die Esel auch nichts mehr und Frans und ich bringen es nicht übers Herz, sie zu vertreiben.

Corona ist das nächste Problem

Wildtiere wie Springböcke und Oryxantilopen sterben. Man kann sie nur bedingt füttern. Sie müssen frisches Gras selbst rupfen. So verlangt es ihre Natur. Und wir können nur hoffen, dass sich in der nächsten Regenzeit da oben ein paar schöne dicke Regenwolken bilden. Der ganze blaue Bilderbuchhimmel nutzt uns ja doch nichts, wenn damit keine Touristen angelockt werden können. Keiner darf ins Land und das wird sicher auch noch eine ganze Weile so bleiben.

Man kann hier über die Regierung sagen, was man will, die Corona-Krise managt sie mit sehr klaren Regeln und bislang gibt es wenig Infizierte und noch keinen einzigen Todesfall. Wir haben hier verschiedene Pandemie-Stufen. Stufe 1 ist quasi der totale Lockdown. Da darf keiner irgendwohin. Bei Stufe 2 dürfen wir innerhalb unseres Districts reisen. Wir gehören zur Khomas-Region und können beispielsweise nach Windhoek fahren, um einzukaufen. Mit Mundschutz und sehr strengen Abstandsregeln, die an den Einkaufszentren überwacht werden. Bei Stufe 2 ist Alkohol verboten. Bei Stufe drei – und die haben wir gerade –, dürfen wir über die Grenzen der Districts reisen. Ausgenommen sind derzeit Swakopmund, Walvis Bay und Erongo. Dort gab es Neuinfizierungen. Und schwupp sind die Gebiete abgeriegelt. Da reicht ein Fall. Ich aber werde die neue Reisefreiheit nutzen und mit einer Freundin einen Kurztrip in die Etoshapfanne machen. Die Gegend kennst du. Das ist weiter im Norden, wo der Nationalpark ist. Auf diese kleine Auszeit freue ich mich schon sehr.

Seit März keine Gäste mehr

Etosha ist eines der beliebtesten Touristenziele. Genauso wie die Dünen im Sossusvlei. Dass dort jetzt kaum eine Menschenseele ist, das kann ich mir gar nicht vorstellen. All die Farmen und Lodges, die auf Tourismus ausgelegt sind, verdienen nichts mehr. Frans und ich haben seit Ende März keine Gäste. Ich habe mich zwar offiziell aus Altersgründen vom Gästebetrieb verabschiedet. Unsere Firma Rooiklip Chameleon Adventure Tours CC haben wir zum 29. Februar geschlossen. Aber Frans betreibt das Felsencamp mit den drei Stellplätzen und das Selbstversorger-Camp Flintstone privat unter seinem Namen weiter. Und die Gäste bringen uns Geld, das wir gut in die Tiere investieren können. Also normalerweise. Jetzt ist diese Quelle versiegt. Wir sitzen also im doppelten Sinne auf dem Trockenen.

Und wir hocken alleine da. Alle unsere Arbeiter sind davongelaufen. Ausgerechnet jetzt bin ich oft Stunden an den Schreibtisch gefesselt. Man kann sich nicht vorstellen, was für einen Rattenschwanz an Papierkram eine Firmenaufgabe und Umstellung mit sich zieht. Nicht nur Deutschland hat Bürokratie. Na, jedenfalls wäre meine Arbeitskraft auch draußen bei den Tieren gefragt.

Unsere Arbeiter sind mit dem Lockdown zu ihren Familien gefahren, ohne zu verstehen, dass sie dann wegen der Kontaktbeschränkungen nicht mehr zurück auf die Farm dürfen. Trockenheit, Corona und keine Helfer. Das ist schon ein bisschen viel auf einmal. Deshalb bin ich manchmal traurig. Einerseits.

„Ich möchte hier bleiben“

Andererseits möchte ich nirgendwo anders auf der Welt sein. Ich habe die Farm gekauft, um hier den Rest meines Lebens zu verbringen. Frans geht es genauso. Den kann ich ohnehin nicht in eine Wohnung stecken. Frans, der immer nur barfuß läuft, der geht mir in der Stadt ein. Schuhe, das geht nur kurzfristig. Wie bei unserer Reise in die Schweizer Berge. Das war 2015. Kurz nach unserem letzten Telefonat. Da ging es in Zermatt mit der Bergbahn zum Gletscher hinauf. So eine Eiseskälte halten auch gegerbte Fußsohlen, wie Frans sie hat, nicht ohne Stiefel aus (lacht).

Also gut, wir müssen also mit aller positiven Kraft nach vorne denken. Und Ideen spinnen. Eine Idee, die mir im Kopf herumgeht: Vielleicht gibt es ein paar Pfälzer, die Lust haben, eine Tierpatenschaft zu übernehmen. Für eines der Schafe, für einen Esel oder ein Pferd? Ich habe gerechnet: Ein Esel kostet etwa fünf Euro am Tag, ein Pferd acht und ein Schaf einen Euro. Nur damit Laien mal eine Vorstellung von der finanziellen Seite der Tierhaltung bekommen. Frans und ich würden uns ganz arg über Unterstützung freuen – bis zum ersten Regen! Und über Besuch! Sobald das Reisen eben wieder möglich ist. Dann könnten Tierpaten ihre Schützlinge live sehen, uns kennenlernen und das Leben auf der Farm. Und ich, ich könnte mal wieder richtig Pälzisch babbeln (lacht). Bis es soweit ist, haben wir ja zum Glück das Telefon und ich berichte weiter darüber, wie es uns und unseren lieben Tiere geht.“

Zur Sache: Tierpaten auf Rooiklip gesucht

35 Schafe, vier Pferde und drei Esel freuen sich auf Paten aus der Pfalz. Wer Hannelore Neuffer und Frans van Biljon helfen möchte, die Tiere durch die dürren Zeiten zu bekommen, kann Spenden auf das unten aufgeführte Konto überweisen – „aber auch gerne mit uns per E-Mail Kontakt aufnehmen und uns schreiben, welchem Tier man gerne helfen möchte“, sagt Lore. „Dann kann ich ein bisschen etwas über das Tier zurückschreiben, vielleicht auch ein Foto mailen, damit die Paten ein Bild von ihrem Schützling haben. Ja, das finde ich eine nette Idee.“ Die Lokalredaktion Ludwigshafen wird wieder über die Spendenaktion berichten – und auch selbst spenden. Unser Team sammelt für Eselin Nummer 7 und ihre Freunde, die sich aber bestimmt noch über mehr Paten freuen – genauso wie 35 Schafe und vier Pferde.

Für die Patenschaft-Aktion gibt es eine Website die so zu finden ist: www.patenschaft.camp-rooiklip.com. Dort kann man auch über PayPal spenden. Frans und Lore sind zudem unter der Website www.camp-rooiklip.com zu finden. Das Spendenkonto bei der Sparkasse Vorderpfalz läuft auf den Namen: Rooiklip Gästefarm, H.Neuffer & F.van Biljon, die Kontonummer lautet 972 000, IBAN: DE94 54550010 0000 9720 00/ BIC: LUHSDE6AXXX.

Lore und Frans mit Nummer 7.
Lore und Frans mit Nummer 7.
Frühstück am Felsencamp mit Aussicht. Ein schöner Platz für Selbstversorger. Frans und Lore hoffen, dass er bald wieder genutzt
Frühstück am Felsencamp mit Aussicht. Ein schöner Platz für Selbstversorger. Frans und Lore hoffen, dass er bald wieder genutzt werden kann.
Prinz und Frans.
Prinz und Frans.
Die verbliebenen Schafe auf Rooiklip. Auch sie suchen Paten.
Die verbliebenen Schafe auf Rooiklip. Auch sie suchen Paten.
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