Ludwigshafen Skelette zu Besuch in Bollywood

In der Musik werden die Grenzen ständig neu ausgelotet. Die Besucher des Chill-Out-Konzerts „Klassik trifft Gypsy“ im Gesellschaftshaus der BASF durften genau solch einem Experiment beiwohnen, wenn eines der führenden Weltmusik-Ensembles auf junge Talente der Klassik trifft.

Sind es nicht gerade die neuen, ungewöhnlichen Dinge, die die Lebenslust neu entfachen? Die New York Gypsy All Stars, ein Quintett, das sich der Weltmusik verschrieben hat und die sich mit ihrem einzigartigen Sound weit außerhalb der üblichen Genre-Grenzen bewegen, verkörpern genau dieses Lebensgefühl. Und wenn sie dann noch am selben Abend auf erstklassige Vertreterinnen der klassischen Muse treffen, entsteht ein musikalisches Kunstwerk, eine Vision außerhalb der üblichen Denkschemata. Unterteilt in drei Sets startete der Abend rein klassisch. In einem Duo-Rezital bewiesen Noa Wildschut (Violine) und Elisabeth Brauß (Klavier), welches virtuose Potenzial die kommende Generation in der europäischen Musikszene bereithält. Mit einem hohen Maß an Timing und Feingefühl, trotz ihrer Jugend, verschmolzen die Klänge der beiden Instrumente alsbald zu einer musikalischen Seele, die ihren Ausdruck bisweilen von feingliedriger Fragilität zu drangvoll-stürmischem Übermut verlagerte. Auch wenn das Duo mit etwas zu viel jugendlichem Esprit an Cézar Francks A-Dur Sonate (Satz eins und zwei) ging und eine gewisse Abgeklärtheit des Alters fehlte, stand ihnen Camille Saint-Saëns’ „Danse Macabre“ ausgesprochen gut. In feinster Lautmalerei skizzierten sie den Tanz der Skelette um Mitternacht. Wildschuts Giovanni-Grancino-Geige aus dem Jahre 1714 entfaltete hier ihre samtig-warme Klangfarbe. Set zwei gehörte den New York Gypsy All Stars, einem Musikerkollektiv aus Mazedonien, der Türkei, aus Griechenland und den Vereinigten Staaten, die sich in ihrer Wahlheimat New York zusammengefunden haben um den gemeinsamen Traum einer kulturell übergreifenden Musik zu verwirklichen. Als klassisch ausgebildete Musiker von den renommiertesten Instituten wie Juilliard oder Berklee verfügen sie nicht nur über brillante Technik. Es ist vor allem ihre kaum greifbare Mischung aus traditionellen Gypsy-Klängen, Balkan-Beats, Oriental- und Latin-Elementen gepaart mit flirrendem Jazz und funkigem Groove, dessen hypnotischer Wirkung sich auch das Publikum im Gesellschaftshaus kaum entziehen konnte. Titel wie „Balkan Bollywood“ verweisen auf die Stilvielfalt bereits im Titel. Das Stück „Butchers“, übersetzt Metzger, bietet feinste musikalische Filetstücke aus den Kulturen dieser Welt. Als Wildschut im dritten Teil zu ihnen stößt, fusioniert alles zu einem großen Ganzen. Auch wenn sich die Geigerin aus den Niederlanden (noch) fest an die Noten klammert und die eingangs versprochenen Improvisationen kaum verwirklicht, entsteht ein großartiger Moment mit viel Gypsy-Spirit.

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