Ludwigshafen Cole Porter trifft Hendrix
Aufgeheizte Stimmung, Stehplätze, Klatschen über Kopf: Das ist ein Rockkonzert. Ein einzelner Pianist, der in sich versunken alte Cole-Porter-Songs spielt: Das muss ein Jazzkonzert sein. Beides zusammen ergibt ein Jamie-Cullum-Konzert. Im ausverkauften Musensaal des Mannheimer Rosengartens präsentierte sich der Brite als mitreißender Entertainer.
Vermutlich streitet sich die gestrenge Musikerpolizei nach dem Konzert, ob das Dezernat Jazz oder die Abteilung Pop zuständig ist. Und oft genug sind die Hardcore-Fans beider Genres sich in herzlicher Abneigung verbunden. Pop-Fans halten Jazz für Katzenmusik, oder verkopft - die Jazzer finden Pop oft zu flach und zu billig. Dass diese Diskussion engstirnig und eigentlich überholt ist, beweist Jamie Cullum einen ganzen Abend lang. Mit „Same Thing“, dem Opener seines aktuellen Albums „Momentum“, eröffnet er auch sein Mannheimer Konzert. Das klingt erst mal nach Pop – aber nicht billig. Das Ganze groovt recht gut, und nach wenigen Takten ist das Publikum eingestiegen. Mit einem Slow Funk geht es weiter. Zwei Bläser machen sich dabei gut, Schlagzeug und E-Bass geben dem Rhythmus Kontur. Und was macht Jamie Cullum? Der wuselt wie besessen über die Bühne, haut auf eine eigens aufgestellte Snaredrum, hämmert auf den Flügel ein oder klemmt sich hinter ein Keyboard und lässt eine Hammondorgel röhren. Dazu oder dazwischen singt er natürlich auch. Der 34-jährige Brite steht den ganzen Abend unter Strom, selbst heftiges Headbangen scheint ihn kaum zu beruhigen. Ganz nebenbei schmuggelt er Klassiker ins Programm. „The Wind cries Mary“ von Gitarrengott Jimi Hendrix funktioniert in einer von Keyboard und Klavier getragenen Cullum-Version erstaunlich gut. Und gestandenen Jazzern klappt die Kinnlade runter, wenn Cullum und seine Band aus Cole Porters „Love for Sale“ eine psychedelisch rockende Neufassung zaubert. Der eher zierlich wirkende Cullum hat eine geradezu wuchtige Bühnenpräsenz, die bis in die letzten Reihen spürbar ist. Das Publikum ist sehr gemischt. Es sind einige gesetztere Herrschaften dabei, die man auf einem typischen Popkonzert sonst nicht sieht. Den größten Teil der Besucher stellt aber ein tanzbereites Partypublikum. Cullum schafft es, die schnell hochkochende Atmosphäre auch wieder zu entspannen. Nur von einem einzelnen Spot beleuchtet, sitzt er dann am Flügel, versinkt in sich über die Tasten gekrümmt, beginnt sehr leise mit „What a difference a day makes“ und entwickelt von da aus ein Standard-Medley, um irgendwann wieder zu seinem Soul-Jazz-Pop zurückzukehren. Jamie Cullums Stimme ist gar nicht mal so besonders. Am stärksten wirkt er bei den poppigeren Sachen. Aber sein Gesamtkonzept funktioniert bestens. Als Entertainer, der sich spielerisch über Genregrenzen hinweg setzt, ist Cullum ein virtuoser Könner. Sein begeistertes Publikum hat er völlig in der Hand. Und vielleicht entdeckt der ein oder andere dabei auch Stilrichtungen, die er ansonsten nicht gehört hätte.