Frankenthal „Das hat nichts mit Schaufensterpolitik zu tun“

Der Frankenthaler CDU-Landtagsabgeordnete Christian Baldauf war als einer von 1200 Wahlmännern und -frauen am Sonntag Mitglied der Bundesversammlung. Im Vorfeld hatte er angekündigt, dem von einer breiten Mehrheit getragenen Kandidaten, Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), seine Stimme zu verweigern. im RHEINPFALZ-Interview rechtfertigt Baldauf diese Entscheidung mit seinem Anspruch an das höchste Amt im Staat.

Was halten Sie denn von Schaufensterpolitik?

Nicht viel. Wie darf ich vor diesem Hintergrund Ihre demonstrative Weigerung verstehen, die Kandidatur von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidenten zu unterstützen? Die 1200 Wahlfrauen und -männer treffen – jeder für sich – eine eigene, selbstständige Entscheidung, ansonsten brauchen wir dort nicht abzustimmen, oder? Alleine zur Produktion von Selfies mit Kerkeling, Kebekus, Löw und anderen brauche ich nicht nach Berlin zu fahren. Ich habe meine Entscheidung aus Überzeugung so getroffen. Das hat nichts mit Schaufensterpolitik zu tun. Bei allen Stärken Steinmeiers für andere Positionen halte ich ihn persönlich für das Präsidentenamt für ungeeignet. Sie nennen als Hauptgrund Steinmeiers Verhalten im Fall Murat Kurnaz, der ohne Grund im US-Gefangenenlager Guantánamo als Terrorverdächtiger festgehalten wurde. Das ist einer der Gründe. Als herauskam, dass Kurnaz rechtswidrig in Guantánamo inhaftiert war und Steinmeier nichts tat, hätte ich schon danach erwartet, dass er dann seinen Fehler eingestanden und sich dafür entschuldigt hätte. Nur zu sagen „Ich würde mich heute nicht anders entscheiden“, reicht mir nicht, ich finde das charakterschwach. Dafür hätten Sie ihn schon als Minister kritisieren können. Gelten für das Amt des Bundespräsidenten andere Ansprüche an Moral und Integrität der Kandidaten als für Minister. Ich sehe diesen Unterschied nicht … Minister sind in ihrem jeweiligen Ressort verantwortlich, politische Lösungen zu entwickeln. Natürlich haben mir da auch schon Dinge nicht an ihm gefallen, dazu gab es aber keine Wahlgänge. Der Bundespräsident soll für mich ein Vordenker für Staat und Demokratie sein und auch als moralische Instanz gewählt werden – wie beispielsweise Richard von Weizsäcker oder Roman Herzog eine waren. Dies traue ich Herrn Steinmeier so für dieses Amt nicht zu. Im Übrigen glaube ich, sind wir in der Vergangenheit gut mit Präsidenten gefahren, die von Hause aus keine Politiker waren – siehe: Roman Herzog, Horst Köhler oder zuletzt auch Joachim Gauck. Wie haben Ihre politischen Weggefährten auf die Entscheidung reagiert, sich nicht der Parteiraison zu unterwerfen? Jeder, den ich getroffen und gesprochen habe, hat mir meine Meinung zugebilligt. Es war und ist eine persönliche Entscheidung mit persönlichen Gründen, warum ich ihn für das Präsidentenamt für ungeeignet halte. Es ist ja nicht so, dass ich ihm alle anderen Qualitäten oder Positionen abspreche. Mein Anspruch an das höchste Amt im Staat ist eben ein anderer. In der gesamten Diskussion schwingt mit, dass die CDU ja offenbar keinen mehrheitsfähigen Kandidaten in petto hatte. Ein schwaches Bild für die stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag, oder? Ich weiß darüber, wie es zu dieser Personalie kam, zu wenig. Ich hätte mir mit vielen anderen zusammen gewünscht, dass Gauck eine zweite Amtszeit macht. Wenn ich es mir persönlich hätte aussuchen können, dann wäre mein Kandidat Bundestagspräsident Norbert Lammert oder jemand Qualifiziertes aus dem gesellschaftlichen Leben gewesen. Ein abtrünniger CDU-Kommunalpolitiker, der Vater eines Satirikers und ein TV-Richter als Kandidaten, Promis als Wahlfrauen und –männer – ist die Kür des Bundespräsidenten inzwischen ein Zirkus, der dem Amt nicht mehr gerecht wird? Wir reden hier von einer überwiegend repräsentativen Funktion des Präsidenten. Ich war schon bei mehreren Bundesversammlungen dabei, bei denen die Wahl eines Kandidaten eigentlich vorher festgestanden hat. Das muss man überdenken, denn die Deutschen müssen sich doch mehrheitlich gut repräsentiert fühlen. Ich fände es deshalb gut und mutig, die Bevölkerung an dieser Entscheidung stärker zu beteiligen. | Interview: Jörg Schmihing

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