Handball Was zum Abstieg der Eulen Ludwigshafen geführt hat

Die Eulen-Gang: Sie ist für ihren Zusammenhalt in der Bundesliga bekannt.
Die Eulen-Gang: Sie ist für ihren Zusammenhalt in der Bundesliga bekannt.

Die Eulen Ludwigshafen spielen ihre beste Saison in der Bundesliga. 25 Punkte holt die Mannschaft von Trainer Ben Matschke. Doch das reicht nicht. Nach vier Jahren in Folge im Oberhaus steigen die Eulen ab. Nur weiß keiner so recht, woran das lag. Die Corona-Pandemie belastete alle Vereine. Doch die Eulen mussten noch mit anderen Widrigkeiten kämpfen.

Wie oft wurden die Eulen Ludwigshafen müde belächelt von den anderen Vereinen in der Handball-Bundesliga. 2010 stieg der Verein erstmals in die Bundesliga auf. Ein Jahr später ging es wieder runter. 2014 folgte der zweite Aufstieg. 2015 ging es abermals runter. Das war normal. Die Aufsteiger haben es in der Regel schwer, sich in der Beletage des deutschen Handballs zu halten. Ludwigshafen fiel in die Kategorie der Fahrstuhlmannschaft.

Doch zwei Jahre später durchbrachen die Eulen das Muster. Der Knopf nach unten im Fahrstuhl blieb unangetastet. Der Fahrstuhl rauschte nicht in den Keller. Die Eulen schafften erstmals direkt nach dem Aufstieg den Ligaverbleib. Sie schafften den Klassenverbleib ein zweites Mal, ein drittes Mal. Das war sensationell. Denn Ludwigshafen ist ein Klub, der sich keine finanziellen Sprünge erlauben kann, der keine Halle hat, die wirtschaftliches Wachstum ermöglicht und schon gar nicht Großsponsoren überzeugt, in den Klub zu investieren. Die Eulen waren 2017 auch kein Verein, der vom Umfeld her bundesliga-tauglich aufgestellt war. „Als ich kam, waren die Gesellschafter zerstritten“, sagte Trainer Ben Matschke bei seiner Verabschiedung.

Matschke hatte großen Anteil daran, dass die Strukturen sich änderten, dass sich die Leute im Hintergrund zusammenrauften und ihre Eitelkeiten und Privatkriege hintanstellten. Matschke verfolgte Ziele. Ein Ziel war es, den Verein weiterzuentwickeln. Das geschah. Lisa Heßler wurde Geschäftsführerin – und bildete mit Matschke ein starkes Team. Beide schufteten unermüdlich für die Eulen, für einen Verein, der etwas anders ist – quasi der SC Freiburg der Handball-Bundesliga. Der Lohn für die Plackerei waren vier Jahre in Folge in der Handball-Bundesliga.

Zusätzliche Kosten

Doch diese Runde war eine außergewöhnliche. Wegen der Corona-Pandemie verzichteten Spieler und Angestellte auf Teile ihres Gehalts. Das war keine Selbstverständlichkeit. Heßler sprach vor der Saison von Existenzängsten. Die angespannte Lage verschärfte sich, weil die Stadt den Verein mitten in der Saison aus der Halle werfen wollte. Die Eberthalle sollte zum Impfzentrum werden. Die Nachricht schlug Wellen in Deutschland. Leipzig, Wetzlar und andere Klubs zeigten sich solidarisch und boten den Eulen „Asyl“ an. Heimspiele in Wetzlar oder Leipzig… So weit kam es dann doch nicht. Die städtischen Entscheidungsträger verwarfen ihren Plan. Als ob die Eulen nicht schon genug Sorgen hätten neben angekündigtem Hallenentzug und Corona kamen noch die fehlenden Zuschauereinnahmen hinzu. Mehrere Hunderttausend Euro fehlten den Eulen dadurch. Etwa 300.000 Euro gab es an Bundeshilfen. Das Geld war eine Sache, die fehlende Atmosphäre die andere. Die Eulen leben von der Stimmung in der Friedrich-Ebert-Halle. Der gewaltige Lärmpegel übte in der Vergangenheit Druck auf die Gegner aus. Die verloren dann schon einmal den Faden – und das Spiel.

Doch diese Saison fehlte der „achte“ Mann. „Ja, die Zuschauer haben uns gefehlt“, bedauerte Kapitän Gunnar Dietrich. Matschke ist sich sicher, dass die direkten Duelle gegen die Abstiegskonkurrenten Nordhorn-Lingen oder Essen zu Hause vor vollen Rängen gewonnen worden wären. Punkte, die am Ende fehlten… Es waren nicht nur die Punkte, die fehlten. Das Bande zwischen Mannschaft und Fans war gerissen. Denn nach den Spielen plaudern Spieler, Trainer und Fans in der Eberthalle miteinander. Diese zwischenmenschlichen Beziehungen konnten wegen des Zuschauerverbots nicht gepflegt werden.

So wurden in den deutschen Handballhallen die Spiele lange Zeit quasi anonym ausgetragen. Das war zuerst einmal gewöhnungsbedürftig. Viele Resultate waren überraschend – auch bei den Eulen. „Man kann es an keinem einzelnen Spiel festmachen“, sagt Dietrich zum Abstieg und betont: „Wir haben eine sehr gute Runde gespielt. Wir haben 25 Punkte geholt. Das hätte locker gereicht, wenn man die Jahre zuvor sieht.“

Doch diese Saison war nicht normal. Die Liga wurde auf 20 Mannschaften aufgestockt. Deshalb stiegen auch vier Teams ab. Jeder Klub hatte vier Partien mehr auszutragen. Die sportliche Belastung nahm zu. Allerdings nicht nur diese: Wegen der Pandemie mussten die Teams regelmäßig auf das Virus getestet werden. Das kostete die Klubs auch mehr Geld. Bei den Eulen kursiert ein Betrag von 60.000 Euro. Viele Spiele wurden außerdem abgesagt, neu terminiert. Coaches mussten die Trainingssteuerung anpassen.

Mit all dem kamen die Eulen klar. Sie hatten wenige Spieler, die in Quarantäne mussten. Sie hatten lange Zeit auch keine Verletzungsseuche. Teammanager Philipp Grimm sprang kurzzeitig ein, Daniel Wernig wurde als Rechtsaußen ausgeliehen. „Es haben Kleinigkeiten gefehlt, dass wir es nicht geschafft haben. Wir haben viel Zeit und Intensität investiert. Wir können uns nichts vorwerfen“, analysiert Dietrich, gibt aber auch zu: „Ja, es tut weh, wir haben uns an die Erste Liga gewöhnt. Wir haben uns einen Namen in Deutschland gemacht.“

Absteiger der Herzen

Das zeigen die vielen Reaktionen, die der Verein, die Spieler, der Trainer nach dem Abstieg bekommen haben. Die Eulen Ludwigshafen haben die Bundesliga bereichert. Sie verabschieden sich erhobenen Hauptes. Sie sind sozusagen ein Absteiger der Herzen. Warme Worte sowie Trost aber lindern den Schmerz, die Enttäuschung nur etwas. Der Schmerz wird Anfang September für einen Moment zurückkehren, wenn die Bundesliga-Saison beginnt – und die Eulen nur zuschauen dürfen.

Die Frage nach dem Warum wurde häufig gestellt. „Was hätte ich anders, besser machen können?“, sagte Heßler nach dem letzten Saisonspiel. Sie staune, wie sich die Mannschaft unter Matschke sportlich weiterentwickelt habe. „Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn ein Team weiß, dass der Trainer nach der Saison geht“, anerkannte Heßler.

Sportlich haben es die Eulen nicht geschafft. Aber sie haben die Pandemie bislang wirtschaftlich gemeistert. „Die Eulen-Familie hat weiter Bestand“, betont Heßler erleichtert und betonte:„ Wir kommen wieder.“ Daran arbeitet die Geschäftsführerin. Dem Vernehmen nach soll Stefan Salger von der MT Melsungen wieder zu den Eulen Ludwigshafen zurückkehren. Gunnar Dietrich wird die Tage mit Heßler über seine Zukunft sprechen – Tendenz: positiv. Das stimmt hoffnungsvoll. Hoffnungsvoll, dass die Eulen tatsächlich den direkten Wiederaufstieg packen. Dann beginnt wieder alles von vorne.

Kommentar

Schonungslos

Die Eulen Ludwigshafen sprechen von einer starken Saison. Das ist richtig. Doch schönreden darf man die Runde auch nicht.

Vor jeder Saison in der Handball-Bundesliga wurden die Eulen Ludwigshafen regelmäßig zu den Absteigern gezählt. Dreimal – davon zweimal sportlich und einmal wegen Corona – ließ die Mannschaft die Experten verstummen. Dreimal schafften die Eulen den Klassenverbleib. Nun aber hat es den Verein erwischt. Nach vier Jahren in Folge in der Bundesliga steigt Ludwigshafen ab. Ironie des Schicksals: Die Eulen spielen die beste Saison im Handball-Oberhaus, holen 25 Punkte und müssen trotzdem runter in die Zweite Liga. Es ist legitim und richtig, wenn Geschäftsführerin Lisa Heßler sagt, dass sie es nicht zulassen werde, sich diese Saison schlechtreden zu lassen. Im Umkehrschluss darf die Runde aber auch nicht schöngeredet werden. Auch wenn sich das Team zweifellos weiterentwickelt hat, steht am Ende der Abstieg. Die Fehler, die dazu führten, sollten schonungslos analysiert werden. Eine Schwachstelle war der Angriff. Die Eulen hatten die schlechteste Offensive der Liga, allerdings auch eine der besten Defensiven – nämlich die fünftbeste Abwehr der Bundesliga.

„Wir kommen wieder“, versprach Heßler. Die Rückkehr wird kein Spaziergang. Denn in der Zweiten Liga werden die Eulen die Gejagten sein. Vieles wird davon abhängen, wie der neue Trainer Ceven Klatt die Mannschaft erreicht und wie der neue Kader aussehen wird. Denn Veränderungen wird und muss es geben.

Lisa Heßler und Ben Matschke haben die Eulen Ludwigshafen professionalisiert.
Lisa Heßler und Ben Matschke haben die Eulen Ludwigshafen professionalisiert.
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