Donnersbergkreis Das Afrika-Syndrom der Deutschen

In der Serie „Lexikon gegen Bauch“ berichten wir über die Tipps der beiden Rockenhausener Lokalredakteure Rainer Knoll und Lorenz Hofstädter zu den WM-Spielen der deutschen Mannschaften. Knoll wird das Lexikon genannt, da er ALLE WM- und EM-Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft seit 1982 quasi als Mediathek im Kopf abgespeichert hat. Hofstädter dagegen vergisst frühere Ergebnisse (ganz zu schweigen von den Torschützen) eher schnell, setzt daher notgedrungen auf sein Bauch(-gefühl). Heute wird die Begegnung gegen Ghana getippt. Und erklärt, warum die beiden Ex-Fußballer so tippen wie sie tippen. „1982 beim WM-Ufftaktspiel gege Algerie bin ich noch’m 1:1-Ausgleich vum Rummenigge so in de 60er Minudde pinkele gang. Als ich zurück kumm, saat mein Vadder, Algerie führt schunn widder. E Rieseblamaasch domols. Un des, obwohl de Jupp Derwall vorm Spiel gsaat hott, dass er vun Spanje häämlaaft, wann mer gegen Algerie velieren.“ Für mich ist es unverständlich, was sich meinem Kollegen schon als Neunjährigem in seinen Fußball-Kopf eingebrannt hat. Für ihn selbst nicht: „Des war doch fer mich wie en Weltuntergang. Des vegesst mehr doch net.“ Offensichtlich genau so wenig, wie das nächste WM-Spiel der Deutschen gegen eine afrikanische Mannschaft, konkret in Mexiko im Achtelfinale gegen Marokko: „Bei däre Hitzeschlacht hatt sich doch schunn alles uff Velängerung eigestellt, bis de Lodda Matthäus aus gefühlte 50 Meter en direkte Freistoß unne rechts in die Eck gedonnert hat. Des vegesst mer doch net!“ Mmh, jetzt wo er’s sagt, erinner mich wieder dunkel. Aber ob das Tor, das ich da vor meinem inneren Auge wirklich das gegen Marokko war? Ich hab’ da meine berechtigten Zweifel. Das Lexikon schüttelt den Kopf. „Un wie hänn die Deitsche 2002 gegen Kamerun gschpielt, hä, des weescht de doch noch. De Winnie Schäfer war damals denne ehrn Trainer?“ Ja, da war mal was. Aber wie genau. „Wahrscheinlich hämmer gewunn.“ Das Lexikon ist nur bedingt zufrieden mit meiner Antwort. „Ei jo, 2:0. Des war awwer schwerer als es aussieht. In de erscht Halbzeit hat de Ramelow doch die gelb-rot Kart krieht. In de zwätt Halbzeit hott dann de Bode no subber Vorarbeit vum Klose es 1:0, un dann de Klose selbscht es 2:0 gemacht. Des wääß mer doch.“ Hat mich mein Gefühl also doch nicht getäuscht – zumindest was die Tendenz angeht. Das Lexikon will es ganz genau wissen. „Un, was war 2010?“ Er erntet einen ahnungslosen Blick. „Och, des gebt’s doch net. Also des wääß doch werklich jeder. Do hummer gege Ghana gschpielt und mit viel Mieh 1:0 gewunn. De Özil hat aus 16 Meter mit links des Ding owwe in de Winkel gezirkelt.“ Jetzt, wo er’s sagt Aber: Das Lexikon nur auf sein umfangreiches Fußball-Detailwissen zu reduzieren, greift viel zu kurz – er ist auch ein unverbesserlicher Pessimist. Eigentlich wäre er der geborene Redenschreiber für Oppositionspolitiker. Ich kenne jedenfalls keinen, der so viele Fakten aus dem Kopf zusammentragen kann, die allesamt „einfach nur dagegen“ sprechen. Deswegen tippt er auch nur ganz selten auf einen Sieg der Deutschen. So war das ja auch bei seinem 1:1-Tipp gegen Portugal. Hinter diesem Lexikon-Pessimismus steckt System: „Do können mich die Deitsche aach nie enttäusche.“ Ein Zweck-Pessimist sozusagen. Na ja, wenn’s ihn glücklich macht. Da hab’ ich wenigstens bessere Karten bei unserem Tippspiel – wenn die Deutschen so weiterspielen wie bisher. Soll das Lexikon doch ruhig weiterhin schwarz sehen für die Löw-Truppe, ich nehm’ das Essen und die Getränke als Tippgewinn liebend gerne. Das Lexikon kann offensichtlich auch Gedanken lesen. Denn er tippt doch tatsächlich auf einen Sieg für Deutschland: „E hauchdünnes 2:1. Schweren Herzens halt, weil ich jo aach gsieh hab, dass es Deitschland-Spiel minneschtens ä Klass besser war als Ghana-USA.“ Nach meinem Bauchgefühl zu urteilen, wird das deutlicher, ähnlich wie bei meinem 4:1-Tipp gegen Portugal: „Mer gewinnen gegen Ghana 3:0 . Un de Jogi muss mol endlich de Klose eiwechsele – aach wann mer vorne liggen. Der braucht doch Spielpraxis, bevor er als Joker bei me mögliche Rickstand eischlage kann. Also wann de Jogi de Klose diesmol werre net eiwechselt, do zieh ich em grad emol mit seim feine Schälche die Kuddel zu.“ Das Lexikon ist mit seinen Gedanken schon viel weiter. Denn der Zweck-Pessimist hat eine Gesetzmäßigkeit der deutschen Elf ausgemacht, die allen, wirklich jedem, Fußballexperten bislang entgangen ist: „Mer sinn noch nie Weltmeister werr, wann mer gege e afrikanischi Mannschaft gschpielt hänn!“ Seine Worte stimmen nachdenklich. Und ich hab’ plötzlich ein ganz mulmiges Gefühl im Bauch

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