Ludwigshafen Schön poetisch und gruselig aktuell

In der ersten Woche des Ludwigshafener Festvals „Theater International“ ist für alle Altersgruppen etwas dabei gewesen. Groß und tiefgründig: „Der kleine Prinz“ nach Antoine de Saint-Exupéry vom Kinder- und Jugendtheater Speyer in Zusammenarbeit mit der Staatsphilharmonie. Klein und kuschelig: „Ich war`s nicht“ von Hille Puppille. Eine spannende Geschichtsstunde mit Transparenz auf die Gegenwart: „Sophie Scholl“ von Kulturlabor Trier.

„Der kleine Prinz“ ist von vielen Theatern auf die Bühne gebracht worden. Matthias Folz fügt eine eigene Version hinzu. Er hat Episoden weggelassen, andere umgestellt, erzählt die Geschichte chronologisch einfacher und trifft den poetischen Saint-Exupéry-Ton in philosophischer Tiefe und aktualisierter Gesellschaftskritik. Ein Holzbläser-Quintett sorgt für Atmosphäre und Ruhepausen, in denen das Gesehene weiterwirkt. Schlichte Theatermittel lassen die Welt der Sterne im Kopf intensiv entstehen. Auf seiner Reise durch den Weltraum macht der kleine Prinz (Gurmit Bhogal, naiv und kindlich) die Runde durch den Zuschauerraum. König, Säufer, Geschäftsmann, die anderen skurrilen Typen sind gestrichen, äußern sich über Video. Die Begegnung in der Sahara zwischen abgestürztem Pilot (Patrick Braun) und kindlicher Lichtgestalt könnte man auch als Halluzination interpretieren, in der Saint-Exupéry knapp dem Verdursten entgeht. Für die ewigen Menschheitsthemen Liebe, Freundschaft, Tod ist Véronique Weber zuständig. Sie sind berührend, aber auch so spannend in Szene gesetzt, dass die eigentlich zu große Kinderschar im vollbesetzten Saal 90 Minuten lang mucksmäuschenstill zusah und lauschte. Die außergewöhnliche Produktion „Sophie Scholl“ des Kulturlabor Trier hatte nicht so viele Zuschauer wie verdient. Das Pflichtthema hat sich wohl abgenutzt. Alex Ourth und Judith Kriebel werfen einen vielschichtigen Blick auf die Widerstandsheldin. Sie haben akribisch recherchiert und agieren grandios. Alex interpretiert historische Fakten anhand von Videos und spielt Vater Robert Scholl und Freund Fritz. Judith ist Sophie und manchmal Hitler. Sophie war, ebenso wie ihr älterer Bruder Hans, dem Nationalsozialismus verfallen; die Eltern waren strikt dagegen. Wie sie zur Einsicht kam – durch Fakten, Briefe von Fritz, vielleicht durch das Elternhaus – kann die Inszenierung nicht wirklich beantworten. Die Stimmung, die in manchem erschreckend aktuell anmutet, ist authentisch eingefangen, das „Multimedia-Experiment“ überzeugend gelungen. „Ich war’s nicht“ passt in die Stadtteilbibliotheken Gartenstadt, Edigheim und Mundenheim. Ein hochlehniger Sessel, eine Stehlampe, sonst nichts. Hille vom Figurentheater Hille Puppille versucht, das Bilderbuch vorzulesen. Weil es ohne die vergessene Brille nicht gelingt, spielt sie es vor. Sie breitet ein Tuch mit dem Himbeergestrüpp und ein Kissen mit dem Flieder über den Sessel. Fröhlich und putzig geht es los mit den geklauten Himbeeren. Das Rabenmädchen soll es gewesen sein. Der drastische Ausgang des Buchs wird kuschelpädagogisch entschärft. Das Festival läuft bis zum 2. Dezember.

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