Neustadt Neustadt: Träger befürchten Nachteile durch neues Kita-Gesetz

Die Qualität nicht nur zu sichern, sondern weiter auszubauen ist der Wunsch vieler Kitas im Land.
Die Qualität nicht nur zu sichern, sondern weiter auszubauen ist der Wunsch vieler Kitas im Land.

In Rheinland-Pfalz regt sich breiter Widerstand gegen eine Neuauflage des Kindertagesstättengesetzes. Auch in Neustadt schließen sich Kommune und freie Träger dem Protest an. Größte Sorge: Das Kostenrisiko werde nach unten verlagert, Standards würden sich verschlechtern. Leidtragende wären die Kinder.

In der katholischen Kindertagesstätte St. Bernhard in Branchweiler wartet an diesem Abend alles auf die Kinder vom nächsten Tag. Es gibt Spielecken, kleinere Räume und größere für die Gruppen, eine Küche, in der eine überschaubare Anzahl an Mittagessen gekocht werden kann. „Unsere Sanierung wurde vor einem Jahr abgeschlossen“, freut sich Dekan Michael Janson als leitender Pfarrer der Pfarrei Heilige Theresia von Avila, dem Träger der Kita. Indes erfahren die erwachsenen Gäste an diesem Abend auch, dass sich einiges zum Schlechteren wenden könnte – sollte das neue Kindertagesstättengesetz Rheinland-Pfalz so verabschiedet werden, wie vom Bildungsministerium geplant. Wie wahrscheinlich das ist, will keiner prognostizieren – obwohl der Widerstand groß ist und von allen Seiten kommt. Der Caritasverband für die Diözese Speyer hat deshalb mobil gemacht. Bistumsweit lädt er Landtagsabgeordnete, mal von dieser, mal von jener politischen Couleur, zu Veranstaltungen ein. Im Gespräch mit Menschen aus der Praxis soll ihnen vermittelt werden, was das neue Kita-Gesetz bedeuten würde. An diesem Abend ist es Dirk Herber (CDU), der mit Caritas-Vertreterinnen, den Pfarrern Michael Janson und Michael Paul für die Kita-Träger sowie Leiterinen und Erzieherinnen aus katholischen Neustadter Kitas spricht. Der Tenor: Das Gesetz würde die Kita-Qualität verschlechtern. Charlotte Oswald von der Kita St. Remigius in Diedesfeld bringt auf den Punkt, wie das Ministerium hätte vorgehen sollen: Schauen, was die Kinder brauchen, und dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Stattdessen sei man offenbar umgekehrt verfahren und nehme sogar Verschlechterungen gegenüber dem Status quo in Kauf.

Bald Mittagessen wie in Großkantine?

Die Kritik an dem vor den Sommerferien von Mainz verschickten Entwurf eint Kommunen, Kirchen, Sozialverbände und Gewerkschaften. Zwar ist man sich nicht über alles einig, im Großen und Ganzen aber ist die Front geschlossen. Um zurück aufs Mittagessen zu kommen: Künftig soll ein Rechtsanspruch auf eine Betreuung von sieben Stunden am Stück plus Mittagessen bestehen. Sehr gut, sagen alle Praktiker. Aber ohne mehr Personal und mehr Räume nicht zu bekommen. Beispiel St. Bernhard: Die Küche ist ausgerichtet auf 44 Kinder, die aktuell von einer Hauswirtschafterin bekocht werden. Sie essen in kleinen Gruppen mit je einer Erzieherin, was eine familiäre Atmosphäre schafft. Sollten es künftig weit mehr sein, reicht die Küche nicht, müssen Spielecken und Gruppenräume freigeräumt werden, kommt möglicherweise eine Erzieherin auf 22 Essenskinder. Das könne niemand wirklich wollen, sind sich die Praktiker in Neustadt einig. Die kommunalen Spitzenverbände als Stimme der Kommunen fordern daher beispielsweise nicht nur mehr Personal, sondern sagen auch, dass die sieben Stunden plus Mittagessen nach einem „Landesinvestitionsprogramm“ rufen, um den Raumbedarf zu decken.

Mit Geburtstag sofort Rechtsanspruch

Kritik, die ebenso leicht nachzuvollziehen ist: In Rheinland-Pfalz hat jedes Kind ab zwei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz (Tagesbetreuung). Indes gibt es bei der Kita im Gegensatz zum Schuljahr kein festes Eintrittsdatum, was eine exakte Berechnung des Personalbedarfs unmöglich macht. Daher können Kindertagesstätten beziehungsweise deren Träger (Kommune, Kirche und andere) derzeit zwölf Prozent mehr Personal beschäftigen, als es die Anzahl an tatsächlich belegten Plätzen erfordert, um bei Bedarf reagieren zu können. Festgehalten ist auch das im Kita-Bedarfsplan der Jugendämter. Künftig sollen es aber nur noch acht Prozent sein, was von allen Praktikern als zu gering eingestuft wird. Damit verbunden sei ein finanzielles Risiko für die Träger, zudem sei es arbeitsrechtlich nicht zumutbar: Um derart flexibel zu sein, müssten kurzzeitige Verträge geschlossen werden - was nicht sozial sei und angesichts des Fachkräftemangels ohnehin kaum umsetzbar. Was die Kita-Leitungen enttäuscht: Dass sie ganz freigestellt werden, sieht das neue Gesetz erst ab Einrichtungen mit 150 Kindern vor, auch das eine Verschlechterung gegenüber der aktuellen Lage. „Jede zusätzliche Zeit, die wir als Leitung haben, dient dem Kindeswohl“, sagt Michaela Nenninger von der Kita St. Josef in Geinsheim. Dirk Herber, der im Landtag der CDU-Opposition angehört, die den Gesetzentwurf bereits kritisiert hat, schlägt vor, auch die Eltern ins Boot zu holen. Deren Interessen, so sagen Erzieherinnen und Caritas, seien zum Teil anders gelagert. Das habe auch die Postkartenaktion „Das Kita-Gesetz geht uns alle an ...“ der Freien Wohlfahrtsverbände gezeigt. Nicht Qualitätsmerkmale hätten dabei von Seiten der Eltern den größten Zuspruch erfahren, sondern der Wunsch nach Ganztagsbetreuung, flexibleren Öffnungszeiten und verlässlichem Personal. „Wie die Einrichtungen dabei sicherstellen, dass auch die Betreuung gut ist, interessiert viele Eltern weniger“, so Barbara Aßmann von der Caritas, was die Erzieherinnen bestätigen können. Schwierig werden könnte es darüber hinaus für die Caritas-Spiel- und Lernstube für benachteiligte Kinder in der Kurt-Schumacher-Straße in Branchweiler. Das macht der Leiter des Caritas-Zentrums Neustadt, Johannes Keuck, deutlich: Im Entwurf des Kita-Gesetzes sind keine Spiel- und Lernstuben mehr vorgesehen. Würden sie in Horte umgewandelt, müssten die Eltern dafür bezahlen, kritisieren auch die Kommunen. 

Erzieherinnen informieren in St. Bernhard, rechts Pfarrer Michael Janson und der CDU-Landtagsabgeordnete Dirk Herber.
Erzieherinnen informieren in St. Bernhard, rechts Pfarrer Michael Janson und der CDU-Landtagsabgeordnete Dirk Herber.
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