Kreis Kusel Wenn der Jazz den Aufbruch wagt

Starke Stimme: Lizz Wright.
Starke Stimme: Lizz Wright.

Die 28. Ausgabe des Kammgarn International Jazzfestivals soll vom 20. bis 22. April stattfinden. Das Programm steht auch schon. Es bringt auf drei Bühnen einen spannenden Mix von klassischem Jazz bis Electronica. Und ein Wiedersehen mit einem Künstler, der seinerzeit bei der zweiten Festivalausgabe antrat, ist auch geplant.

Das Traditionsfestival wird eröffnet von einem italienischen Sänger, der einen sehr angenehmen, swingenden und dezenten Jazz macht. Der Italiener Mario Biondi kann dabei zweifelsohne nicht mit den schicken Kopfbedeckungen eines Gregory Porter mithalten – sängerisch jedoch steht er mit seiner dunkel timbrierten, voluminösen und unaufgeregten Stimme dem gleich alten Amerikaner (beide sind Jahrgang 1971) nicht nach.

Als Sohn des sizilianischen Liedermachers Stefano Biondi sang Mario zunächst als Kind in verschiedenen Chören und gründete später eine eigene Band namens Mario Bro. Sein vom Latin-Jazz inspiriertes Debütalbum „Handful of Soul“ veröffentlichte der Italiener 2006. Die ausgekoppelte Single „This Is What You Are“ wurde ein kommerzieller wie ein Chart-Erfolg. Es folgten bis heute acht Alben, live machte Biondi vor allem durch seine Auftritte beim San-Remo-Festival von sich reden. Heuer eröffnet er das Kaiserslauterer Jazzfestival im Kasino des Hauses.

Wiedersehen mit Lizz Wright

Drei Gruppen bringt der zweite Festivaltag (21. April) dem Publikum. US-Sängerin Lizz Wright könnte Pfälzer Jazzfreunden noch von ihrem Abend mit Gregory Porter im Kammgarn-Kasino anno 2013 in bester Erinnerung sein. Ihren Durchbruch hatte die 42-jährige Tochter eines Predigers, die erste Gesangerfahrungen im Chor ihres Vaters sammelte, 2003 mit ihrem Debütalbum „Salt“. Es landete auf Platz 4 der US-Jazz-Albumcharts und war daneben auch in Europa chartplatziert. Sieben CDs hat sie inzwischen vorgelegt, arbeitete mit Größen wie Joe Sample oder David Sanborn zusammen und gastierte auf namhaften europäischen Festivals, etwa dem Jazzfest Berlin oder dem Jazzfestival in Montreux. Beim Kammgarn-Jazzfestival spielt sie im Kasino.

Im Schreinereitrakt hat sich ein deutscher Musiker angesagt, der bereits bei der zweiten Ausgabe des Kammgarn-Jazzfestivals 1990 auf der Bühne stand: Bassist Dieter Ilg. Der Offenburger (Jahrgang 1961) spielte bereits in den 80ern mit internationalen Größen wie Randy Brecker, Albert Mangelsdorff und Wolfgang Dauner. Lange Jahre und bis zum Tod des Saxophonisten 2009 tourte er im Duo mit Charly Mariano. In seinen eigenen Gruppen versammelt Ilg regelmäßig Größen wie Marc Copland, Roberto di Gioia und Wolfgang Haffner, letzterer ein Höhepunkt der Lauterer Festival-Ausgabe 2020.

In der jüngeren Vergangenheit ist Ilg mit der jazzigen Annäherung an klassische Komponisten – Bach, Beethoven und zuletzt Maurice Ravel – hervorgetreten. In der Kammgarn wird Ilg denn auch sein Ravel-Projekt vorstellen, zusammen mit Pianist Rainer Böhm und Schlagzeuger Patrice Héral. Das Spiel des Trios nimmt Ravels Kompositionen – etwa seine berühmte „Pavane“ – auf und überführt sie subtil ins jazzige Genre.

Im Sog der Klänge

Fazer ist nicht nur ein finnisches Süßwaren-Unternehmen, dessen Schokoprodukte in ganz Skandinavien, in den baltischen Ländern, Polen, Russland sowie Großbritannien bekannt und beliebt sind. Fazer ist vielmehr auch der Name eines jungen Jazzquintetts aus München, das den zweiten Festivaltag im Cotton Club komplettiert. Die Band verbindet auf einem Jazz-Untergrund Elemente aus traditioneller westafrikanischer und indischer Musik mit Elementen des Dub-Techno, Afrobeat, Funk und Postrock.

Prägend sind die Trompeten-Höhenflüge von Matthias Lindermayr (Trompeter) und die erweiterte Rhythmik mit gleich zwei Schlagzeugern (Simon Popp und Sebastian Wolfgruber).

Weiter dabei sind Bassist und Produzent Martin Brugger sowie Gitarrist Paul Brändle. Die ehemaligen Studienkollegen veröffentlichten 2018 das Debütalbum „Mara“, im Jahr darauf erschien die Produktion „Nadi“, die dritte und jüngste CD „Plex“ kam 2022 heraus. Mit ihrem modernen, weltoffenen und nicht zuletzt eingängigen Jazzkonzept erschließen sich die Münchner nicht nur die Club-Bühnen der Republik, sondern gerade auch ein jüngeres, breiteres Publikum.

Abheben mit Grandbrothers

Eine jüngere Zielgruppe bedient zweifellos auch das deutsch-schweizerische Duo Grandbrothers. Ihre sphärische, weit ausschwingende Musik verführt seit über zehn Jahren das Publikum auf einen Sound-Trip – ganz ähnlich der Hörerfahrungen der Minimal Music. Und wie diese basiert auch die Klangwelt der Grandbrothers auf immer wieder repetierten Mustern.

Erzeugt werden diese einmal elektronisch, dann aber auch mittels eines präparierten Flügels. Elektromagnetische Hämmerchen klopfen auf die Saiten des Instruments – und auch überall dorthin, wo Töne erzeugt werden können wie etwa das Gestänge der Fußpedale oder der Korpus. Zudem kommen Induktionsspulen zum Einsatz, die die Saiten allein durch ein Magnetfeld in Schwingung versetzen. Die derart generierten Klänge werden wiederum aufgenommen, in Echtzeit mit Effekten weiterverarbeitet oder verfremdet (Live-Sampling).

Auf mittlerweile drei Alben ist die Klangmagie der Grandbrothers verewigt, ein viertes ist in Vorbereitung, es enthält Stücke, die das Duo speziell für eine Aufnahme in Kölner Dom im August vergangenen Jahres schuf. Die Musik von Grandbrothers wird sowohl in klassischen Konzerthäusern wie dem Amsterdamer Concertgebouw als auch auf Festivals wie dem in Montreux gefeiert.

Zu erleben sind Erol Sarp (Piano) und Lukas Vogel (Elektronik), die einst am Institut für Musik und Medien der renommierten Robert Schumann Hochschule Düsseldorf zusammenfanden, in Kaiserslautern am dritten Festivaltag (22. April) im Kasino.

Schlagzeug statt Medizin

Ebenfalls der jüngeren Musikergeneration gehört Eva Kleese an. Die 37-jährige Schlagzeugerin, gebürtig aus Werl, entschied sich nach einem begonnenen Studium der Medizin recht schnell für einen Wechsel zum Jazzschlagzeug, das sie mit doppeltem Diplom in Weimar und Paris abschloss.

Vor zehn Jahren gründete sie ein eigenes Quartett, für das sie auch Stücke schrieb. Seitdem ging es schnell bergauf, schon im Gründungsjahr eröffneten Kleese & Co. die Leipziger Jazztage, gewannen den dortigen Jazznachwuchspreis und brachten im Jahr darauf ihr Debütalbum „Xenon“ heraus, das wiederum den Echo Jazz 2015 in der Kategorie „Newcomer des Jahres“ errang.

Die junge Schlagzeugerin spielt unter anderem mit der norddeutschen Sängerin Jorinde Jelen, Pianistin Julia Hülsmann und im Trio No Kissing. Konzertreisen führten sie bereits in die USA, nach Chile, Frankreich, Spanien und China.

Vor vier Jahren wurde sie als erste deutsche Instrumentalprofessorin für Jazz an die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover berufen, 2021 wurde sie mit dem mit 15.000 Euro dotierten SWR-Jazzpreis ausgezeichnet. Die Musik, die sie mit ihrem Quartett spielt, ist facettenreich und feinnervig und wieder eher dem traditionellen Jazz und dem der 80er und 90er Jahre verpflichtet. Dabei bringt die sympathische Schlagzeugerin feinen Humor in ihre Kompositionen wie Moderationen ein.

Den Schlusspunkt unter das diesjährige Festival setzt erneut eine junge Formation, die den Schwerpunkt der letztjährigen Ausgabe wiederaufnimmt: das Luxemburger Klaviertrio Dock in Absolute. Jean-Philippe Koch am Klavier, David Kintziger am Bass und Michel Mootz am Schlagzeug entstammen Kaderschmieden wie dem Berklee College of Music Boston, der Codarts University of Arts Rotterdam oder dem Royal Conservatoire of Liège.

Zurück ins Jahr 2022

Die druckvollen Kompositionen Kochs kombinieren progressiven Jazz mit Rock sowie klassischen und Minimal-Music-Anklängen, loten aber auch in lyrische, seelenvolle Tiefen. Die dynamischen Umfänge sind dabei beträchtlich und erinnern an die großen Aufschwünge skandinavischer Klaviertrios in der Nachfolge von Esbjörn Svensson.

Das seit zehn Jahren bestehende luxemburgische Trio bedient sich also der Palette unterschiedlichster Emotionen und nimmt seine Hörer mit auf Klangreise, mit Vorliebe auf internationalen Festivals, aber mittels zweier bislang erschienener Alben auch vor dem heimischen CD-Player.

Die 28. Ausgabe des Westpfälzer Jazzfestivals bringt also neben etablierten Positionen vor allem auch junge, frische Beiträge. Es bricht sozusagen auf zu neuen jazzigen Ufern, die ein oder andere Überraschung sicherlich inklusive.

Termin

Das 28. Kammgarn International Jazzfestival geht vom 20. bis 22. April über die Bühne, die Konzerte im Kasino beginnen jeweils um 20 Uhr, die in Schreinerei und Cotton Club zeitgleich um 22 Uhr; der Vorverkauf startet an den bekannten Stellen in der zweiten Januarwoche; weitere Informationen und Karten auch auf www.kammgarn.de.

Der italienische Barry White: Mario Biondi.
Der italienische Barry White: Mario Biondi.
Musik zum Wegträumen: Grandbrothers.
Musik zum Wegträumen: Grandbrothers.
Könner am Kontrabass: Dieter Ilg.
Könner am Kontrabass: Dieter Ilg.
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