Donnersbergkreis Winnweiler: Speed-Dating mit Landrats-Kandidaten

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Die RHEINPFALZ hat zum „Speed-Dating“ geladen: Die drei Landrats-Kandidaten stellen sich den Fragen von 26 Zwölftklässlern des Wilhelm-Erb-Gymnasiums in Winnweiler. Für die Beantwortung bleiben ihnen jeweils nur zwei Minuten. Ein Experiment.

Winnweiler. Tick-tack, tick-tack. Erbarmungslos zählt die Digitalanzeige der Stoppuhr herunter. Exakt 120 Sekunden bleiben den Landrats-Kandidaten, um die Frage jeweils eines Schülers zu beantworten. Dann wird der Platz gewechselt – ein „Speed-Dating“, wie man es sonst nur von Single-Treffs kennt. Aufregung herrscht dabei sichtbar auf beiden Seiten des Tisches. Angespannter sind allerdings ganz offensichtlich die drei Kandidaten Michael Cullmann (SPD), Rainer Guth (parteilos, nominiert von CDU und FWG) und Joachim Bayer (unabhängig). Unbekanntes Terrain für die zwei Politiker und den „Ich-bin-Techniker-kein-Politiker“ Bayer. „Mein letztes Date ist zwar 17 Jahre her, als ich meine Frau kennengelernt habe, aber ich bin trotzdem sehr gespannt“, sagt Guth lachend kurz vor dem ersten Glockenläuten. Und auch sein Konkurrent Cullmann gibt zu: „Ich bin aufgeregter als vorm Neujahrsempfang der Verbandsgemeinde, wo ich vor 200 Leuten reden musste.“ Die Schüler genießen indes sichtbar, heute „Chefs im Ring“ zu sein. Sie geben die Fragen vor, die sie aus drei Schwerpunkten selbst entwickelt haben – ohne Vorgaben der Lehrer oder der RHEINPFALZ. Und die Fragen haben es in sich: „Wie sehen Sie die Zukunft des Kreises im Zuge der Kommunalreform?“ – „Haben Sie Angst vor einer ,Überfremdung’ Deutschlands?“ – „Trump oder Putin?“ Wenig Zeit bleibt zum Drumrum-Reden und zum sonst so üblichen Politiker-Abschweifen. Beide Seiten haben sich offenbar gut vorbereitet: Cullmann, Guth und Bayer präsentieren sich einheitlich leger. Die Krawatte ist heute bei allen wohl bewusst im Schrank geblieben. Man gibt sich volks- beziehungsweise jugendnah. Der eine (Bayer) betont, dass die Jugend die eigene Zukunft sei, der andere (Cullmann) lässt mehrfach einfließen, dass er ja selbst einst Schüler des Wilhelm-Erb-Gymnasiums war, und der Dritte (Guth) bekennt sich auch im persönlichen Gespräch hinterher mit Schulleiter Ralf Schäfer zum Gymnasium als wichtigen Pfeiler der schulischen Ausbildung. Die Schüler beeindruckt das wenig. Denn auch sie haben sich gut auf dieses besondere Zusammentreffen vorbereitet. Nicht nur inhaltlich. Um die anstrengenden 45 Minuten durchzuhalten, liegt Nervennahrung bereit. Gummibärchen und Traubenzucker für die einen, eine Tupperdose mit gesunden Gemüse-Sticks für die anderen. Ein Griff zur Karotte, dann will Jonas Lauterbach auch schon von Michael Cullmann wissen, wieso dessen berufliche Qualifikationen förderlich für das Amt des Landrates wäre, und welche weiteren politischen Ämter er eventuell anstrebe. Da muss Cullmann, der ja auch hauptamtlicher Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rockenhausen ist, kurz Luft holen. Dann gibt er zu: „Ich habe das Amt des Landrates ja nicht angestrebt. Ich wurde gefragt, weil unser ursprünglicher Kandidat erkrankt ist.“ Und nein, ein weiteres Amt werde er nicht anstreben. Einen Tisch weiter muss sich Joachim Bayer in Kreativität versuchen. Welches Tier er wäre? „Ein Hund“, antwortet der 57-Jährige. Doch so einfach lässt sich Yannik Hantke nicht abspeisen. Warum ein Hund, will der Schüler wissen. Bayer spricht wenig überraschend vom „treuen Freund des Menschen“ und wird dann schließlich doch noch persönlich: „Ein Hund hört immer zu, ohne Fragen zu stellen. Ich habe schon viele Gespräche mit meinem Hund geführt. Das kann ich nur jedem empfehlen.“ An Tisch 1 hat sich auch Rainer Guth mittlerweile mit Gummibärchen gestärkt. Die Tasse Kaffee ist bereits leer. „Ich bin kein Parteigänger und auch keiner, der irgendwelche politischen Leitern hochgehen will“, erklärt der Wirtschaftsingenieur. Seine Motivation zur Kandidatur sei unter anderem der Rechtsruck in Europa gewesen: „Ich will mich engagieren, um was zu verändern.“ Bevor weitere Floskeln folgen können, läutet die Glocke schon wieder. In Windeseile wechseln die fragenden Schüler die Tische, dann läuft auch schon der nächste Zwei-Minuten-Countdown. Nach einer Dreiviertelstunde läutet die Glocke zum letzten Mal. Den positiven Eindruck, den dieses besondere Speed-Dating bei allen Beteiligten hinterlassen hat, bestätigt die Verantwortlichen. „Unser Ziel war es, Politik in die Schule zu bringen“, sagt RHEINPFALZ-Lokalchef Sebastian Stollhof. Das sei wunderbar gelungen und sollte von Politikern viel öfter praktiziert werden, attestiert Schulleiter Schäfer. Für die Schüler ist die Arbeit aber noch nicht vorbei. Nach der geheimen Test-Landrats-Wahl, bei der nicht nur alle Erstwähler dabei sein dürfen, die am 7. Mai zum ersten Mal ihr Kreuzchen machen, sondern auch die, bei denen es bis zur Bundestagswahl dauert, geht es ans Auswerten der Protokolle. Das Experiment endet mit drei sehr individuellen Porträts, die die Schüler für die RHEINPFALZ-Blickpunktseite dieser Ausgabe fertigen. 45 Minuten in 90 Zeilen zusammenfassen – dieses „Speed-Dating“ steckte voller unerwarteter Herausforderungen – für Schüler und Kandidaten.

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