Wir über uns Abi-Noten: Manchmal ist es auch keine Rede wert

Überregional wird von einer „Inflation der Supernoten“ berichtet. Wie sieht es in der Südpfalz aus?
Überregional wird von einer »Inflation der Supernoten« berichtet. Wie sieht es in der Südpfalz aus?

Der Weg ist das Ziel. Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen. Sie alle kennen solche Sätze. Natürlich sind die Quatsch. Das Ziel ist das Ziel, und auch eine Reise hat ein Ziel, sonst wäre es keine Reise, sondern ein Umherirren. Aber es ist, wie es manchmal ist: Man beginnt etwas und es kommt nichts dabei herum. Das passiert bei Recherchen häufiger als man denkt. Und dann hofft man, dass man zumindest nicht zu viel Energie hereingesteckt hat. Ein Fallbeispiel.

Rückblick. Vor einigen Wochen haben die Wochenzeitung Die Zeit und das Nachrichtenmagazin Der Spiegel über die Inflation guter Abi-Noten in Deutschland und die Reaktionen – oder besser: die Selbstverteidigung – der Unis darauf berichtet. Es gibt laut der Übersicht der Kultusministerkonferenz auch wirklich absurde Noten – das Bundesland Thüringen hat im Jahr 2022 einen Abischnitt von 2,04 gehabt. Bundesweit hatte fast ein Drittel der Schüler einen Abischnitt mit einer 1 – vor dem Komma, freilich. Rheinland-Pfalz liegt auf dem vorletzten Rang mit 2,38 – zusammen mit Niedersachsen vor Schleswig-Holstein (2,42). Ob das alles so fair ist, sei mal dahingestellt.

Ein Klassiker: Die Jugend wird immer blöder

Die Reaktion: Manche Unis führen Eignungstests zum Numerus clausus ein oder vergeben eine gewisse Anzahl der Studienplätze nach Eignungstests. Andere Brückenkurse, um Wissen zu vermitteln, das Abiturienten eigentlich haben sollten, weil die Fähigkeiten der Abiturienten in einigen Fällen nicht wirklich mit der Note korrespondieren. Um es mal vornehm auszudrücken.

Spricht man mit Uni-Dozenten, hört man seit Jahren, dass der von den Schulen kommende Nachwuchs immer weniger könne oder tauge. Manchmal wird als Begründung das vermeintlich schlechtere „Rheinland-Pfalz-Abi“ genannt; manchmal hört man auch, dass die Lehramtsstudierenden das Problem seien, weil sie sich nicht für das Fach interessierten, sondern für einen sicheren Job. Schuld: Klar, die Schulen. Spricht man mit Lehrern, hört man völlig überraschend, die Kinder brächten immer weniger Bildung mit. Schuld: Grundschulen oder Eltern. Sie ahnen, wie die Schuld auch von dort weitergeschoben wird. Das ist menschheitsgeschichtlich auch nix Neues. Schon Platon lässt Sokrates sagen, dass die Jugend immer blöder werde. Würde das stimmen, wären wir Menschen bereits ausgestorben – wohl weil wir erfolglos versucht hätten, Stein zu essen und Harz zu trinken.

„Abi-Schnitt wird nicht erhoben“

Aber: Schaut man die Berichterstattung von Zeit und Spiegel an, fragt man sich, wie es denn hier vor Ort aussieht. Wir haben in Landau und SÜW Schulen, die Abiturzeugnisse ausgeben, und eine Uni, die Studierende annimmt.

Anfangsverdacht: Gefühlt melden die Schulen Jahr für Jahr mehr Schüler, die ein 1,0er-Abi haben oder für sonstige Leistungen ausgezeichnet werden. Man bekommt irgendwie den Eindruck, wer ein 2,5er-Abi hat, könnte ein Versager sein. Aber gefühlte und tatsächliche Sachverhalte wohnen oft nicht unter einem Dach zusammen. Also erster Schritt der Recherche: Wie sehen denn die Abi-Noten aus? Und da steht dann schon die Mauer.

Die Schulleiter haben sie errichtet, weil sie – mit einer löblichen Ausnahme: die Landauer IGS – die Daten nicht rausrücken wollen. Jemand behauptet, der Abischnitt liege der Schule gar nicht vor (die Einzelnoten: Ja, aber der Schnitt werde nicht erhoben), andere starten Ablenkungsdebatten, weil der Tonfall der ersten Anfrage (von dreien) nicht gefallen habe, jemand stellt infrage, als Schulleiter auch Behördenleiter im Sinne des Gesetzes zu sein, jemand sagt tatsächlich, dass man erst wissen wolle, was die Presse mit den Daten vorhabe, bevor man sie rausgebe – aber die Schnitte gibt’s eben mit der einen Ausnahme nicht. Und diese sagt: „Da gibt’s nichts zu finden, ist verschwendete Zeit“, sagt IGS-Leiter Ralf Haug. Das sollte sich als wahr herausstellen.

Ministerium ist transparent

Auch die ADD als Schulbehörde gibt die Daten nicht raus, das Bildungsministerium in Mainz tut es. Und siehe da: Die Abinoten in Landau und SÜW liegen knapp besser als der Landes-Schnitt, es gibt Schwankungen, die aber im Bereich von 0,2 liegen – auch über die Jahre hinweg. Anfang und Ende der Zahlenreihe herausgepickt: 2016 lag er bei neun Schulen in Stadt und Kreis bei rund 2,4: 2022 hatten zehn Schulen zusammen rund 2,3. Keine Schule scheint ihren Schülern gute Noten zuzuschustern, niemand scheint sich fragwürdig zu verhalten. Warum haben die Schulleiter sich so verhalten? Vielleicht weil sie Angst vor einer Bildungsdebatte hatten. Oder davor, dass ihre Schule schlecht dasteht. Man kann Leuten nicht in den Kopf schauen.

Fest steht nur: Ein Haufen Mails, mehrere auch lange Telefonate – und im Prinzip bleibt keine Geschichte hängen. Wie bereits gesagt, das passiert eigentlich öfter, als man denkt – aber selten ist so viel Aufwand drin.

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