Ludwigshafen Eine Abwechslung vom Alltag

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Das gute Geschirr steht schon auf dem Tisch. Nach und nach setzen sich die Bewohner der Limburgerhofer Wohngemeinschaft (WG) Pauline an die Kaffeetafel. Zwischen ihnen sitzt Ingrid Zubrod. Einmal pro Woche kommt die Neuhofenerin für ein paar Stunden in die WG, in der acht Senioren leben. Zubrod ist ehrenamtliche Nachbarschaftshelferin. Und das seit zehn Jahren. Sie engagiert sich von Anfang an in der Nachbarschaftshilfe der Ökumenischen Sozialstation. Im Oktober 2005 wurde die Nachbarschaftshilfe der Ökumenischen Sozialstation Limburgerhof als Modellvorhaben installiert. Hintergrund war eine Landesverordnung, in der es um die Förderung niederschwelliger Betreuungsangebote und neue Versorgungskonzepte und -strukturen ging. Wissenschaftlich begleitet wurde das Modellvorhaben von der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen. „Damals wurde bei mehreren Sozialstationen die Nachbarschaftshilfe eingeführt“, sagt Ulrike Lahr, Geschäftsführende Pflegedienstleitung der Ökumenischen Sozialstation Limburgerhof. Die Entwicklung hin zur Nachbarschaftshilfe sei notwendig gewesen. „Wir waren eine Einrichtung, die immer viele Zivildienstleistende hatte“, sagt Lahr. „Sie haben schon früh bei uns begonnen, Betreuungen zu machen, sind mit Menschen ins Theater gefahren, haben Spaziergänge gemacht oder sind zum Einkaufen gegangen.“ Dinge, die die Nachbarschaftshelfer heute auch noch für Senioren und Behinderte in Altrip, Limburgerhof, Mutterstadt, Neuhofen, Otterstadt und Waldsee tun. Man habe früh gemerkt, dass zur Pflege mehr gehöre als nur körperliche Pflege und hauswirtschaftliche Hilfe. „Lebensqualität ist da ein gutes Stichwort“, sagt Lahr. „Unsere Nachbarschaftshelfer sind keine Haushaltshilfen“, betont sie. Im Laufe der Jahre seien es immer weniger Zivildienstleistende geworden bis dann schlussendlich der Zivildienst zum Jahr 2012 abgeschafft wurde. Zu diesem Zeitpunkt lief die Limburgerhofer Nachbarschaftshilfe schon gut. „Unsere Motivation war und ist, den Menschen mehr Lebensqualität zu geben und auch eine Entlastung für die Angehörigen zu schaffen“, sagt Lahr. Von sechs Helfern zu Beginn, ist das Team mittlerweile auf 37 gewachsen. Davon sind nur drei Männer. „Dabei sind Männer gefragt. Gerade von Männern. Da kommen einfach andere Gesprächsthemen zustande und sie unternehmen auch andere Sachen“, sagt Heide Quell, die die Nachbarschaftshilfe als Altenpflegerin von Anfang an mit betreut hat. Gemeinsam mit Diplom-Sozialpädagogin Ulrike Babelotzky – sie wird aktuell von Deborah Cerato vertreten – kümmert sie sich um das Angebot. „Das Zusammenspiel aus Sozialpädagogin und Altenpflegerin ist ein gutes Gespann. Denn so kommen zwei Blickrichtungen zusammen“, sagt Lahr. 64 Kunden hat die Ökumenische Sozialstation zur Zeit. „Es ist mehr Bedarf da. Wir suchen immer nach Leuten, die sich einbringen wollen.“ Eingesetzt werden diese nicht nur in Privathaushalten und der Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz, sondern auch im Café Vergiss-Mein-Nicht in Mutterstadt. Durch das ehrenamtliche Engagement sollen einerseits Senioren und Behinderte selbstbestimmt leben können und Abwechslung im Alltag bekommen. Andererseits auch Angehörige entlastet werden. „Das ist wichtig“, betont Quell. Sie erinnert sich an einen Mann, der seine Frau gepflegt hat und einmal pro Woche gerne zum Kartenspielen gehen wollte. „Mit der Nachbarschaftshilfe war es dann möglich.“ Nachbarschaftshelferin Ingrid Zubrod kennt solche Situationen. „Angehörige können durch uns ohne schlechtes Gewissen weggehen“, sagt sie. Sie hat über mehrere Jahre hinweg jemanden in Neuhofen betreut, ist seit kurzem in der Wohngemeinschaft aktiv. „Alte Menschen haben oft keine Lobby“, sagt die Neuhofenerin. „Dabei braucht es oft nicht viel, um jemanden glücklich zu machen.“ Für ihre Arbeit bekommt sie eine Aufwandsentschädigung von 5,50 Euro pro Stunde. 9,50 Euro kostet die Stunde Nachbarschaftshilfe der Ökumenischen Sozialstation insgesamt. Anfangs mussten die Kunden es selbst zahlen, erinnert sich Quell. Seit 2013 läuft die Finanzierung aber in der Regel über die Pflegestufe. Das Pflegeleistungsergänzungs-Gesetz und Verhinderungspflege wären dabei wichtige Neuerungen gewesen, erklärt Lahr. „Es gibt aber auch Leute, die selbst zahlen. Es werden durch die Reform der Pflegeversicherung aber weniger.“ Koordiniert werden die Einsätze der Helfer über die Sozialstation. „Wir gehen beim ersten Besuch immer mit“, erzählt Quell. Alle sechs Wochen treffe man sich im Team zur Besprechung, aber auch zwischendurch könnten sich die Helfer jederzeit an die Leitung wenden. Zudem gebe es Supervision und etwa drei Fortbildungen im Jahr zu Themen wie Demenz, Alzheimer oder Schlaganfall. Der Kontakt zur Sozialstation sei den Ehrenamtlichen wichtig. „Manches ist ja auch belastend“, sagt Lahr. „Sterben oder der Umgang mit dem Tod sind immer ein Thema.“ Da sei reden unerlässlich. Auch untereinander. Quell erzählt von einem Stammtisch der Helfer, Ausflügen und einer Weihnachtsfeier. „Es sind Freundschaften entstanden“, sagt sie. Ingrid Zubrod plaudert ein wenig mit drei Damen an der Kaffeetafel. Auch ihr tut die Arbeit gut. „Es bringt mir Ruhe“, sagt sie. „Und ich beschäftige mich automatisch mit Dingen, die auf mich zukommen werden. Man lernt, dass das Leben endlich ist.“ Doch vorerst geht es ihr um eines: sich Zeit nehmen und schöne Stunden verschaffen. Für die WG-Weihnachtsfeier hat sie auch schon eine Idee. „Ich denke da an ein Flöten-Duett mit einer der Bewohnerinnen.“ Termin —Zehn Jahre Nachbarschaftshilfe der Ökumenischen Sozialstation Limburgerhof wird am Montag, 9. November, um 19 Uhr mit einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche Limburgerhof gefeiert. Es werden langjährige Mitarbeiter geehrt. —Das Café Vergiss-Mein-Nicht findet immer dienstags und mittwochs von 14.30 bis 17 Uhr im Seniorentreff in der Jahnstraße 4 in Mutterstadt statt.

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