Kusel Rothselberg: Gasthaus der Familie Hebel nach mehr als 200 Jahren geschlossen

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Am 11. Januar war Schluss: Da traf sich das Dorf zum letzten Mal beim »Spielmann«.

Es war nicht nur eine Dorfgaststätte, sondern eine Institution in Rothselberg: das Wirtshaus Hebel, „Zum Spielmann“. Mehr als 200 Jahre war es familiengeführt, zuletzt von der 84-jährigen Gertrud Hebel. Zum letzten Mal haben sich die Rothselberger dort im Januar getroffen.

Zusammen mit ihrem Mann Willi, der im Jahr 2001 gestorben ist, arbeitete Gertrud Hebel seit 1955 als Wirtin in Rothselberg. „Es war eine Wirtschaft mit Stammpublikum“, erzählt sie. „Vor allem zum Mittagessen unter der Woche kam regelmäßig etwa ein Dutzend Gäste aus dem Ort oder der Umgebung. Da wurde ein Stammessen mit Suppe und einer Hauptspeise angeboten.“ Abends waren dann vor allem die Dorfbewohner da, die noch ein Bier trinken wollten. Auch der Gesangverein, die Turner und der Gemeinderat beendeten das offizielle Programm gerne bei „Spielmanns“. An das Wirtshaus gibt es viele Erinnerungen. Ortsbürgermeister Rainer Mohr erinnert sich noch an die belegten Brote, die man am Wochenende auch am späten Abend bekam, wenn alle anderen Wirtshäuser bereits geschlossen hatten: „Wenn wir auf einer Veranstaltung waren, gingen wir oft noch zu Hebels, um den Abschluss zu machen. Dann gab es Schinken- und Käsebrote, vor allem aber die beliebte Sommerwurst.“ Weil die Öffnungszeiten fast denen einer Bahnhofswirtschaft entsprachen, nannte man die Gaststätte scherzhaft auch „Bahnhof ohne Geleise“. Für die Wirtsleute war der nächtliche Gastbetrieb kein Problem, denn sie wohnten im Haus. Lediglich einmal sei die Polizei wegen der Sperrstunde gekommen. Aber Willy Hebel sei ein ruhiger, humorvoller Mann gewesen, der sich dadurch nicht beirren ließ. Als die Polizisten ihn über die Sperrzeiten aufgeklärt hatten, habe er sich bedankt und nur gesagt: „Des do is mir nei.“

Erster Hebel-Wirt spielte Geige

Der Name „Spielmann“ geht vermutlich auf den ersten Hebel-Wirt zurück: Nikolaus Hebel (1776-1840) war Landwirt, Gastwirt und Musikant – und spielte vor seinen Gästen oft auf der Geige. Lange prangte der Name des Gasthauses über dem Eingang auf der Hauswand. Doch bei der letzten Renovierung wurde er überstrichen und durch die Inschrift „Gasthaus / Friedrich Wilhelm Hebel / Restauration“ ersetzt. Auf Nikolaus war Peter Hebel (1806-1888) gefolgt, der auch Landkrämer und Musiklehrer war. Sohn Wilhelm (1830-1883), Enkel Emil (1862-1902) und Urenkel Friedrich Wilhelm (1889-1966) setzten die Tradition fort. Die letzten Wirtsleute waren also die sechste Generation. Inzwischen war das Gasthaus ausgebaut und erweitert worden. Es gab eine Kegelbahn, in der Kinder die „Bobbe“ (Kegel) mit der Hand aufstellten. Aber besonders wichtig wurde der Tanzsaal im Nachbargebäude, denn dort wurde alle 14 Tage zur Tanzmusik aufgespielt. Pia Borger, die Tochter von Willi und Gertrud Hebel, ist in der Wirtschaft aufgewachsen und hat gerne die Gäste beobachtet: „Es gab viele verschiedene Gäste, darunter auch manche Originale mit eigenwilligen Meinungen. Ich habe da meine eigenen Erfahrungen gemacht und gelernt, tolerant zu sein.“ Besonders spannend fand sie als Kind und Teenager die Tanzabende, wenn zum Beispiel die Band „Roma“ aus Hinzweiler spielte. Dann stand sie hinter der Theke, die etwas erhöht lag, und konnte zusehen.

Kerwe und Maskenball

Zwei Höhepunkte gab es jedes Jahr: Mit der „Reerer Kerb“, die vor dem Wirtshaus und im Saal gefeiert wurde, begann im Juni die Kirchweihsaison. Während der Faschingszeit wurde ein Maskenball veranstaltet, der Pia Borger sehr beeindruckt hat: „Einige der Teilnehmer hatten sich so verkleidet, dass sie nicht zu erkennen waren. Mit einer Nummer versehen warteten sie in der Gaststube, bis sie einzeln in den Saal gerufen wurden. Dort saßen die anderen Gäste mit Stimmzetteln und konnten entscheiden, welches die beste Maske war.“ Als Willi Hebel 2001 starb, sollte der Gasthof geschlossen werden. Aber viele Gäste protestierten: „Gertrud, du kannst doch net zumachen.“ Deshalb entschied sich die Wirtin, allein weiterzumachen. Aber sie hatte nur noch dienstags- und freitagsabends, am Samstag tagsüber und am Sonntag zum Frühschoppen geöffnet. Doch auch mit diesen „Sprechstunden“, wie man die eingeschränkten Öffnungszeiten nannte, waren die Stammgäste zufrieden.

Nachfolge fraglich

Aber nach weiteren 17 Jahren war am 11. Januar endgültig Schluss. Gertrud Hebel ist inzwischen 84 Jahre alt und hat davon mehr als 60 Jahre als Wirtin gearbeitet – eine Zeit, an die sie gerne zurückdenkt: „Ich habe es mit Herzblut gemacht. Denn ich wusste, dass die Wirtschaft vor allem für ältere Bürger ein wichtiger Treffpunkt war.“ Inzwischen ist sie umgezogen und wohnt im Haus neben ihrer Tochter. Ob sich eine Nachfolge findet, ist fraglich, denn für den weiteren Betrieb wären im Gebäude größere Investitionen nötig. Ortsbürgermeister Mohr weiß, dass die Gaststätte nicht zu ersetzen ist. Aber er will wenigstens einen kleinen Ausgleich schaffen: „Wer freitags oder samstags ein Bier trinken will, kann in die Kegelbahn in der Selberghalle kommen, die wir wieder aktiviert haben und die nicht nur für die Kegler geöffnet ist. Und sonntags gibt es auch noch die Fischerhütte und die Selberghütte.“

Der Name geht auf den ersten Hebel-Wirt zurück.
Der Name geht auf den ersten Hebel-Wirt zurück.
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