Kusel Der höchste Berg im Landkreis Kusel

Tief im Westen des Landkreises, direkt an der saarländischen Grenze, liegt Reichweiler. Vielen ist die Gemeinde vor allem durch ihren Autobahnanschluss und häufige Geschwindigkeitskontrollen bekannt. Dabei steckt hinter dem Ort weit mehr als nur eine Autobahnausfahrt.

Unser Spaziergang beginnt am Dorfgemeinschaftshaus. Wenn hier nicht gerade der Gemeinderat tagt, gibt es Zumba und Treffen der Krabbelgruppe. Das ehemalige Schulgebäude, das in den 80er Jahren zum Gemeinde-Treffpunkt umfunktioniert wurde, wird auch von den Vereinen im Ort – von der Sängergruppe bis zum Wanderverein „Teufelskopfwanderer“ – rege genutzt. Seit dem Umbau 2010 gibt es sogar einen Veranstaltungssaal mit Bühne. Am vierten Septemberwochenende findet hier alljährlich die Kerwe statt. Vor dem Dorfgemeinschaftshaus steht die Glocke des Ortes. Sie wurde in Eigenleistung mit vielen Helfern aufgebaut und 2012 eingeweiht, berichtet Ortsbürgermeister Karsten Becker. Zu hören ist die Glocke um 11 und um 18 Uhr sowie bei Begräbnissen. Ebenfalls 2012 haben die Bewohner die Kreuzkapelle errichtet, die etwas weiter oberhalb zum Verweilen einlädt. Eine Kirche hat Reichweiler jedoch schon lange nicht mehr. Bernd Hoffmann, der vor Becker 25 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde lenkte, erzählt, wie die Kirche im 30-jährigen Krieg zerstört wurde. Nur die Glocke hätten die Bewohner noch rechtzeitig unter der Erde verstecken können. Wenn man heute am „Glockenacker“ vorbeikomme, könne man sie noch läuten hören. Besagt zumindest die Legende. Hier, vom höhergelegenen Teil der Schulstraße aus, hat man zudem einen guten Blick über den Ort – selbst wenn man wie wir einen trüben Tag erwischt. Südlich von Reichweiler verläuft die Autobahn 62. Der Verkehrslärm sei je nach Windrichtung mal lauter, mal leiser. Man gewöhne sich daran, meint Hoffmann. Auch Becker betont die Vorteile der A 62. „Reichweiler profitiert von der guten Anbindung“, ist er überzeugt. Die Gemeinde verzeichnet steigende Einwohnerzahlen. Derzeit leben hier 571 Menschen. Der Älteste ist 92 Jahre alt, die Jüngste kaum zwei Wochen. Direkt hinter der Autobahn, im Nachbarort Schwarzerden, liegen die Industriewerke Saar. Einst waren sie der größte Arbeitgeber der Gegend, heute sind dort nur noch etwa 140 Leute beschäftigt. „Die Jugend muss gucken, wo sie Arbeit kriegt. Dann geht es halt raus“, sagt Hoffmann. Prompt kommen wir an einem der wenigen leerstehenden Häuser vorbei. Über die Hauptstraße geht es weiter in den Würzerweg zu den beiden Neubaugebieten. Das ältere wurde in den Siebzigern erschlossen, das jüngere 2002. „Es sieht so aus, als ob es schnell voll wird“, sagt Becker. Von 21 Plätzen sei etwa die Hälfte verkauft. Gerade habe es zwei weitere Zusagen gegeben. Überwiegend junge Familien mit Kindern kämen hierher. Linker Hand steigt das Gelände an. Hier liegen der 585 Meter hohe Herzerberg und der Keufelskopf (580 Meter), die neben Königsberg und Potzberg schon mal vergessen werden. „Es wird nicht gern gesehen“, meint Becker, „aber wir haben den höchsten Berg im Landkreis Kusel.“ Ein weiteres Wahrzeichen ist der Fernmeldeturm der Telekom auf dem Keufelskopf. Er prägt mit seinen 137,5 Metern Höhe die Landschaft. Hinter dem Berg ragen Windräder aus dem benachbarten Eckersweiler hervor. Wenn die Baugenehmigung kommt, soll in diesem Jahr ein weiteres dazu kommen – auf der Gemarkung von Reichweiler. Einmal im Jahr werden Wald und Wiesen rund um Reichweiler zum Austragungsort des Keufelskopf Ultra-Trails. Die Läufer müssen auf 85 Kilometern ihre Ausdauer beweisen und dabei etwa 3500 Höhenmeter überwinden. Im vergangenen Jahr wurde in Reichweiler die deutsche Meisterschaft ausgetragen. Geologisch gesehen liegt der Ort am Rand des Saar-Nahe-Beckens. In Reichweiler habe man schon im Mittelalter Achate gefunden, erzählt Becker. Nach der Stilllegung des Steinbruchs gebe es aber kaum noch Chancen für größere Funde. Trotzdem beherbergt Reichweiler die Halbedelsteine noch immer: Familie Theis verfügt über eine der größten privaten Achatsammlungen Deutschlands. Mittlerweile haben wir über die Biehlstraße wieder die Dorfmitte erreicht. Hier steht das alte Zollhaus aus der Zeit, als in der Nähe noch die deutsch-französische Grenze verlief. In der Hauptstraße versorge die Bäckerei Breug die Dörfler mit den „besten Kaffeestückchen im Umkreis von 20 Kilometern“, sagt Becker. Im Ort gibt es außerdem eine Autowerkstatt und eine Schreinerei. Auf der Pferderanch Breug Quarter Horses werden Pferde gezüchtet und ausgebildet. Besitzer Steffen Breug nimmt zudem regelmäßig an internationalen Western-Reitturnieren teil. An der Ecke Hauptstraße/Schulstraße befinden sich der alte Stierstall und die Viehwaage der Gemeinde. Früher rechneten dort Gemeinde und Bürger am 28. Dezember ab. Das Datum hat bis heute Bestand: An diesem Tag legt der Ortsbürgermeister traditionell seinen Rechenschaftsbericht ab. Wer dem Verlauf der Hauptstraße weiter folgt, erreicht den Dorfbrunnen. Später biegt rechter Hand die Mithrasstraße ab. Sie führt zu einer der ältesten Kulturstätten der Gegend, dem Mithrasdenkmal. Von der ehemaligen römischen Tempelanlage zu Ehren des Sonnengottes Mithras ist jedoch nur noch ein Felsbildnis erhalten. Es zeigt das Motiv der Stiertötung, das auch im Ortswappen enthalten ist. DATEN UND FAKTEN Reichweiler Reichweiler liegt  am Fuß der Preußischen Berge und in direkter Nachbarschaft zum Saarland. Ursprünglich war Reichweiler im Besitz der Grafen von Blieskastel. Seine Geschichte lässt sich bis zur urkundlichen Ersterwähnung im Jahr 1270 zurückverfolgen. Das Mithrasdenkmal an der Grenze zum saarländischen Schwarzerden zeugt hingegen von der römischen Vergangenheit der Gegend. Die Tempelanlage, die dem Sonnengott Mithras geweiht war, entstand im dritten Jahrhundert nach Christus. Heute ist nur noch ein Felsrelief aus rotem Sandstein erhalten. Es bildete einst die Rückwand des Tempels. Reichweiler gehört seit der Gebietsreform von 1969 zum Landkreis Kusel. Die Gemeinde erstreckt sich über ein Gebiet von 387 Hektar. 133 Hektar davon sind von Wald bedeckt. (cher)

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