Kreis Germersheim Wohnungen für Flüchtlinge: Fast nichts geht mehr

Willkommen – aber wohin dann? Das ist immer mehr die Frage.
Willkommen – aber wohin dann? Das ist immer mehr die Frage.

Die Gemeinden im Kreis stoßen mittlerweile an die Grenzen ihrer Kapazitäten bei der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Staaten.

Die aktuelle Abfrage der Unterbringungssituation von geflüchteten Menschen in den Städten und Verbandsgemeinden des Landkreises und eine Besprechung Anfang Januar mit den Bürgermeistern brachte ein eindeutiges Ergebnis: „Die Unterbringungssituation ist bereits mehr als kritisch. Es ist vereinzelt noch möglich, Flüchtlinge aus der Ukraine unterzubringen, aber auch hier ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, im Vergleich zu Kriegsbeginn, deutlich gesunken und die restlichen Kapazitäten sind äußerst gering“, so Landrat Fritz Brechtel (CDU). Er ergänzt: „Die Bereitschaft, Asylbegehrende mit anderen Staatsangehörigkeiten aufzunehmen, tendiert gleichzeitig gegen Null. Es ist äußerst schwierig bis unmöglich, zusätzlichen Wohnraum für diese Menschen zu generieren. So haben einzelne Verbandsgemeinden eine Unterbringungskapazität von Null oder nur noch wenigen Plätzen gemeldet.“

Keine Kapazitäten mehr in Kandel und Hagenbach

Anfang Januar meldeten Kandel und Hagenbach, dass sie niemanden mehr unterbringen können. Rülzheim hatte noch Platz für 3 Flüchtlinge, Wörth und Jockgrim für 10. Kaum besser ist die Situation in Bellheim (15 Plätze) und Lingenfeld (16 Plätze). Germersheim kann nur noch Männer aufnehmen, hat aber noch Platz für 30 Ukrainerinnen mit Kindern bis 14 Jahre (ohne Männer) sowie eine 6-köpfige Familie.

Auch die Kreisverwaltung sei bemüht, Unterbringungsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen zu schaffen, so Landrat Brechtel. So wurde die ehemalige Bienwaldschule in Wörth zur vorübergehenden Unterbringung von Geflüchteten mit einer derzeitigen Kapazität von 60 Plätzen ausgebaut. Doch der Landrat schränkt ein: „Diese Räume sind nur zum vorübergehenden und nicht zum langfristigen Aufenthalt geeignet, so dass sie nur kurzfristig für Entspannung sorgen können und die Beschaffung von Wohnraum durch die kreisangehörigen Kommunen nicht überflüssig machen.“ Zudem werde geprüft, ob es Flächen zur Aufstellung von Wohncontainern gibt. Allerdings sei die Beschaffung von Wohncontainern derzeit sehr schwierig und kurzfristig keine Lösung.

Mehr aufgenommen als im Jahr 2015

2022 habe der Landkreis Germersheim bereits mehr Geflüchtete aufgenommen als in den Jahren 2015/2016 während der sogenannten „Flüchtlingskrise“. 2015 wurden dem Landkreis 1144 Menschen, 2016 weitere 666 Menschen zugewiesen. 2022 wurden dem Landkreis zwar nur 239 Menschen zugewiesen, es wurden jedoch mehr als 1000 Geflüchtete aus der Ukraine zusätzlich aufgenommen, so dass die Zahl der Aufgenommenen nun höher ist als im „Krisenjahr“ 2015.

Nun sei unabhängig vom Kriegsverlauf in der Ukraine und eines daraus möglicherweise resultierenden Flüchtlingsstromes mit einer steigenden Zahl von Geflüchteten aus anderen Staaten zu rechnen, so Brechtel in einem Schreiben an Bund und Land. Dabei bezieht er sich auf die Aussagen des Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, der im Dezember darüber informierte, dass im ersten Halbjahr 2023 rund 10.000 Asylbegehrende nach Rheinland-Pfalz kommen werden. „Davon hätte der Landkreis Germersheim 3,2 Prozent, also 320 Personen aufzunehmen und unterzubringen“, sagt Brechtel.

An Bund und Land appelliert

Der Landrat appelliert vor diesem Hintergrund an Bund und Land: „Ich bin mir sicher, dass unser gemeinsames humanitäres Ziel die menschenwürdige Unterbringung der geflüchteten Menschen ist. Der Landkreis Germersheim ist jedoch bereits im Bereich der Kapazitätsgrenze der Aufnahmemöglichkeiten angekommen. Ich bitte Sie deshalb dringend, alle auf Bundes- und Landesebene vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten auszuschöpfen und sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene neue Unterbringungskapazitäten zu schaffen, um die kommunale Ebene zu entlasten. Zudem rege ich die Übernahme der finanziellen Aufwendungen der Kommunen für die Schaffung von Unterbringungskapazitäten zur Aufnahme von Geflüchteten durch Bund bzw. Bundesländer an“, schreibt Landrat Brechtel an Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsidentin Dreyer.

Über seinen Ruf nach Unterstützung durch Bund und Land hinaus, schließt sich Brechtel den Forderungen zahlreicher Kolleginnen und Kollegen an und schreibt: „Tragen Sie bitte außerdem Sorge für (…) eine Lösung auf europäischer Ebene (…). Eine gleichmäßige und gerechte Aufteilung der Geflüchteten in den Staaten der Europäischen Union muss das Ziel sein. Bestehende Regelung wie die Dublin III-Verordnung müssen verlässlich umgesetzt werden: Geflüchtete, die in sicheren Drittstaaten in die EU einreisen, dürfen nicht nur in Deutschland und wenigen weiteren Staaten Schutz finden.“ Auch solle das Sozialleistungsniveau europaweit angeglichen werden und vergleichbar sein. „Denn“, so Brechtel, „die soziale Unterstützung darf in Deutschland nicht wesentlich höher als in anderen europäischen Staaten sein, damit nicht Deutschland als alleiniger Zielstaat für Geflüchtete attraktiv ist. Das derzeitige Zuwanderungsgeschehen in Deutschland ist nach unserem Eindruck leider ein Nährboden für extreme politische Strömungen. Bitte sorgen Sie für einen gerechten Verteilschlüssel sowohl auf europäischer Ebene als auch für alle Bundesländer. Das ist aus meiner Sicht auch im Sinne der Geflüchteten das gerechteste und humanitärste Verfahren.“

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