Ludwigshafen Ludwigshafener OB-Kandidaten im Interview: „Linksruck“ hier, „Zick-Zack-Kurs“ dort

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Schlagabtausch bei der RHEINPFALZ: Jutta Steinruck und ihr Rivale Peter Uebel schenken sich nichts bei dem von Redaktionsleiter Steffen Gierescher geführten Interview.
Frau Steinruck, kennen Sie den Filmklassiker „Der Pate“?Steinruck:

Ja. Dann wissen Sie auch, dass es da einen Clan-Chef gibt, der widerspenstigen Verhandlungspartnern gerne ein Angebot unterbreitet, das diese nicht ablehnen können. Welches unwiderstehliche Angebot haben Sie dem im ersten Wahlgang ausgeschiedenen und parteilosen Kandidaten Thorsten Portisch gemacht, damit er Sie unterstützt? Steinruck: Dass er weiter seine Ideen in die Stadt einbringen kann. Haben Sie ihm einen Posten versprochen, falls Sie die Wahl gewinnen? Steinruck: Wir haben vereinbart, dass wir nach einer gewonnenen OB-Wahl konkret darüber reden. Er hat auch keine entsprechenden Forderungen gestellt? Steinruck: Nein. Herr Uebel, ich gehe mal davon aus, dass auch Sie Herrn Portisch gerne geködert hätten. Immerhin ist er ein ehemaliger Parteikollege. Warum hat das nicht geklappt? Uebel: Portisch ist für mich eine Riesenenttäuschung. Hoppla. Warum? Uebel: Ich bin verwundert über ihn. Im Wahlkampf hat er über Monate hinweg meine Thesen vertreten, politisch lagen wir relativ nah beieinander. Er hat mir permanent SMS geschrieben, zuletzt am Dienstag nach der Wahl. Daraus habe ich geschlossen, dass er mich unterstützen wird. Und wieso kam es nicht dazu? Uebel: Weil ich ihm klipp und klar meine Grenzen aufgezeigt habe. Das heißt? Uebel: Ich habe ihm klargemacht, was für mich anständige Politik bedeutet. Seine Kehrtwende ist unfair – mir, aber vor allem seinen Wählern gegenüber, die seine Ideen ja letztlich mitgetragen haben. Daraus schließe ich, dass er Forderungen gestellt hat, die Sie nicht erfüllen wollen. Was hat er verlangt? Uebel: Es ging um seine – ich zitiere – „konkrete berufliche Zukunft in der Stadt“. Er hat mir gegenüber zwei städtische Töchter angesprochen. Und da habe ich ihm zu verstehen gegeben, dass ich ihm nichts versprechen werde. Das ist nicht meine Art. Das meine ich mit Grenzen aufzeigen. Hat Herr Portisch das Thema städtische Töchter auch bei Ihnen angesprochen, Frau Steinruck? Steinruck: Ich habe mit Herrn Portisch darüber gesprochen, ihm aber erklärt, dass ich ihm keinen Job versprechen kann, auch wenn ich vorhabe, die eine oder andere Tochtergesellschaft neu aufzustellen. Wir haben unsere Ideen abgeglichen, speziell zur Innenstadtentwicklung und zum Stadtmarketing, und sehr große Schnittstellen festgestellt. Wir wollen vieles anders machen, damit ein neuer Wind in der Stadt weht. Portischs Know-how und seine Ideen will ich in meine künftige Arbeit einbeziehen. Herr Portisch soll also eine Rolle spielen in der künftigen Stadtpolitik? Steinruck: Er ist ein cleverer Kopf und ein Querdenker. Solche Leute brauche ich in meinem Team. Er wird aber nicht kommender Chef der Marketinggesellschaft Lukom? Steinruck: Diese Stelle ist im Moment besetzt. Wir haben auch nicht über die Lukom gesprochen. Uebel: Ich habe Herrn Portisch keine Zusagen gemacht, sondern ihm angeboten, wieder in die CDU einzutreten. Alles andere ist für mich nicht redlich – auch nicht, um politische Mehrheiten zu beschaffen. Das lehne ich ab. Steinruck: Herr Portisch hat mir erst am Donnerstag nach der Wahl gegen 22 Uhr seine Entscheidung mitgeteilt und erklärt, dass er sie aufgrund seiner persönlichen Wahrnehmung getroffen habe, wer die Stadt eher voranbringt. Er sagte, er habe den Eindruck, dass ich die besseren Ideen und die bessere Mannschaft habe. Uebel: Wie gesagt: Die Beweggründe von Herrn Portisch für diesen 180-Grad-Wandel sehe ich jetzt aus einem anderen Blickwinkel. Herr Uebel, Frau Steinruck wird von weiteren vier politischen Gruppen unterstützt: FWG, Grüne, Piraten, Die Linke. War sie vielleicht überzeugender bei entsprechenden Gesprächen? Uebel: Ich glaube, die FWG hat es bedauert, nicht mit mir gesprochen zu haben – zumindest wurde mir das so zugetragen. Ich bin davon ausgegangen, dass die Freien Wähler einen eigenen Kandidaten aufstellen. Der FWG zu versprechen, den Bau eines Kombibads zu prüfen, wie das Frau Steinruck getan hat, ist populistisch. Das zeigen die Aussagen des SPD-Sport- und Bäderdezernenten. Bei den Grünen gibt es eine Menge persönlicher Beziehungen zu meiner Gegenkandidatin. Das war ausschlaggebend. Wobei der Vorstandsbeschluss pro Steinruck nur mit einer Stimme Mehrheit fiel. Aber es ist wie es ist: Ich verkörpere die bürgerliche Mitte. Und wir haben einen Linksruck in dieser Stadt. Das ist das, was drohen wird. Bedeutet Steinruck gleich Linksruck? Steinruck: Wenn Herr Uebel mit Linksruck meint, dass es in der Stadt künftig gerechter zugeht, dann hat er recht. Es darf kein parteipolitisches Klein-Klein mehr geben. Ich will als OB mit allen reden und keine demokratische Partei oder Fraktion ausgrenzen. So arbeite ich auch im EU-Parlament sehr erfolgreich. Das geht. Herr Uebel, für Sie bleibt eine Empfehlung von AfD-Mann Dirk Schmitz, der wie Portisch im ersten Wahlgang gescheitert ist. Freuen Sie sich darüber oder ist Ihnen das eher unangenehm? Uebel: Ich nehme das zur Kenntnis. Nicht alle AfD-Wähler sind Nazis. Darunter sind auch vernünftige Leute, die aus Protest für diese Partei stimmen. Natürlich sympathisiere ich nicht mit den AfD-Zielen. Ich freue mich aber über jeden Wähler. Und zum Thema Linksruck folgendes: Frau Steinruck sagt, sie will die OB aller sein. Doch das ist gerade nicht der Fall, weil sie die bürgerliche Mitte verlassen will und es mit ihr keine große Koalition im Stadtrat geben wird. Steinruck: Das habe ich nie gesagt. Uebel: Mit Ihnen wird die große Koalition aufgelöst. Ein Großteil der Menschen wird von Ihnen nicht mehr mitgenommen werden. Frau Steinruck verabschiedet sich aus der Mitte. Mit Rot-Rot-Grün wird es extrem schwer, Mehrheiten zu erzielen, Stichwort: Sicherheit, Gefahrenabwehr, Kameraüberwachung am Berliner- oder Carl-Wurster-Platz. Wie das mit den Grünen oder der Linkspartei durchgesetzt werden soll, ist mir schleierhaft. Frau Steinruck, Sie haben angedeutet, dass die große Koalition im Rathaus nach der Kommunalwahl 2019 für Sie nicht zwangsläufig gesetzt ist. Der von Ihnen verwendete Begriff „Knebelvertrag“ ist der CDU übel aufgestoßen. Warum hat sich die SPD als stärkste Fraktion überhaupt knebeln lassen? Steinruck: Ich habe nie gesagt, dass ich gegen die große Koalition bin. Ich stehe zu dem bis 2019 unterzeichneten Koalitionsvertrag. Wer etwas anderes behauptet, der lügt. Nach der Kommunalwahl werden Verhandlungen auf der Basis des Ergebnisses geführt werden müssen. Möglicherweise wird das Resultat dann neue Koalitionen zulassen. Für mich ist es wichtig, dass es in einem solchen Vertrag Freiheiten gibt. Eine Fraktion muss einen Antrag auch alleine einbringen können. Es muss eine Unterscheidbarkeit geben. Diese Chance bietet der jetzige Koalitionsvertrag nicht. Noch mal: Warum hat sich die SPD von der CDU knebeln lassen? Steinruck: Das ist mein persönlicher Blick auf diesen Vertrag. Ich bin angetreten, um in dieser Stadt einen neuen Blick auf Politik zu werfen. Ich habe in die Zukunft gedacht. Es gibt eine hohe Politikverdrossenheit in Ludwigshafen. Viele Menschen sagen, SPD und CDU sind nicht mehr unterscheidbar. Daraus müssen wir Lehren ziehen. Als OB werde ich meiner Partei empfehlen, einen Koalitionsvertrag – mit wem auch immer – zu schließen, der allen Partnern die Möglichkeit lässt, eigene Positionen darzustellen. Herr Uebel, wenn Sie in die Zukunft denken – ist die große Koalition im Rathaus dann für Sie alternativlos oder sind Sie da ähnlich flexibel? Uebel: Die große Koalition garantiert eine stabile Mehrheit. So lässt sich Politik am besten umsetzen. Wir haben vieles auf den Weg gebracht, ich kann da kein Knebeln erkennen. Frau Steinruck weiß vielleicht auch nicht, von was sie redet, weil sie seit ihrer Nominierung bei keiner einzigen Stadtrats- oder Ausschusssitzung dabei war. Insofern fehlt ihr vermutlich der Blick für die politische Arbeit vor Ort. Klar: In einer Koalition geht es nicht ohne Kompromisse. Dennoch ist die Handschrift beider Parteien erkennbar. Instabile Mehrheiten schaden der Stadt, weil sie Investoren abschrecken. Frau Steinruck steht für einen Linksruck. Das muss jedem bewusst sein, der am 15. Oktober wählen geht. Wo sehen Sie inhaltlich die größten Unterschiede zu Ihrer Rivalin? Nennen Sie mal drei Schwerpunkte. Uebel: Sicherheit, Wirtschaft, Wohnungsbau. Wir brauchen eine Videoüberwachung an neuralgischen Plätzen. Wir brauchen keine Gewerbesteuererhöhung. Dafür brauchen wir Wohnungen im mittleren Segment und kein Bauen auf Teufel komm raus. 3000 Wohnungen bis 2025, wie Frau Steinruck vorschlägt, das ist die Größe von Maudach – für mich ist das unkontrolliertes Bauen und utopisch. Wir benötigen Wohnungsbau mit Verstand und müssen Leute, die in den Speckgürtel abgewandert sind, vor allem die mit mittleren Einkommen, wieder zurückgewinnen. Das wird am Rheinufer Süd oder mit der Christian-Weiß-Siedlung forciert. Diesen Weg müssen wir weitergehen. Stadtteile wie Mundenheim kippen. Deshalb müssen wir die bürgerliche Mitte erreichen. Den richtigen Bevölkerungsmix hinzukriegen, das ist für mich eine der Schlüsselaufgaben der nächsten acht Jahre. Steinruck: Herr Uebel verkennt die Tatsache, dass in Ludwigshafen in den vergangenen Jahren fast nur im gehobenen Sektor Wohnungen geschaffen wurden. Täglich schreiben mir Leute aus allen Schichten, die auf dem freien Markt keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden. Es ist richtig, dass Stadtteile kippen. Das ist die verfehlte Politik der vergangenen fast 20 Jahre. Dort fehlt die Durchmischung. Wo setzen Sie Ihre Akzente? Steinruck: Neben dem Wohnungsbau ist für mich das Thema Bürgernähe zentral. Da will ich anders agieren als die amtierende OB. Inwiefern? Steinruck: Bevor politische Entscheidungen getroffen werden, will ich deren Auswirkungen auf die Menschen prüfen. Viele sind verunsichert und verärgert über den politischen Zick-Zack-Kurs zu ihren Lasten. Das wird es mit mir nicht geben. Die Bürger müssen eingebunden werden. Die Amtsinhaberin ist für viele Menschen nicht ansprechbar, Bürgeranfragen werden gar nicht oder nur mit Standardbriefen beantwortet. Ich will zudem dafür sorgen, dass es in dieser Stadt gerechter zugeht. Es darf keine Klientel-Politik mehr geben. Das betrifft auch die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut. Die hohe Sozialbelastung abzubauen, muss eines der großen Ziele der Stadt sein. Das Thema Umbenennung der Rhein- in Helmut-Kohl-Allee hat hohe Wellen geschlagen. Was sagen Sie dazu, dass Ihr Konkurrent den von ihm mit auf den Weg gebrachten Stadtratsbeschluss mittlerweile kippen will? Steinruck: Ich habe von Beginn an gesagt, es darf keinen Schnellschuss geben, und das war ein Schnellschuss. Respektieren Sie den Sinneswandel Ihres Mitbewerbers? Steinruck: Ja. Aber ich stelle mir die Frage, wie er entschieden hätte, wenn er am 24. September die Wahl gewonnen hätte. Wäre der Sinneswandel dann auch gekommen? Wäre er gekommen, Herr Uebel? Uebel: Ich habe schon anderthalb Wochen vor dem Wahlabend in Interviews betont, dass man diesen Beschluss nicht umsetzen darf. Ich setze mich aber nicht einfach über einen Beschluss von 45 Stadträten hinweg. Diesem hat ja auch die SPD zugestimmt. Zwischen der OB-Kandidatin und ihrer Fraktion scheint es aber keinen Austausch zu geben. Steinruck: Sie wissen ganz genau, dass die CDU-Fraktion der SPD den Antrag erst wenige Tage vor der Stadtratssitzung vorgelegt hat. Uebel: Das war lange abgesprochen. Steinruck: Nein. Das stimmt nicht. Uebel: Wir dachten, dass die Umbenennung in der Bevölkerung gewünscht ist. Das war eine Fehleinschätzung. Mit dem Protest hat weder die SPD noch die CDU gerechnet. Am 24. September lagen Sie wohl auch wegen besagter Allee-Debatte 5705 Stimmen hinter Frau Steinruck. Ist dieser Rückstand noch aufzuholen? Uebel: Ich trete an, um zu gewinnen. Eine Straßenumbenennung darf nicht der wesentliche Grund für eine Wahlentscheidung sein. Da muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Aber man muss auf die Leute hören. Ich habe kein Problem damit, eine Entscheidung zu revidieren. So wird mein Politikstil sein. Man muss eine Diagnose auch mal neu bewerten. Das weiß ich als Arzt. Das linke Lager kam zuletzt auf 48 Prozent. Jetzt liegt es an mir, das andere Lager zu überzeugen. Ich bin da relativ optimistisch. Frau Steinruck, wie Herr Uebel werben Sie auf Ihren Plakaten mit dem Slogan „Jetzt gilt’s“ – was meinen Sie damit? Steinruck: Auf meinen Flugblättern steht auch: „Damit sich etwas ändert“. Wer neue Ideen für Ludwigshafen will, muss Steinruck wählen. Ich will alte Zöpfe abschneiden und keinen Zick-Zack-Kurs. Es gibt Menschen, die Angst davor haben, dass ein OB Uebel wie bei der Allee-Debatte auch in anderen Politikfeldern hin und her entscheidet. Von einem OB erwarten die Bürger klare, durchdachte Aktionen. Dafür stehe ich. Herr Uebel, auch Sie sagen „Jetzt gilt’s“ – ein letztes Trommelfeuer? Uebel: Die Leute wollen keine ausgeklüngelten Ämtervergaben wie im Fall Portisch. Das sorgt für Politikverdrossenheit. Davor möchte ich Ludwigshafen bewahren. Ich bin aufrichtig, werde immer transparent sein und stehe auch dafür, den Bürgerwillen umzusetzen. Das heißt auch, dass ich als Kandidat der bürgerlichen Mitte halte, was ich vor der Wahl verspreche.

„Wir brauchen keinen Wohnungsbau auf Teufel komm raus, sondern einen Wohnungsbau mit Verstand“, sagt Peter Uebel.
»Wir brauchen keinen Wohnungsbau auf Teufel komm raus, sondern einen Wohnungsbau mit Verstand«, sagt Peter Uebel.
„Es gibt hier eine hohe Politikverdrossenheit. Viele Menschen sagen, SPD und CDU sind nicht mehr unterscheidbar“, so Jutta Stein
»Es gibt hier eine hohe Politikverdrossenheit. Viele Menschen sagen, SPD und CDU sind nicht mehr unterscheidbar«, so Jutta Steinruck.
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