Wörth / Karlsruhe Rhein: Wenn Schiffe auf die Brücke prallen

Nach dem Aufprall gesunken: Die MS „Orinoko“ hängt im Sommer 1987 an der früheren Eisenbahnbrücke zwischen Wörth und Karlsruhe.
Nach dem Aufprall gesunken: Die MS »Orinoko« hängt im Sommer 1987 an der früheren Eisenbahnbrücke zwischen Wörth und Karlsruhe.

Fast jährlich bleiben Schiffe an der Rheinbrücke Wörth/Karlsruhe hängen. Die Eisenbahnbrücke ist 1987 beinahe eingestürzt. Wie groß ist das Risiko bei der Straßenbrücke?

Mehrere Tote, eine auf unabsehbare Zeit blockiert Schifffahrtsstraße: Das Unglück in Baltimore lenkt den Blick auf die Brücken über den Rhein. Bei Wörth drohte 1987 die Eisenbahnbrücke nach einem Schiffsaufprall einzustürzen.

Nebel zog auf, als am 9. Juni 1987 gegen 6.45 Uhr ein Schubverband die Rheinbrücken bei Maximiliansau passieren wollte. Der Verband bestand aus dem 1595 Tonnen großen Motorschiff Orinoko (86 Meter lang, 11 Meter breit) und dem 2193 Tonnen großen Motorschubleichter Pavo (86,5 Meter lang, 11,2 Meter breit). Die mit Kies beladenen und aneinander gekoppelten Schiffe verfehlten die etwa 50 Meter breite Brückenöffnung für die Talfahrt.

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Kommentar

Rheinbrücke: Pendler können nicht ausweichen

Gegen Pfeiler gestoßen

Dabei stieß die Orinoko gegen den Pfeiler 2 der Brücke, drehte sich quer im Fahrwasser und legte sich vor die Talfahrtsöffnung der Brücke, fasste ein Gericht später der Ablauf zusammen. Die Pavo geriet mit etwa halber Schiffslänge in die Bergfahrtöffnung der Brücke. Beide Schiffe sanken, wodurch der Rhein aufgestaut und die Schifffahrt in beiden Richtungen versperrt wurde.

Die „Orinoko“ hängt am Brückenpfeiler. Auf der Straßenbrücke beobachten Schaulustige das Geschehen.
Die »Orinoko« hängt am Brückenpfeiler. Auf der Straßenbrücke beobachten Schaulustige das Geschehen.

Wegen der Gefahr eines Brückeneinsturzes wurde auch der Eisenbahnverkehr eingestellt: Ein Brückenpfeiler war in Folge der geänderten Strömungsverhältnisse unterspült und hing frei im Wasser. Hätte ein Zug kurz nach dem Unglück versucht, über die Brücke zu fahren, wäre das Provisorium aus der unmittelbaren Nachkriegszeit möglicherweise eingestürzt.

Bergung kostet 2 Millionen Mark

Die „Orinoko“ lag direkt am Brückenpfeiler und versank teilweise, die seitlich angekoppelte „Pavo“ versank vollständig; im Rhein
Die »Orinoko« lag direkt am Brückenpfeiler und versank teilweise, die seitlich angekoppelte »Pavo« versank vollständig; im Rhein herrschte Hochwasser. Blick vom rechten Ufer bei Maxau auf die Bergungsarbeiten.

Die Folgen waren auch so beträchtlich: Die Schifffahrt auf dem Rhein war bis zur Bergung am 22. Juni eingestellt, die Bergung kostete über 2 Millionen Mark. Beide Schiffe waren ein Totalverlust, die Orinoko musste sogar im Fluss auseinander gesägt werden. Für den Fall, dass die Bahn die Brücke hätte nicht weiter nutzen können, standen Schadensersatzforderungen in Höhe von 100 Millionen Mark als Möglichkeit im Raum.

Die „Orinoko“ wird geborgen: Allerdings in Teilen, sie musste vorher auseinandergesägt werden.
Die »Orinoko« wird geborgen: Allerdings in Teilen, sie musste vorher auseinandergesägt werden.

Die Züge konnten dann aber weiter fahren, aber die Zeit war reif für einen Neubau. Die beschädigte Brücke, die ursprünglich auch die Straße trug, sollte beim Bau 1947 etwa 20 Jahre halten. Die neue, jetzige Straßenbrücke wurde auch rechtzeitig, nämlich 1966 eingeweiht. Mit der Eisenbahnbrücke ging es nach der verheerenden Havarie recht schnell: Vier Jahre später, 1991, war die jetzige Brücke fertig.

Könnte die Straßenbrücke getroffen werden?

Könnte auch der Pfeiler der Straßenbrücke von einem Schiff derart schwer getroffen werden? Das ist eher unwahrscheinlich, so das Regierungspräsidium Karlsruhe auf Anfrage der RHEINPFALZ. Es ist für diese Rheinquerung allein verantwortlich. Die Wahrscheinlichkeit eines Anpralls am Pfeiler der B-10-Straßenbrücke sei gering, da der Pfeiler außerhalb der Schifffahrtsrinne steht, auf der die großen Schiffe verkehren, so eine Sprecherin.

Blick flussabwärts auf die alte Eisenbahnbrücke und Straßenbrücke. Die „Orinoko“ hängt am 2. Pfeiler von links.
Blick flussabwärts auf die alte Eisenbahnbrücke und Straßenbrücke. Die »Orinoko« hängt am 2. Pfeiler von links.

Außerdem: „Falls ein bergabfahrendes Schiff manövrierunfähig wäre und Richtung Pfeiler treiben sollte, würde es zunächst mit dem auf gleicher Höhe stehenden Pfeiler der Bahnbrücke kollidieren“, argumentiert das Regierungspräsidium: „Sofern es wegen des Tiefgangs außerhalb der Schifffahrtsrinne nicht vorher auf Grund läuft.“

Zuletzt ist das Mitte Dezember 2017 passiert. Bei Au am Rhein (Landkreis Rastatt) kollidierten ein Gütermotorschiff und ein Schubverband. Darauf trieb ein Teil des Schubverbands führerlos den Rhein hinunter und konnte erst kurz vor der Rheinbrücke gestoppt werden.

Das Bugteil der „Orinoko“ wurde nach der Bergung auf einen Ponton gelegt.
Das Bugteil der »Orinoko« wurde nach der Bergung auf einen Ponton gelegt.

„Bergfahrende Schiffe, die einen Technikausfall haben, kämen dagegen aufgrund der Strömung sofort zum Stillstand beziehungsweise würden von der Brücke weg abgetrieben werden“, so das Regierungspräsidium weiter. Aber auch Kapitäne, die gegen die Strömung fahren, sind nicht gefeit vor Fehleinschätzungen betreffend die Höhe ihres Schiffes relativ zu einer Brücke. Denn wie weit ein Schiff nach oben ragt, hängt von Wasserstand und Ladung ab. Irrtümer sind da gar nicht so selten.

Der Bau der neuen Eisenbahnbrücke 1991 (links). Sie war anfangs noch eingleisig.
Der Bau der neuen Eisenbahnbrücke 1991 (links). Sie war anfangs noch eingleisig.

„Schiffsberührungen ohne größere Schäden gibt es an der Rheinbrücke Maxau fast jährlich“, so die Sprecherin des Regierungspräsidiums: „In den meisten Fällen handelt es sich um Antennenausleger oder Fahnenmasten auf den Schiffen, die an der Unterseite des Überbaus entlangschrammen und Kratzspuren hinterlassen.“

Drei Schiffe prallen an die Brücke

Aber manchmal sind die Schäden auch größer. „Schwerere Schiffsanprallsituationen am Brückenüberbau gab es in jüngere Vergangenheit hingegen dreimal“, so die Bilanz des Regierungspräsidiums. In zwei Fällen wurde der Anprall durch überhöhte Ladung der Schiffe beziehungsweise der Schubverbände verursacht.

Im Sommer 2023 bleibt ein Schubverband an der Brücke hängen – ausgerechnet mit Brückenteilen aus Stahl.
Im Sommer 2023 bleibt ein Schubverband an der Brücke hängen – ausgerechnet mit Brückenteilen aus Stahl.

Das letzte Mal war das im Sommer 2023 der Fall: Ein niederländischer Schubverband blieb mit seiner Ladung an der Straßenbrücke hängen: ausgerechnet Brückenteile aus Stahl, die im Elsass gefertigt wurden.

Anfang 2022 blieb ein niederländisches Containerschiff mit der oberen Lage der Container am unteren Rand der Straßenbrücke hängen.

Baggerschiff bleibt hängen

Im dritten Fall handelte es sich um eine Kollision mit einem Baggerschiff Mitte November 2010, das seine seitlichen Stützen nicht ausreichend eingefahren hatte, sodass diese zu weit nach oben über das Schiff hinausragten.

Die Schäden, die durch diese drei Havarien verursacht wurden, waren laut Regierungspräsidium erheblich: „Die Reparaturkosten an der Brücke lagen jeweils im sechsstelligen Bereich.“ Zahlen musste jeweils der Verursacher, so die Sprecherin.

Die Standsicherheit der Straßenbrücke war bei allen drei Havarien zu keinem Zeitpunkt gefährdet, so das Regierungspräsidium. Allerdings wurden bis zur abschließenden Beurteilung der Situationen jeweils präventiv verkehrssichernde Maßnahmen im Bereich der B10 angeordnet. Beim letzten Unfall im Jahr 2023 hatte sich ein Schubverband unter der Brücke festgefahren, sodass auch der Schiffsverkehr zeitweise eingestellt werden musste.

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