Neustadt Marktplatz als Plattform der Kulturen

Zum 22. Mal hat der Verein „Neustadt gegen Fremdenhass“ gestern ein sechsstündiges Musikprogramm auf die Beine gestellt und gleichzeitig für das Miteinander der Kulturen geworben.

Es wird viel gelacht, getanzt und gut gegessen, wenn „Neustadt gegen Fremdenhass“ zum Fest „Viele Kulturen – eine Stadt“ einlädt. Obwohl – oder vielleicht auch weil – der Grund für dieses Fest ein ernster ist. Im Zentrum des Festes standen in diesem Jahr die Flüchtlinge. Leute wie der Biologie-Lehrer Teferi Mehari Mhretab aus Eritrea, der vor ein paar Wochen in einem nicht ganz dichten Holzboot von Libyen aus nach Italien aufbrach, um der Militärdiktatur in seiner Heimat zu entkommen. Für ihn war das Fest wichtig, um Kontakte zu bekommen – zu anderen Eritreern, aber auch zu Deutschen. „Deutsch lernen wäre für uns sehr wichtig, aber wir haben zu wenig Kontakt“, sagt er. Ein Problem, das der Haardter Verein „Nachbarschaftsladen“ nur zu gut kennt. Eines seiner Projekte ist der Deutschunterricht für Flüchtlinge, wie Vereinsmitglied Annerose Mark in einem Interview zwischen zwei Musikdarbietungen auf der Bühne erklärte. Pfarrer Stefan Werdelis moderierte das Gespräch, er gehört zum „harten Kern“ der Gruppe, die „Viele Kulturen – eine Stadt“ seit über 20 Jahren organisiert. Fast genauso lange mit dabei ist auch Tom Weber, seit etwa fünf Jahren Vereinsvorsitzender. Damals, als der Verein gegründet wurde, waren es die rassistisch motivierten Ausschreitungen in Hoyerswerda und anderswo, die den Freundeskreis um Weber motivierten, in Neustadt ein Zeichen gegen Fremdenhass zu setzen. Heute, so Weber, sei die Sorge groß, dass die Kommunen mit der Aufnahme der Flüchtlinge überfordert seien. Bei dem Thema Unterbringung müsse auch über die Betreuung geredet werden, nicht nur über Gebäude, sagt Weber. „Sonst landen wir da, wo wir 1992 waren.“ Die Botschaft des Vereins kam – zumindest bei einigen – an. „Wir sind mit der Resonanz zufrieden“, sagte Iris Schlichthärle, Vorsitzende des Arbeitskreises Asyl. Es seien immer wieder Besucher zu ihnen an den Stand gekommen und hätten sich über die Arbeit des Arbeitskreises informiert. Nach dem Interview mit Annerose Mark habe sich sogar spontan ein junger Mann gemeldet und seine Hilfe angeboten, erzählte Jack Catarata, Mitglied des Migrationsbeirats und sozialpädagogischer Betreuer in der Haardter Asylunterkunft. Andere kommen, weil sie das Engagement der Neustadter Gruppe schätzen und unterstützen wollen. Ein älteres Ehepaar aus Hockenheim besucht aus diesem Grund regelmäßig das Fest der Kulturen. Der Mann war beruflich mehrfach in Afrika und findet durchaus nicht alles gut, was er dort gesehen hat. Aber dennoch: „Was die Neustadter da auf die Beine stellen, ist toll.“ Rund hundert Helfer unterstützen das Fest, die Organisation liegt in der Hand einer etwa zwölfköpfigen Gruppe. Finanziert wird es über Spenden und die Einnahmen von Kaffee und Kuchen. „Wenn richtig schlechtes Wetter wäre und niemand käme, hätten wir ein Problem“, sagt Weber. In den vergangenen Jahren war das nicht der Fall, gestern schon gar nicht. Sonnenschein den ganzen Tag. Ein Glück für Teferi Mehari Mhretab. Er war nämlich mit dem Fahrrad unterwegs – sein erster Ausflug auf zwei Rädern. Ein kleines Abenteuer – aber nichts im Vergleich zu einer dreitägigen Fahrt übers Mittelmeer mit einem undichten Holzboot.

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