Neustadt Über Umwege ans Ziel
«Hassloch/Leipzig.» Komponist – das ist, zumal im Klassik-Bereich, eine wirklich ehrfurchteinflößende Berufsbezeichnung. Der in Haßloch aufgewachsene Hannes Pohlit hat sich davon aber nicht abschrecken lassen, diese schwierige Laufbahn zu wählen, und kann nun mit 41 schon auf beachtliche Erfolge verweisen. Seine Werke erscheinen im traditionsreichen „Friedrich Hofmeister Musikverlag“ in Leipzig, und seit Oktober hat er einen Lehrauftrag am wohl wichtigsten Dirigierinstitut Deutschlands an der Musikhochschule Weimar.
An seine allerersten Kompositionen aus Teenager-Zeiten kann sich Hannes Pohlit noch genau erinnern: Klavierstücke „in ziemlich romantischem Stil“ seien das gewesen, berichtet er, entstanden so um das Jahr 1990 herum. Damals war Pohlit 14 und Schüler am Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium in Neustadt. „Es hat mich fasziniert, wie man Musik aus dem Nichts schaffen kann“, sagt er. Die riesige Plattensammlung der Eltern, die beide als engagierte Laienmusiker in der Region tätig waren und sind, habe da einen wichtigen Impuls gegeben. Die wichtigste musikalische Bezugsperson war für ihn und seinen ebenfalls kompositorisch tätigen Zwillingsbruder Stefan aber der damals im Hambach lebende Komponist Robert Wittinger. „Er kam immer mit seinem Volvo zu uns nach Haßloch gefahren“, erinnert sich Pohlit schmunzelnd. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Schon 1993 gewann der junge Haßlocher mit einer Sinfonie den Förderpreis des Deutschen Komponistenverbandes – nachdem er zunächst disqualifiziert worden war, weil die Jury einem Jugendlichen ein so komplexes Werk nicht zutraute. Ebenfalls noch während seiner Schulzeit wurde er Jungstudent in der Kompositionsklasse von Hans Zender an der Frankfurter Musikhochschule. In dieser Zeit entstanden auch schon erste Auftragswerke für das Künstlerhaus Edenkoben und auf Anregung Ulrich Loschkys die Kantate „Was ist die Welt“ für die Neustadter Stiftskantorei. Nach so einer Vorgeschichte, scheint es im Grunde klar, dass Hannes Pohlit nach dem Abitur 1996 mit Musikleistungskurs bei Werner Dech sofort mit einem Kompositionsstudium begann. Doch das Studium in München brachte für den jungen Musiker erst einmal einen großen Bruch mit sich. Er habe sich an der Hochschule in der bayerischen Hauptstadt nicht wohlgefühlt und eine „Schreibblockade“ entwickelt, berichtet er. Dazu mag auch das Berufsbild beigetragen haben, das ihm damals in München vermittelt wurde. Er halte nichts von „der großen Hymne an die Form“, umschreibt Pohlit das Problem eher indirekt und lässt später noch irgendwann einfließen, dass er nicht verstehen könne, wie man Komponist werden wolle, ohne das Handwerk zu beherrschen. So wechselte er 1998 nach Leipzig, studierte Dirigieren und schloss noch ein Aufbaustudium in Weimar an – eine Kapellmeisterlaufbahn fest im Blick, die sich auch zu realisieren schien, als er nach dem Konzertexamen 2003 am Theater in Erfurt als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung engagiert wurde. Auch als Pianist und Kammermusiker war Pohlit in dieser Zeit sehr aktiv: 2005 gründete er das „Ensemble Leipzig 21“, das sich durch eine eigene Konzertreihe im Leipziger Musikinstrumentenmuseum großes Renommee erspielte. Seine allerersten Erfahrungen am Dirigentenpult hatte Pohlit übrigens ebenfalls schon während der Schulzeit in Neustadt gesammelt: mit dem KRG-Schulorchester auf Initiative von Jörg Sebastian Schmidt hin. Komponiert habe er in dem Jahrzehnt zwischen 1996 und 2006 dagegen gar nicht, so Pohlit. Doch letztlich führte der Umweg doch zum Ziel: „Nach zehn Jahren in der Praxis wusste ich mit einem Mal, was ich komponieren will“, erzählt der 41-Jährige rückblickend. So stellte er gleichsam alles auf Anfang, begann 2007 in Leipzig ein weiteres Studium mit den Fächern Musiktheorie und Komposition, schloss beide Studiengänge 2010 mit Auszeichnung ab und wurde umgehend selbst Dozent. Parallel dazu entstanden ab 2007 zahlreiche Werke für Orchester, diverse Kammermusikbesetzungen und Klavier, darunter als bisheriger Höhepunkt vielleicht die Sinfonietta „Il Vento“, die er 2014 als „Composer in Residence“ beim von Hans Werner Henze begründeten Festival in Montepulciano uraufführte. Ein „Sextett für Streicher“, das Cellokonzert „Contemplations“ (2011) und die Orchesterparaphrase „La Chapelle de François Liszt“ zum Liszt-Jahr 2011 waren weitere markante Werke. Seine Klavierparaphrasen über Melodien des Tango-Komponisten Carlos Gardel im Stil von Franz Liszt (2012/13) stellte Pohlit 2013 selbst bei einem seiner seltenen Gastspiele in der alten Heimat Haßloch vor. 2015 folgte eine Schauspielmusik zu Goethes „Faust“ für das Thüringer Landestheater Rudolstadt. Und gerade abgeschlossen ist „Humanité“, ein Konzert für Violine und Orgel, das im März als Auftragswerk des Internationalen Kirchenmusik-Festivals Oslo in Norwegen uraufgeführt werden soll. Seinen Kompositionsstil bezeichnet Pohlit dabei selbst als den eines „modernen Impressionisten“ – die typischen Klangexperimente der Neuen Musik interessieren ihn nicht. Er habe es nicht so sehr mit der Mathematik, sondern setze lieber auf Sinnlichkeit, erklärt er: „Stimmungen sind für mich sehr wichtig“, Bilder im Kopf und die Frage: Wie könnte das in Noten aussehen? Dabei lege er großen Werk auf differenzierten Klang und virtuosen Anspruch. Das Verhältnis zu seinem Bruder Stefan, der ebenfalls als Komponist tätig ist, sei gerade deshalb heute „total entspannt“, weil der eine vollkommen andere ästhetische Richtung verfolge, atonal und mit orientalischen Einflüssen. „Wir nehmen uns nichts weg“, bekräftigt Pohlit. In der Jugend sei das allerdings etwas anders gewesen: „Es ist schon schwierig, wenn man die Konkurrenz im eigenen Haus hat.“ Für die Zukunft hat sich Hannes Pohlit unter anderem eine Oper als großes Ziel vorgenommen. Auch mehr Auftritte in der heimischen Pfalz fände er nicht schlecht, denn auch wenn er inzwischen seit 20 Jahren in Leipzig lebe und dort ein musikalisches Netzwerk aufgebaut habe, sei er für die alteingesessenen Sachsen doch immer noch „ein Wessi“. Die Besuche bei den Eltern in Haßloch und Maikammer sind für ihn dann auch immer ein Anlass, über die seltsamen Wendungen nachzudenken, die das Leben nimmt, denn bis es mit dem ersten Klavierunterricht an der Haßlocher Musikschule klappte, habe er erst zwei vergebliche Anläufe mit der musikalischen Früherziehung über sich ergehen lassen müssen, erinnert er sich mit einem Lächeln.