Neustadt Heimaturlaub ist nicht in Sicht

Berlin. Moritz Oeler ist seit 2006 Wahl-Berliner. Aber in Bezug auf seine pfälzische Heimat gilt seitdem zwar meist „Aus den Augen“, aber keineswegs die Volksmund-Folgerung „aus dem Sinn“. Der 28-Jährige, der beim SC Neustadt seine ersten wasserballerischen Schritte getan hat, dann zum SV Cannstatt und schließlich zu Rekordmeister Spandau 04 in die Hauptstadt gewechselt ist, gilt als aktuell bester deutscher Wasserballer. 2006 wurde er mit Cannstatt Champion, danach folgten sechs Meisterschaften und fünf Pokalsiege mit den Berlinern.

Anschließend probierte er sich 2013 eine Saison im Mutterland des Sports in Ungarn bei Vasas Budapest, stellte fest, dass dort auch nicht Milch und Honig fließen und kehrte zurück nach Spandau. Im Jahr ohne Oeler hatte der hiesige Primus sowohl Meisterschaft als auch Pokal an den ASC Duisburg verloren. Nun – wieder mit ihm und seiner tatkräftigen Hilfe – holte man sich 2014 beides zurück. Zudem waren zehn Partien gegen international hochkarätige Gegner in der Champions-League-Hauptrunde zu absolvieren, in der Spandau als Gruppenvierter jedoch den für den Einzug ins „Final Six“, Finale der besten Sechs, nötigen dritten Rang verfehlte. Garniert wurde das extensive Programm mit Auswahleinsätzen in der Weltliga – doch das ist noch lange nicht das Ende vom Lied. Zumindest dann nicht, wenn man Kapitän der Auswahl ist. Wie Moritz Oeler seit einem Jahr. Am 14. Juli steht die EM in Budapest auf der Agenda, davor die intensive Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt. Zuletzt bestritt das Team von Bundestrainer Nebojsa Novoselac ein Trainingscamp in Hamburg, danach reiste man für ein weiteres nach Montenegro. Nun findet ein Turnier in Bukarest statt. Eine Woche vor dem EM-Start steht der Deutschland-Cup in Düsseldorf mit Ungarn, Montenegro und den USA an (4. bis 6. Juli). „Das wird hart. Es gilt dabei, die richtige Balance zu finden, damit sich bei der EM zu athletischer Konkurrenzfähigkeit auch geistige Frische gesellt“, sagt Oeler. Die EM-Vorrundengruppe in Budapest hat es in sich. Mit Serbien, Ungarn, Kroatien, Spanien und Frankreich gibt es keinen leichten Gegner. Mindestens Rang drei ist Voraussetzung für die K.o.-Runde. „Die Auslosung ist schwer, aber mein Motto ist: Nur wer aufgibt, hat bereits verloren. In einzelnen Spielen haben wir alle Großen bereits geschlagen. Wichtig ist, Top-Leistungen nicht nur einmal zu bringen“, sagt Oeler. Das habe er sich bereits in Neustadt zum Maßstab gemacht, bestätigt SCN-Akteur Matthias Held. Den Jugendfreund hat Moritz bei den Neustadter Playdown-Spielen in Berlin gegen den SC Wedding getroffen, als er sein altes Team angefeuert und sich mit ihm über den dort erreichten vorzeitigen SCN-Klassenverbleib gefreut hat. „Ich habe in Neustadt viel gelernt, danach natürlich noch viel mehr – und ohne das alles im Komplettpaket wäre ich nicht der, der ich heute bin“, betont er. Die Bindung nach Hause hat der Student der Druck- und Medientechnik nie verloren. Wie auch, die ganze Familie und Freunde sind in Neustadt zu Hause. „Zwar komme ich wegen der vielen Rundum-Verpflichtungen nicht mehr als zwei-, dreimal im Jahr dazu, gen Süden zu reisen, aber das wird dann umso intensiver.“ Sein erstes Länderspiel für Deutschland hat Oeler 2006 gegen den damaligen Weltmeister Serbien absolviert, dabei auf Anhieb drei Tore geschossen. Inzwischen nähert er sich 250 Einsätzen. Seine Zukunftspläne reichen zunächst bis Rio 2016 – vorausgesetzt, das deutsche Team qualifiziert sich. „Dann bin ich 30 und hoffentlich auf dem Leistungszenit. Bei meiner Olympia-Premiere 2008 in Peking waren wir Zehnter, das soll in Rio besser werden.“ Die Gefahr, dass er abhebt, besteht bei Moritz Oeler nicht. Er ist ein eher „stilles Wasser“, was aber seinem Anspruch, „immer besser und besser zu werden“, nicht im Wege steht. „Ich bin einer, der Emotion, Leidenschaft, Kampf und Einsatz eben vor allem im Becken auslebt.“ Oeler steht für vieles, was der Romancier und Journalist August Becker (1826 bis 1891) in seinem Werk „Die Pfalz und die Pfälzer“ als Charakteristika festgehalten hat. Beispiel gefällig? „Schon das flotte Äußere zeugt von Kraft, aber noch mehr von Gewandtheit und natürlichem Anstand und spricht die Erregbarkeit, die Rührigkeit und Geweckheit des Geistes aus.“ Mit diesem Steckbrief ist man auf der Spur: daran werdet ihr ihn erkennen, den Pfälzer Moritz Oeler in Berlin. (Foto: auw)

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