Donnersbergkreis Nordpfalz sucht den Super-Josef

Auch in diesem Jahr werden wieder in der kleinen nordpfälzischen Stadt Kinder für das Krippenspiel an Heiligabend sucht. Die Kirchendienerin, der Gemeindepfarrer, die Rektorin der Grundschule und ein Aufruf im Gemeindebrief haben knapp ein Dutzend Jungen und Mädchen zum ersten Treffen im Gemeindehaus animiert. Schnell sind sich alle einig: Es soll wieder eintraditionelles Krippenspiel mit Hirten, Königen, Maria und Josef, Engeln und natürlich dem Kind in der Krippe geben. Die Texte sollten sich reimen, „das erleichtert das Auswendiglernen“, sagte altklug der kleine Sven, der schon im dritten Jahr in Folge dabei ist und wieder einen Hirten spielen will. Schnell einigt sich die muntere Schar auf das Stück vom „kleinen Hirtenjungen“, der den Weg nach Bethlehem sucht und findet. Damit ist der kleine Hirte Hauptperson des Stückes und hat viel Text zu lernen. Schnell ist die Rolle besetzt, und auch die restlichen Personen finden ihr Pendant. Nur für den Josef will sich niemand so recht begeistern. Er hat im Gegensatz zu den Heiligen aus dem Morgenland keine goldene Krone; auch keine ruppige Art und Klamotten aus Fell. Stattdessen sitzt Josef meist stumm neben Ehefrau Maria an der Krippe. Irgendwie sind die anderen Figuren (vermeintlich) wichtiger als er: die Könige, die eine lange Reise auf sich genommen haben, die Wirte, die keinen Platz in der Herberge bieten können, Hirten, denen die Engel die frohe Botschaft überbracht haben. Auch Maria und natürlich das Jesuskind selbst. Sogar Ochs und Esel, die schon beim Propheten Jesaja Erwähnung fanden, stehen irgendwie näher bei der Krippe als dieser Josef, der für seine hochschwangere Frau nicht mal ein geeignetes Quartier für ihre Niederkunft hat finden können. Was also tun? Müsste doch jemand zu finden sein, der die undankbare Rolle übernimmt. Er braucht nicht viel Text zu lernen, kann die meiste Zeit neben seiner Frau im festlich geschmückten Altarraum stehen und die Gemeinde beobachten. Niemand meldet sich – allenthalben ratlose Gesichter. Allein hinter Josef klafft auf der Besetzungsliste an der Gemeindehaus-Tafel ein dickes Fragezeichen. Alle versprechen, sich umzuhören, Freunde und Bekannte zu fragen. Doch es bleibt dabei: Nach zwei Wochen ist die Rolle immer noch vakant. Konfirmanden und Präparanden schützen Verpflichtungen vor – oder sagen direkt, dass ihnen die Rolle zu „uncool“ sei. Ein anderer spricht von privaten Differenzen mit der jungen Dame, die die Maria mimt, und deshalb stehe er keinesfalls zur Verfügung. Erwachsenen Gemeindeglieder werden ebenfalls gefragt. „Er war wohl kein Mensch der vielen Worte, aber einer, der anpacken konnte, er war schließlich Zimmermann“, sagt einer. Ein anderer rühmt Josefs Toleranz und Verständnis. Viele bezeichnen ihn aber als Randfigur der Kirche, mit der sie kaum Kontakt haben. „Er taucht ja noch nicht einmal beim Tod seines eigenen Sohnes auf“, sinniert eine treue Gottesdienstbesucherin. Guter Rat ist teuer. Kaum einer kennt diesen Josef so richtig, und niemand möchte seine Rolle beim Krippenspiel übernehmen. Moment, nein, stimmt auch nicht ganz: Immerhin haben sich Pfarrer und Kantor angeboten. Beide jedoch lehnt „Maria“ als zu alt und zu groß für sie ab. Da bleibt nur der Griff zum allerletzten Strohhalm: Ein Casting muss her: „Kirchengemeinde sucht den Josef.“ Sogar ein kleiner Preis wird ausgelobt. Und siehe: Angelehnt an erfolgreiche Fernseh-Formate, findet ich – ein Mädchen!. Eine junge Dame, die bereitwillig und gern die Rolle übernimmt. Vor lauter Josef-Suche unter (jungen) Männern haben alle das Wesentliche übersehen: Nicht immer muss die traditionelle Rollenverteilung einer Familie Mutter-Vater-Kind lauten. „Genau“, ruft Astrid, die die Rolle des Verkündigungs-Engels übernommen hat. „Hauptsache ist doch, dass alle ihr Kind lieben und ein schönes Geburtstagsfest feiern.“ Dem kann man nur beipflichten – und allen gesegnete Adventszeit sowie einen wunderschönen Gottesdienst an Heiligabend wünschen – egal ob mit oder ohne Krippenspiel ...

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