Weinqualität Woran man einen guten Wein erkennt

Professioneller Sachverständiger für die Qualität von Weinen: Kirk Bauer aus Deidesheim.
Professioneller Sachverständiger für die Qualität von Weinen: Kirk Bauer aus Deidesheim.

Was ist ein guter Wein? Darüber wird viel diskutiert. Gibt es objektive Maßstäbe, um das konkret beurteilen zu können? Bekanntlich sind die Geschmäcker ja verschieden. Diplom- Oenologe Kirk Bauer hat ein Bewertungsschema entwickelt.

Kirk Bauer verliert keinesfalls den Überblick, obwohl unzählige Weingläser und Flaschen an seinem Arbeitsplatz stehen. Der gebürtige Saarländer hat es beruflich mit Wein zu tun. Sein Rat und seine fachliche Kompetenz sind im In- und Ausland gefragt. Selbst bei Streitigkeiten vor Gericht kommt es mitunter auf seine Begutachtung an. Der Wahl-Pfälzer lebt seit zwölf Jahren in Deidesheim und ist derzeit der einzige von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Rheinland-Pfalz bestellte Sachverständige für die Beurteilung und Echtheitsprüfungen von Wein. Ein Novum.

Wein ist seit fast drei Jahrzehnten seine Welt. Im Mittelpunkt steht bei ihm stets die Frage: „Woran erkennt man guten Wein?“. Bauer hat hierfür eine klare und vor allem strukturierte Vorgehensweise entwickelt. Und diese ist keinesfalls hochkompliziert, sondern selbst für den Laien leicht verständlich: Er listet „hard-facts“ und daneben „soft- facts“ . Zu den „hard-facts“ gehören Eigenschaften wie „still“ oder „prickelnd“, Farbe (weiß, rot, rosé), Rebsorte, Qualitätsstufe, Ausbaumethoden, analytische Daten, Erzeuger, Preisklasse, Aufmachung, Design, Bewertungen und mehr. Die auf weiche Faktoren wie Anlass/Gelegenheit (mit und ohne Essen), Ort, Gesellschaft, Jahreszeit, Temperatur, Stimmung/Emotionen, Glas, Gefühl, Erwartung/Anspruch, Erfahrung und Image treffen.

Zur Person

Kirk Bauer aus Deidesheim

Technisch fehlerhafte Weine selten

Bauer probiert gerade einen Wein. Der Jahrgang, die Sorte und das Weingut sind ihm nicht bekannt. Es sind verdeckte Proben, ein Muss für den Sachverständigen, um Neutralität und Objektivität zu wahren. Die Tropfen überzeugen durch eine moderate Säure, die Aromen Birne und etwas Quitte sorgen für eine exotische Note. Fehler sind nicht festzustellen.

Bauers Ansicht nach sind schwache Weine mit technischen Mängeln glücklicherweise nur noch selten zu finden. Das hat Gründe: „Die Technologie und die Ausbildung sind in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Geschätzt sind nur noch zwei bis fünf Prozent der Weine fehlerhaft“, erklärt Bauer. Gemeint sind Fehler wie Kork, Böckser oder Oxidation. „Und das kommt immer seltener vor“, so Bauer.

Mit richtigen Tropfen einen Treffer landen

Bauer hat einen Grauburgunder im Glas. Dieser sorgt im Zusammenspiel der zuvor beschriebenen harten und weichen Eigenschaften für einen guten Trinkfluss. Man bekommt Lust auf mehr. Das will auch ein Sommeliers erreichen, der zur Speisenauswahl des Gastes in Abstimmung mit Vorlieben und Anlass den passenden Wein empfehlen will, um somit beim Genießer einen Treffer zu landen. „Dort, wo die weichen Faktoren und die harten Faktoren im entsprechenden Augenblick alle perfekt zusammentreffen, entsteht eine sogenannte perfekte Übereinstimmung – eben ein Match, und alles passt“, sagt Bauer.

Ein Indiz für einen guten Wein sei auch, einen Schluck zu nehmen und dabei das Bedürfnis nach mehr zu spüren, erzählt Bauer. „Das kann in einer Frühlingsstimmung beim Anstoßen mit dem Partner mit einem zarten Rosé-Secco, der gar nicht mal teuer sein muss, während man den Blick über den See schweifen lässt, genauso eintreten wie beim Genuss von einem typischen Silvaner oder einem rassigen Riesling zum ersten Pfälzer Spargel oder beim Nippen an einem runden, vollmundigen Rotwein mit einem guten Buch am kalten Winterabend vorm Kaminfeuer“, so Bauer. „Bei einer perfekten Übereinstimmung ist der Genussmoment großartig. Ein Match.“

„Je-leerer-die-Flasche-Test“ zur Weinbewertung

Für ihn ist der „JLF“-Test – JFL stehe für „je leerer die Flasche“ – eine sehr gute Methode zum Herausfiltern von guten Weinen. Stelle man Weine gleicher Sorte von verschiedenen Erzeugern (idealerweise verdeckt) zum Essen auf den Tisch, erkenne man im Nachgang die guten Weine am verbliebenen Rest in der Flasche. Je weniger drin verbleibe, desto besser. Eine leere Flasche wäre in diesem Fall für Bauer der Volltreffer.

Für gute Weine kann nach Meinung des Oenologen unter anderem auch ein gelungener Holzeinsatz sorgen. Holzfässer sind für ihn die Maßanzüge für die Weine, die darin reifen. „Wenn alles passt, können im Holzfass gereifte Weine für Treffer beim Genießer sorgen“, erklärt Bauer. Dann wird er konkreter: „Nach meinem Kenntnisstand gibt es keinen einzigen trockenen Rotwein in der internationalen Spitzenklasse, der gänzlich ohne Holz auskommt“.

Gute Weine zum guten Preis

Dabei gelte, dass gute Weine nicht unbedingt teuer sein müssten. Er nennt einen Vergleich aus der Schmuckbranche: „Guten Schmuck erkennt man daran, wenn Dir jemand sagt, dass er Dir gut steht. Dann ist es nachrangig, ob es sich dabei um günstigen Modeschmuck oder um ein exklusives Einzelstück handelt.“

Dass Exklusivität und Preis nicht unbedingt entscheidend für die individuelle Bewertung sind, macht seinen Job nicht leichter. „Weine zu bewerten kann manchmal sehr mühselig sein“, erinnert sich der Diplom-Ingenieur für Weinbau und Getränketechnologie augenzwinkernd an seinen Einsatz im Keller eines Münchener Weinsammlers, wo infolge eines Wasserrohrbruchs etliche exklusive Raritäten zu Schaden kamen. Ein namhafter Versicherungskonzern hatte um Bauers Rat gefragt und im Zuge der Schadensregulierung eine fundierte Begutachtung beauftragt. „Das ist tagelange, echte Detailarbeit“, erinnert er sich. Aber es sei auch spannend zu sehen, welche Weine sich in den Kellern von Privatleuten befänden. Da bekommt selbst er, der weltweit in der Weinberatung unterwegs und auch eine Agentur in Australien betreibt, noch funkelnde Augen.

Experte mit großem Erfahrungsschatz

Bauer verkostet jährlich auf nationalen und internationalen Prämierungen die eingereichten Weine verschiedener Herkünfte, Qualitäten und Ausprägungen. Er war einst Projektleiter von Mundus Vini, der renommierten Prämierung des Meininger Verlags in Neustadt, dessen Vorstand er inzwischen auch ist. Für seine öffentliche Bestellung und Vereidigung durch die IHK als Sachverständiger im Bereich Wein musste er seine besondere Fachkunde sowie die persönliche Eignung vor einem Expertengremium nachweisen. Inzwischen ist diese für drei Jahre geltende Bestellung nach vorausgegangenen Prüfungen bereits zum dritten Mal verlängert worden. Und er hat Lust, diese Aufgabe auch weiterzuführen.

Seine wichtigste Erkenntnis bringt er wie folgt auf den Punkt: „Einen guten Wein erkennt man daran, dass er perfekt zur Gelegenheit passt. Dann ist es ein Treffer“.

x