SÜDPFALZ Ärzte und Politiker stricken an neuen Konzepten

Der Verwaltungsaufwand werde immer höher, klagen Hausärzte.
Der Verwaltungsaufwand werde immer höher, klagen Hausärzte.

Die Hütte brennt. Das ist, salopp gesagt, die besorgniserregende Situation der hausärztlichen Versorgung auch in der Südpfalz. Brennpunkte sind Bad Bergzabern, Germersheim und Kandel. Dort fehlen akut Hausärzte. Die Südpfalz-Docs schlagen Alarm.

Die Hausärzte stöhnen unter der wachsenden Belastung. Mehr Patienten müssen auf weniger Praxen verteilt werden, weil sich mehr Hausärzte zur Ruhe setzen als junge Mediziner nachkommen. Die Entwicklung ist seit Jahren absehbar. Die Landesregierung versucht, mit extra Studienplätzen für Leute, die danach auf dem Land praktizieren wollen, gegenzusteuern. Ärzte schließen sich zu Gemeinschaftspraxen zusammen, um eine Niederlassung fern der Großstadt attraktiv zu gestalten, weil so Familie und Beruf besser zu vereinbaren sind.

Jeder Südpfälzer, der sich um Termine bei Hausärzten bemüht, kennt die Situation. Reguläre Termine gibt es oft nur Wochen oder Monate später, in Akutfällen jonglieren die Arzthelferinnen mit Doppelbesetzungen der prall gefüllten Terminkalender. Zum Teil werden neue Patienten gar nicht mehr angenommen.

„Mangel ist da“

Besonders krass ist das, was ein Ehepaar in Kandel erlebt hat. Nach dem Tod ihres Hausarztes haben ein 75-Jähriger und seine 68-jährige Frau große Not, einen anderen Allgemeinmediziner zu finden, der ihnen Rezepte für die Medikamente ausstellt, die sie dringend benötigen. Die Situation in Kandel habe sich akut verschlechtert, berichtete Medizinerin Traudel Löwer der RHEINPFALZ, die sich mit einem dramatischen Appell an den Stadtrat gewandt hat.

Alarmiert sind auch die Südpfalz-Docs, die ihr Netzwerk inzwischen weit geknüpft haben. Vorsitzender Jonas Hofmann-Eifler, Arzt in einer Gemeinschaftspraxis in Rheinzabern, steuert gegen. „Wir haben den Mangel kommen sehen. Jetzt ist er da.“ Akut sei die Lage in Bad Bergzabern, Germersheim und Kandel. Der Allgemeinmediziner warnt eindringlich: „Wenn nicht jetzt was passiert, dann sind wir alle geliefert.“

Viele gehen in Ruhestand

Mehrere Akteure ziehen an einem Strang. Die Ärztliche Kreisvereinigung Landau/SÜW unter ihrem Vorsitzenden Volker Thorn, HNO-Arzt in Landau, ist ebenfalls eine treibende Kraft. Thorn hat im Frühjahr 2020 einen Runden Tisch in Bad Bergzabern zusammengebracht, bei dem es um die schwierige Situation in und rund um die Kurstadt ging. In der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern sind über 30 Prozent der Einwohner über 60 Jahre alt, in der Stadt sind es sogar über 40 Prozent. Aktuell sind laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) drei Hausarztsitze frei – in Landau sind es zwei, in Germersheim elf. Bis zum Jahr 2024 müssten in Landau 64 Prozent der Hausarztstellen neu besetzt werden, in Bad Bergzabern gar 71 Prozent, rechnet die KV vor.

Jonas Hofmann-Eifler hat im April zu einem Runden Tisch eingeladen, an dem virtuell auch politisch Verantwortliche Platz nahmen. Gemeinsam sollen Konzepte entwickelt werden, wie jungen Medizinern eine Ansiedlung in der Südpfalz schmackhaft gemacht werden kann. Wenn die Infrastruktur stimme, Kitaplätze zur Verfügung stünden, Medizinische Versorgungszentren da seien, dann kämen die Leute auch, ist Landrat Dietmar Seefeldt (CDU) überzeugt. Kommunen könnten helfen bei der Grundstückssuche, auch bei den Verwaltungsmodalitäten. Gesundheitszentren wie jenes, das in Maikammer entstehen soll, seien die Zukunft.

Praxen als Zentren

Das sieht Hofmann-Eifler ebenso. Der Praktiker wünscht sich auch die Trennung zwischen Medizin und Verwaltung in einer Praxis. Die Robert-Bosch-Stiftung spreche von Port-Zentren – Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung – mit Hausärzten im Mittelpunkt, dazu Fachärzte und Therapeuten. Ein weiteres Modell seien einzelne Hausarztzentralen mit Filialen in Ortschaften, wie vor Kurzem auch von Klingenmünster aus in Heuchelheim und Landau organisiert. Der 35-Jährige berichtet, die Südpfalz-Docs hätten bereits mehrere Ärzte vermittelt.

Der rührige Mediziner ist allerdings an der Grenze dessen, was er und seine Kollegen ehrenamtlich leisten können, betont er. Deshalb müsse die Vermittlertätigkeit in eine nächste Stufe transferiert werden. Grenzübergreifend werde in der Südpfalz daran gearbeitet. Federführend in der Organisation sei der Erste Beigeordnete im Kreis Germersheim, Christoph Buttweiler (CDU).

Studienplätze fehlen

Die Südpfalz steht im Wettbewerb mit vielen anderen Regionen. Denn der Hausarztmangel ist ein bundesweites Problem. Seefeldt und Thomas Gebhart, CDU-Bundestagsabgeordneter sowie Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, sehen die Länder in der Pflicht. Sie müssten bei den Studienplätzen dringend aufstocken. „Es gibt fünf bis sechs Bewerber auf jeden Studienplatz. Das ist ein Flaschenhals“, sagt Gebhart. Es sei schon viele Jahre am falschen Ende gespart und viel zu wenig ausgebildet worden. „Es bräuchte bundesweit 5000 zusätzliche Medizin-Studienplätze pro Jahr.“ Der Politiker macht es an einem Beispiel deutlich: Rheinland-Pfalz bietet pro Jahr rund 430 Medizin-Studienplätze. Blieben alle Absolventen hier, bräuchte das Land immer noch 1000 neue Mediziner, um die zu ersetzen, die in Ruhestand gehen.

Prämien auszuloben, damit sich Ärzte auf dem Land niederlassen, wie es andere Kommunen versuchen, halten Gebhart und Seefeldt für eine sehr schwierige Entwicklung.

Prämien auszuloben, damit sich Ärzte auf dem Land niederlassen, wie es andere Kommunen versuchen, halten Gebhart und Seefeldt für eine sehr schwierige Entwicklung.

Image aufbessern

Die Politiker und auch die Mediziner in der Südpfalz setzen vielmehr auf Konzepte, die die Region als lebens- und liebenswert darstellen. Die Vereinigung der Südpfalz-Docs mit ihren Aktivitäten ist übrigens für Hofmann-Eifler auch ein Pluspunkt für die Südpfalz. Die Botschaft sei klar: „Wir machen etwas zusammen und nehmen Euch an die Hand.“ Dass das Netzwerk innerhalb von zwei Jahren auf 80 Mitglieder komme, zeige den Bedarf an Vernetzung. Schließlich müsse es auch darum gehen, das Image des Hausarztes zu verbessern. „Viele meinen, Hausärzte, das sei nur Husten und Schnupfen“, sagt Hofmann-Eifler. Dabei seien Allgemeinmediziner top ausgebildete Ärzte.

Info

www.bosch-stiftung.de, Stichwort Port

Die Südpfalz-Docs zählen mittlerweile 80 Mitglieder. Hier posieren einige von ihnen für eine Werbung im Internet, um andere Medi
Die Südpfalz-Docs zählen mittlerweile 80 Mitglieder. Hier posieren einige von ihnen für eine Werbung im Internet, um andere Mediziner von den Schönheiten der Südpfalz zu überzeugen (von links): Dorothee Reith, Jonas Hofmann-Eifler, Lisa Zimmermann, Jens Gieger, Dominik Schubert, Fabian Vonderschmitt und Andreas Herzog.
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