Kaiserslautern Packende Eindringlichkeit

Kihoon Han als Tod (links) und Tae Hwan Yun als Harlekin auf der Werkstattbühne.
Kihoon Han als Tod (links) und Tae Hwan Yun als Harlekin auf der Werkstattbühne.

Die beklemmende Atmosphäre in der Werkstattbühne fesselte die Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute des knapp einstündigen Werkes: Viktor Ullmanns Kammeroper „Der Kaiser von Atlantis“ in der Regie von Hansgünther Heyme konnte am Samstag durch ihre packende Eindringlichkeit szenisch wie musikalisch überzeugen.

Die Bühne ist denkbar einfach: Ein Podest mit einer zu einer Fratze verfremdeten Hakenkreuzfahne vor rotem Hintergrund ist Thron und Kommandozentrale zugleich, hier residiert Kaiser Overall. Ke An porträtiert den überfordert wirkenden Potentaten mit voluminösem, wandelbarem Bariton schablonenhaft, wie eine Marionette, die nur noch reagieren kann, aber längst die Kontrolle verloren hat. Seine Befehle verkünden der Lautsprecher (Bartolomeo Stasch) und der Trommler (Rosario Chavez). Charaktere gibt es in dieser Kammeroper nicht, nur verfremdet agierende Funktionsträger, die eine Parabel über eine verkehrte Welt zum Leben erwecken. Alle haben ihre eigentliche Funktion verloren: Über Harlekin (Tae Hwan Yun) mag niemand mehr lachen und der Tod (Kihoon Han) fühlt sich angesichts des Massensterbens in einem totalen Krieg aller gegen alle, durch den angeblich das Böse ausgerottet werden soll, verhöhnt. Er zerbricht sein Schwert, so dass die Menschen von jetzt an nicht mehr sterben können. Die Allmachtsphantasien des Herrschers können die jetzt ausbrechende Anarchie nicht mehr stoppen. Denn auch die Soldaten können sich nicht mehr töten – und verlieben sich sogar ineinander, wie Bubikopf (Seunghee Kho) und der Soldat (Tae Hwan Yun). Jetzt sind sogar private Momente einer ruhigen, selbstvergessenen Idylle inmitten all des Irrsinns wieder möglich, zart und lyrisch blüht der Sopran von Seunghee Kho in einer elegischen Melodie auf, weich antwortet der Tenor von Tae Hwan Yun, bevor die Musik abrupt in einen Tanz mit zackig-abgehackten Rhythmen umschlägt, in dem sie die Führung übernimmt – ein Totentanz zurück ins Leben. Erst ein Pakt des Kaisers mit dem Tod kann die natürliche Ordnung in dieser aus den Fugen geratenen Welt wieder herstellen: Wenn der Machthaber bereit ist, als erster zu sterben, nimmt der Tod seinen Dienst wieder auf. Der Episodencharakter des Werkes im Stil von Bertolt Brecht spiegelt sich auch in der musikalischen Struktur wider. Faszinierend ist dabei, wie Viktor Ullmann die Stilzitate seiner Musik zu einem neuen homogenen Ganzen werden lässt. Revuehafte Nummern, romantische Anklänge, abgehackte Rhythmen à la Strawinsky und atonale Passagen verschmelzen. Und Dirigent Uwe Sandner meistert die Herausforderung, diese Einheit in der Aufführung herzustellen – zusammen mit dem Orchester des Pfalztheaters – souverän. Musikalisch wie szenisch reißt die Spannung nie ab, Szene und Musik greifen organisch ineinander in dieser mitreißenden Interpretation, einer Koproduktion mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und dem Verein „Ludwigshafen setzt Stolpersteine“.

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