Kaiserslautern Zu Besuch bei den „Doch“-Sagern

Dascha Dobrovolskij (rechts) erklärt den RHEINPFALZ-Lesern, wie ein Computer lernt und anschließend selbstständig Fehler an Ober
Dascha Dobrovolskij (rechts) erklärt den RHEINPFALZ-Lesern, wie ein Computer lernt und anschließend selbstständig Fehler an Oberflächen erkennen kann.

Ausgebucht war die vorletzte Sommertour, die am gestrigen Mittwoch die Besucher in die Welt der angewandten Forschung mitnahm. Wie kann man beispielsweise sicherstellen, dass Filterstoffe, Möbeloberflächen oder Zahnräder mit makellosen Oberflächen produziert werden? Im Bildverarbeitungslabor des Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM), eines der 72 Institute von Europas größter Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung, wurden die Besucher mit den Details der Verfahren bekannt gemacht. Die herausragende Architektur war ebenfalls Thema.

Im großen lichtdurchfluteten Eingangsbereich erwartete Ilka Blauth, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, die Besucher an diesem heißen Sommervormittag. Da kam eine Einführung per Film, begleitet von Erfrischungen, in einem schattigen Seminarraum gerade recht. Der Film zeigte, wie breit das Spektrum der Anwendungsbereiche ist, mit denen sich rund 25.000 Mitarbeiter an den 72 Fraunhofer-Instituten beschäftigen. Ob fast fettfreie Wurst, Sehprothesen oder leistungsfähigere Solarzellen, die Devise der 1949 gegründeten Fraunhofer-Gesellschaft ist, die Zukunft der Menschen durch Innovation zu sichern. „Geht doch“ – so das humorvolle Motto des Films. Auf der Galerie des Hörsaals erfuhren die Besucher von Blauth Näheres über das Kaiserslauterer ITWM. 305 Mitarbeiter sind hier aktuell beschäftigt. Helmut Neunzert, Professor für Mathematik an der Technischen Universität Kaiserslautern, war es 1995 gelungen, mit seiner stetig wachsenden Arbeitsgruppe für Technomathematik ein Landesinstitut zu gründen. Seit 2001 gehört das ITWM zur Fraunhofer-Gesellschaft, 2006 wurde das moderne Gebäude an der Trippstadter Straße bezogen. Dass das Institut neben Hörsaal, Seminarraum und Kantine auch eine Kindertagesstätte betreibt, sei ein Alleinstellungsmerkmal, so Blauth, und auch der Tatsache geschuldet, dass man mehr Frauen als Mitarbeiter gewinnen will. Zahlreiche Ausgründungen habe es vom ITWM schon gegeben, beispielsweise die Firma Math2Market, die einen digitalen Materialsimulator vertreibt, mit dem man unter anderem Filter verbessern kann. Was schon von außen auffällt, sind die drei großen Innenhöfe – die Atrien – in denen zahlreiche große tropische Pflanzen gedeihen und Windspiele den Blick fesseln. Die Treppen und Flure sind breit angelegt und bieten mit vielen Sitzecken, den Besprechungsinseln, Gelegenheit zum Gespräch. „Denn Wissenschaft braucht Kommunikation“, so Blauth. Ein spezielles Lüftungskonzept, ein Schlauchsystem mit einem Wärmeaustauscher, versorgt die Büros mit Abwärme der Rechner und frischer Luft. Eine Klimaanlage braucht das Gebäude nicht. Kunden aus vielen Branchen hat das ITWM, beispielsweise aus Energietechnik, Autoindustrie oder Anlagenbau. Im dritten Atrium kann man den „Rodos“ bewundern: ein interaktiver Fahrzeugsimulator für Fahrzeugkabinen von Auto, Traktor und Bagger, der für bis zu 1000 Kilo Nutzlast ausgelegt ist. Die Kuppel von „Rodos“ misst stattliche zehn Meter im Durchmesser und erinnert in ihrer rötlichen Färbung an den Planeten Mars. Im Bildverarbeitungslabor erklärt Annika Schwarz, Physiklaborantin, wie Kratzer, Kerben oder Blasen, also Fehler, in Oberflächen so auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden können, dass ein Algorithmus zur Erfassung entwickelt werden kann. Die Besucher zeigen sich beeindruckt und fragen gerne nach. Am Beispiel einer gesprenkelten Deckenplatte erklärt Dascha Dobrovolskij, wissenschaftliche Mitarbeiterin, wie der Computer lernt, wie das Muster richtig aussehen soll. Auch bei einem Zahnrad kann der Roboter mit der Kamera Macken oder Kratzer erfassen. Virtuell berechnet der Computer den erfassten Fehler. Das Herzstück des Instituts, die Serverräume, zeigt Mirko Spell, IT-Mitarbeiter. Durch die Glasscheibe sind die raumhohen Schränke zu sehen. „Wissenschaftliche Anwendungen brauchen viel Rechnerleistung“, begründet Spell die Größe der Anlage. „Wir haben den Anspruch, die Berechnungen so zu optimieren, dass möglichst wenig Rechenleistung gebraucht wird. Das ist eine unserer Kernstärken.“ Im Keller liegt das Nervenzentrum des Instituts, die Virtualisierungsplattform und der zentrale Speicherplatz. Hier läuft die Netzwerkverkabelung zusammen, in armdicken Bündeln. Im Keller findet sich auch die unterbrechungsfreie Stromversorgung – eine Art Batterie, die bei einem Stromausfall einspringt. Zurück im Seminarraum haben die Gäste noch Zeit für Fragen und langen gern noch einmal bei den Erfrischungen zu. Applaus zum Abschluss.

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