Ludwigshafen Mit Scheuklappen durch die Stadt

Kurze Pause beim Spaziergang: Hansgünther Heyme mit seinem spanischen Wasserhund Gómez.
Kurze Pause beim Spaziergang: Hansgünther Heyme mit seinem spanischen Wasserhund Gómez.

Hansgünther Heyme war der einzige Gesprächspartner in dieser nun zu Ende gehenden Reihe über verdiente Ludwigshafener Persönlichkeiten, der nicht wollte, dass die RHEINPFALZ zu ihm nach Hause kommt. Den Gesprächstermin im gleich um die Ecke gelegenen Inselcafé verbindet er mit einem Spaziergang mit seinem spanischen Wasserhund Gómez. Benannt ist das Tier nicht nach dem Fußballnationalstürmer, sondern nach einem Intendanten aus Madrid, mit dem Heyme nach eigenen Worten „immer Krach“ hatte. Er habe, sagt er, einen Gómez haben wollen, der ihm gehorcht. Meistens jedenfalls. Krach zu haben – das war Heyme nie fremd, sein ganzes (Berufs-)Leben lang nicht. Krach um die Kunst, Krach ums Geld, mit Kulturpolitikern, Verwaltungsdirektoren, mit Schauspielern und manchmal auch mit dem Publikum. „Ich bin nirgends freiwillig gegangen“, sagt er, „ich bin immer rausgeschmissen worden.“ Er sieht unglücklich dabei aus, denn eigentlich, das gibt er offen zu, möchte er gemocht und geliebt werden. Dass seine Fürsprecherin, Kulturdezernentin Cornelia Reifenberg (CDU), nicht verhindern konnte, dass sein Vertrag als Intendant des Theaters im Pfalzbau nach zehn Jahren nicht verlängert wurde, schmerzt ihn noch immer. „Ich gehe mit Scheuklappen durch die Stadt und versuche, den Namen meines Nachfolgers zu vergessen“, sagt Heyme. Erfolglos offensichtlich: Irgendwann im Gespräch rutscht ihm der Name Gersch mal raus. Aber über dessen Arbeit könne er nichts sagen, er versuche, nichts davon mitzubekommen. Nicht einmal ein Plakat. Am liebsten hätte er die Stadt, die ihm aus seiner Sicht das Geschenk eines „Rings“ nicht genug gedankt hat, verlassen. Dass er geblieben ist, liegt an Heymes Familie. Seine beiden jüngeren Söhne gehen noch zur Schule, seine Frau Éva Adorján arbeitet an der Uni Landau. Heyme selbst hat sich nach Mannheim orientiert, wo er verschiedene Projekte realisiert hat und plant. Zurzeit probt er eine „Götz von Berlichingen“-Inszenierung an den Burgfestspielen Jagsthausen. In Ludwigshafen ist er an einer Produktion der Staatsphilharmonie beteiligt, die im Dezember die Oper „Der Kaiser von Atlantis“ auf die Bühne bringen möchte. Das Werk haben Peter Kien und Viktor Ullmann 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt geschrieben. Dass Heyme noch so viel arbeitet, anstatt die Füße hochzulegen und mit Gómez spazierenzugehen, hat nicht nur mit einer wahrscheinlich branchenüblichen Arbeitswut zu tun. Die Familie könne von seiner Rente und dem Einkommen seiner Frau allein nicht leben, erzählt er ganz offen. Er habe zwar immer gut verdient, aber alles ausgegeben. Ein Anwesen im Westerwald, das sein Rückzugsort ist, und vier Scheidungen haben eine Menge Geld gekostet. „Ich war immer von 9 bis 23 Uhr im Theater“, sagt der vierfache Vater. „Das Privatleben hat gelitten.“ Und, nach einer Pause: „Wahnsinnig gelitten.“ Seine ganze Kraft hat Hansgünther Heyme dem Theater gewidmet. Geboren ist er 1935 als einziges Kind von Eltern, die als Jugendliche von zu Hause weggelaufen sind, um eine ererbte Tanzschule in Köln zu übernehmen. Sie wurden, so kann man es in seinem Buch „Sturm.Splitter“ nachlesen, zweimal deutsche Meister und einmal Europameister in Lateinamerikanischen Tänzen. Nach dem Tod seines Vaters heiratete seine Mutter noch einmal: Kurt Fischer, den Mitbegründer der Mannheimer Kultur- und Dokumentarfilmwoche, aus der das heutige Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg hervorgegangen ist. Heyme wurde mit der Kultur groß. Ein Architekturstudium in Karlsruhe ließ er zugunsten von Theater und Film nach eineinhalb Jahren wieder sein. Die Begabung dafür hat aber dazu geführt, dass er die Ausstattung seiner Inszenierungen selbst übernimmt. „Wenn meine Regiearbeiten nicht gemocht werden, kann ich damit leben, das kenne ich mein Leben lang“, sagt er. „Aber bei der Ausstattung bin ich wirklich angreifbar.“ Heymes Weg als Schauspieler und Regisseur begann an den Theatern Mannheim und Heidelberg. Von dort ging es über die Stationen Wiesbaden und Köln 1979 als Nachfolger von Claus Peymann als Intendant nach Stuttgart. Es folgten Intendanzen in Essen, bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen und ein Intermezzo in Bremen, bevor er 2004 nach Ludwigshafen kam. Heyme gilt als Vertreter des „Regietheaters“ – womit er überhaupt nichts anfangen kann – und als Experte für die Umsetzung antiker Stoffe. Übrigens hat er auch in einem absoluten Mannheim-Kultfilm mitgewirkt: in Bernhard Wickis Debüt „Warum sind sie gegen uns?“ Von Anfang an gab es Menschen, die gegen Heyme und seine Arbeit waren. In Heidelberg sammelten ältere Damen im Café Schafheutle Unterschriften gegen ihn, in Wiesbaden sei er mit dem Tode bedroht worden und habe mehr als einmal seine Autoreifen aufgestochen vorgefunden. „Dabei wollte ich nie provozieren“, sagt Heyme rückblickend. Für ihn sei es das Allerschönste, wenn heute jemand auf ihn zukommt und sich an eine Aufführung erinnert, die er vor Jahrzehnten gesehen hat. „Das“, sagt er und macht sich mit Gómez an der Leine auf den Weg nach Hause, „macht mich glücklich.“

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