Neustadt Die Freien Wähler als begehrte Braut

Marc Weigel (links) und Pascal Bender.
Marc Weigel (links) und Pascal Bender.

Mit dem Oberbürgermeister-Wechsel von Hans Georg Löffler (CDU) zu Marc Weigel (FWG) zum 1. Januar kommt es erstmals seit der Einführung der Urwahlen in Rheinland-Pfalz 1994 zu der Konstellation, dass der Neustadter Oberbürgermeister keine Regierungsmehrheit im Stadtrat hinter sich weiß.

Marc Weigel muss sich also seine Mehrheiten selbst suchen, im Zweifel die Jamaika-Regierungskoalition von CDU, FDP und Grünen hinter sich bringen. In seinem Wahlkampf hatte der Vorsitzende der Freien Wähler darin kein Problem gesehen und auf das Beispiel von Landrätin Theresia Riedmaier (SPD) im Kreis Südliche Weinstraße verwiesen, die zwei Amtsperioden ohne Mehrheit erfolgreich bewältigte. Auf der anderen Seite hat der deutliche Triumph bei der Oberbürgermeisterwahl, bei der sich Weigel mit 58,1 Prozent der Stimmen gegen Ingo Röthlingshöfer von der CDU (21,9 Prozent) und Pascal Bender von der SPD (20 Prozent) durchsetzte, das Selbstvertrauen bei dem Wählerverein deutlich erhöht. Weigel macht keinen Hehl daraus, den Anspruch zu haben, nach der Kommunalwahl im Frühjahr 2019 eine Mehrheit hinter sich zu wissen. Wie er die zu schmieden gedenkt, ist eine der spannenden Fragen der kommenden Monate. Der Erfolg hat die Freien Wähler zu einer begehrten Braut gemacht, um die CDU und SPD verdeckt buhlen. Wobei die Zuneigung zwischen den „Freien“ und den Sozialdemokraten derzeit auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint. Marc Weigel und Pascal Bender waren im OB-Wahlkampf Konkurrenten, sind sich aber näher gekommen. Weigel, der gerne strategisch denkt, strebt zwei Amtsperioden an und glaubt nicht, dass die CDU 2025 darauf verzichten wird, einen eigenen OB-Kandidaten ins Rennen zu schicken. SPD-Partei-Chef Bender hat längst bereut, dass es 2014 nicht gelungen ist, die SPD wieder in die Regierung zu führen. Über eine große Koalition wurde damals unter anderem verhandelt. Dass es nicht dazu kam, führten viele Protagonisten vor allem auf das zu selbstbewusste Auftreten von Andreas Böhringer zurück, der als Vorsitzender des Ortsvereins Neustadt Mitglied der Verhandlungskommission war. Durch den OB-Wahlkampf, bei dem sich Bender gut verkaufte, ist sein innerparteilicher Rückhalt deutlich gestiegen. Hinzu kommt, dass auch Andreas Böhringer dazu gelernt hat, deutlich überlegter agiert und auch mit Marc Weigel ganz gut kann. Böhringers Einfluss steigt zum Jahreswechsel, weil er als Nachrücker für Roswitha Oswald-Mutschler in den Stadtrat einzieht. Auch Claus Schick, SPD-Ortsvorsteher von Lachen-Speyerdorf, gehört dem Vernehmen nach zu den Befürwortern einer Koalition mit der FWG. Diese Entwicklung kann der CDU nicht gefallen. Sie hat derzeit aber noch viel zu sehr mit sich selbst zu tun und muss erst den Scherbenhaufen des Debakels bei der OB-Wahl zusammenkehren. Mit dem Parteivorsitzenden Marco Göring und seinem Stellvertreter Dirk Herber, Ortsvorsteher von Mußbach und Landtagsabgeordneter, drängt eine neue Generation in die erste Reihe. Beide sehen die Freien Wähler als den idealen Koalitionspartner an. Beide sind der Meinung, dass der langjährige Kreisvorsitzende Ingo Röthlingshöfer keine Rolle mehr spielen soll. Das sieht der enttäuschte Röthlingshöfer, der die breite Unterstützung seiner eigenen Partei im Wahlkampf vermisste, auch nicht anders. Röthlingshöfer wird sich bei Parteiveranstaltungen künftig rar machen. Der Bürgermeister ist noch bis 2020 gewählt, wird diese Amtsperiode sicherlich zu Ende bringen – um dann mit 58 Jahren und nach 27 Jahren im Stadtvorstand, davon drei Jahre als ehrenamtlicher Beigeordneter, sich ein neues Betätigungsfeld zu suchen. Sollte die CDU bis dahin nicht mehr einer Regierungskoalition angehören, besteht sogar die Gefahr, dass die Partei erstmals in ihrer Nachkriegsgeschichte nicht mehr im Stadtvorstand vertreten wäre. Auch die Nachwehen der Landtagswahl 2015 sind bei der CDU noch nicht verarbeitet. Dirk Herber gewann damals als Nachfolger von Brigitte Hayn das Direktmandat mit 32,6 Prozent der Stimmen gegen die SPD-Kandidatin Giorgina Kazungu-Haß (31,5 Prozent). Zuvor hatte er sich in einem parteiinternen Vierkampf um die Kandidatur gegen Ernst Ohmer, Alexander Graf und Claudia Albrecht durchgesetzt. Vor allem die Gimmeldinger Ortsvorsteherin Albrecht soll darüber sehr enttäuscht gewesen sein, weil sie sich von Röthlingshöfer mehr Unterstützung für eine Nominierung erwartet habe. Mehr Unterstützung wünschte sich Röthlingshöfer offensichtlich aber auch dann von Albrecht bei seinem OB-Wahlkampf. Was der CDU im Hinblick auf die Zukunft Hoffnung macht, ist die aktive Junge Union unter der Führung von Hans-Christoph Stolleis aus Gimmeldingen. Im Gegensatz dazu sind die Jungsozialisten nicht präsent. Da sind selbst kleinere Parteien besser aufgestellt. Für die Julis der FDP engagieren sich Benjamin Brandstetter und Dorothee Frey, die Grüne Jugend ist mit Jonas-Luca König sogar im Stadtrat vertreten.

Marco Göring und Ingo Röthlingshöfer.
Marco Göring und Ingo Röthlingshöfer.
Andreas Böhringer rückt in den Stadtrat nach.
Andreas Böhringer rückt in den Stadtrat nach.
x