Bad Dürkheim Zäher Kampf um Eigenständigkeit

Es hätte auch anders ausgehen können. Damals, vor fast 50 Jahren, als die von dem jungen Ministerpräsidenten Helmut Kohl (CDU) geführte rheinland-pfälzische Landesregierung eine großangelegte, tiefgreifende Verwaltungsreform ins Werk setzte.

Deren Dimensionen mögen manchen Zeitgenossen nicht weniger grundstürzend erschienen sein als das Durchbürsten des feudalen Flickenteppichs und die Beseitigung der aus dem Mittelalter überkommenen Verwaltungsstrukturen im Gefolge der Expansion des revolutionären Frankreich: Alte Bindungen wurden aufgelöst, Grenzen verschoben, den der Republik einverleibten linksrheinischen Territorien das Raster der französischen Verwaltungsgliederung übergestülpt. Die Gemeinde Wachenheim gehörte seit 1800 zum Kanton Dürkheim im Arrondissement Speyer, Departement du Mont Tonn’ere (Donnersberg). Historisch gewachsene Beziehungen und Gebietskörperschaften wurden auch zu Beginn der 1970er Jahre durch die von der Mainzer Ministerialbürokratie bediente Reformmühle gedreht. Durchaus gegen heftige Widerstände an der kommunalen Basis, bis hin zu zahlreichen Gerichtsverfahren um die Verfassungsmäßigkeit einzelner Verfügungen. Und es wurde eine neue Verwaltungsebene zwischen Ortsgemeinde und Landkreis eingezogen: die Verbandsgemeinde. Dass es ein solches Konstrukt mit dem Hauptort Wachenheim geben sollte, war in den ersten Planungen durchaus nicht vorgesehen. Die Reform begann damit, dass die fünf bisherigen Regierungsbezirke Koblenz, Montabaur, Pfalz, Rheinhessen und Trier auf drei reduziert wurden; am 1. Oktober 1968 wurden Koblenz und Montabaur zu einem neuen Regierungsbezirk Koblenz zusammengeschlossen sowie die Pfalz und Rheinhessen zum Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz. Die Staats- und Kommunalverwaltung wurde in 212 hauptamtliche Verwaltungseinheiten aufgeteilt: 163 Verbandsgemeinden, 37 verbandsfreie Gemeinden und zwölf kreisfreie Städte. Der Zusammenschluss von Landkreisen, die Auflösung von zahlreichen Amtsgerichten, Finanzämtern, Landwirtschaftsschulen, Revierförstereien, Kataster- und Veterinärämtern sowie eine Reihe von Eingemeindungen in die größeren Städte waren weitere Maßnahmen der territorialen Verwaltungsreform. Im Gegensatz zur Territorialreform mit dem Neuzuschnitt der örtlichen Zuständigkeitsbereiche der Behörden handelte es sich bei den gleichzeitig am Ende der 1960er Jahre einsetzenden Bemühungen um eine Verbesserung der Verwaltungsarbeit um eine Daueraufgabe. Unter diese Funktionalreform fielen vor allem die Verlagerung von Aufgaben und Zuständigkeiten auf die verschiedenen Verwaltungsstufen, die Zusammenfassung von Behörden, die Verbesserung der Dienstleistungen gegenüber dem Bürger und nicht zuletzt die Modernisierung der Verwaltungsarbeit, unter anderem mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung. In den ministeriellen Amtsstuben in Mainz wurde damals die Idee geboren, dass Wachenheim mit den Gemeinden Friedelsheim, Gönnheim, Forst, Ruppertsberg und eventuell Meckenheim zu Deidesheim als Sitz einer neuen Verbandsgemeindeverwaltung zugeordnet werden sollte. Diesen Vorschlag hielten Rat und Verwaltung schon wegen der geringeren Einwohnerzahl von Deidesheim für abwegig. Auch die Absicht der nördlich von Bad Dürkheim gelegenen Gemeinden, deren Zuordnung nach Freinsheim geplant war, sich mit 13 anderen Gemeinden als Verbandsgemeinde Bad Dürkheim-Land an die Kreisstadt anzubinden, fand in Wachenheim wenig Gegenliebe. Entgegen den von der Landesregierung im Benehmen mit dem Innenausschuss des Landtages entwickelten Plänen, die Stadt Wachenheim einzugemeinden, wollten die Vertreter der Bürgerschaft die Selbstständigkeit auf jeden Fall bewahrt sehen. Sie kamen überein, zur „Fühlungnahme“ und im Hinblick auf einen beabsichtigten Zusammenschluss mit den östlich liegenden Gemeinden zu einer Verbandsgemeinde Wachenheim, einen Ausschuss zu bilden. Dessen Aufgabe war die Pflege der nachbarschaftlichen Beziehungen zu den Gemeinden Friedelsheim, Gönnheim und Ellerstadt. Zwar lag die angestrebte Verbandsgemeinde Wachenheim damals unter der vorgegebenen Mindesteinwohnerzahl von 7500, doch nachhaltige Bemühungen der Stadtverwaltung führten dazu, dass der Innenausschuss des Landtages im Jahre 1971 die Bildung einer Verbandsgemeinde Wachenheim akzeptierte. Sie wurde dem 1969 aus Teilen der früheren Landkreise Neustadt und Frankenthal neu geformten Landkreis Bad Dürkheim zugeordnet. Die 2010 per Landesgesetz angeschobene Kommunal- und Verwaltungsreform kommt in Anspruch und Erscheinungsbild bescheidener daher als ihre 1972er Vorgängerin. Faktisch erschöpft sich das Reformvorhaben bis jetzt im schrittweisen, mehr oder minder freiwilligen Zusammenschluss von Verbandsgemeinden (oder auch bisher verbandsfreien Gemeinden), die die von der Landesregierung gesetzte Normgröße von 12.000 Einwohnern unterschreiten. Auch die VG Wachenheim steht auf der Fusionsliste. Sie soll nach dem Willen der Mainzer Regierung bis zum nächsten Kommunalwahljahr 2019 mit der südlich benachbarten VG Deidesheim zur „VG Mittelhaardt“ (inoffizieller Arbeitstitel) verschmelzen. Die Fusionseuphorie ist bei beiden Partnern dem Vernehmen nach nicht sehr ausgeprägt. Es gäbe aber auch „zurzeit keine explizite Forderung aus Mainz“, hält der Wachenheimer Verbands- und Stadtbürgermeister Torsten Bechtel (CDU) den Ball flach. Bechtel sieht keinen „Gebietsänderungsbedarf“, setzt vielmehr auf die im Landesgesetz ebenfalls beschriebenen Möglichkeiten der – zum Teil schon bewährten - Kooperation, zum Beispiel bei Schule, Forst, Abwasser. Bechtel würde es bevorzugen, wenn die VG Wachenheim eigenständig bleibt – sofern der Nachweis gelingt, dass die vier Orte in ihrer Gesamtheit bei Steuerkraft und Schuldentragfähigkeit leistungsfähig sind, und zwar, mit Blick auf die Umbrüche in der Bevölkerungsentwicklung, nachhaltig: „Ein ausgeglichener Haushalt genügt da nicht.“ Eine drohende Zwangsfusion will Bechtel aber unter allen Umständen vermeiden. „Deshalb müssen wir vorbereitet sein.“ Literatur —Fritz Wendel: Geschichte der Stadt Wachenheim an der Weinstraße, neu bearbeitet und ergänzt von Wolfgang Meyer und Michael Wendel, Herausgeber: Stadt Wachenheim, 2015 (im Gedenken an meinen Co-Autor, Kollegen und väterlichen Freund Wolfgang Meyer, der für die Neuauflage der Chronik das Thema Kommunalreform 1972 recherchiert hat)

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