Bad Dürkheim Abtanzen bis Sonntagfrüh

Wenn die Maimarkthalle in Mannheim heute Abend ihre Tore öffnet, werden einmal mehr 15.000 euphorische junge Menschen aus aller Welt zum einem der erfolgreichsten Technofestivals Europas erwartet. Die Time Warp feiert in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag. Die Erfolgsgeschichte dieser Riesenparty ist eng mit der weltweiten Entwicklung elektronischer Musik verknüpft – und ebenso mit der Tradition der Ravekultur in der Region.

Wer Faszination und Ursprung jener mittlerweile globalen und millionenschweren Musikkultur, die als Rave bekannte wurde, wirklich verstehen möchte, der kommt an der Time Warp nicht vorbei. Ihre Geschichte führt zurück die Zeit der letzten großen musikalischen Zäsur. Die Entstehung der elektronischen Tanzmusik mit ihren zu Beginn noch recht wenig definierten Spielarten wie House und Techno markiert einen Einschnitt in der Entwicklung der Popkultur. Verschwitzte, langhaarige Typen mit Gitarren machten plötzlich Platz für DJs mit riesigen Schallplattenkoffern, und junge Leute verbrachten ihr Wochenende nicht mehr im Live-Club sondern in stillgelegten Fabrikhallen und unter Autobahnbrücken, die der neuartigen Musik einen passenden Rahmen gaben. Zu Beginn der 1990er Jahre waren Mannheim und Ludwigshafen zu einem Epizentrum dieser neuen, aufregenden musikalischen Bewegung geworden. Steffen Charles und Robin Ebinger, bis heute gemeinsam mit Frank Eichhorn die Veranstalter der Time Warp, durften diese vibrierende Epoche der Clubmusik als junge Raver hautnah miterleben. Wenn man heute mit den beiden über jene Zeit spricht, dann kann man noch immer eine ungebrochene Begeisterung darüber spüren, Teil von etwas vollkommen Neuem gewesen zu sein. Nur wer vielleicht noch Jimi Hendrix auf der Bühne erleben durfte, spricht heute ähnlich über seine Erinnerungen: „Damals hatten die Raves etwas Mythisches, beinahe Religiöses für mich“, sagt Ebinger und schiebt die Motivation zur Entstehung der Time Warp folgerichtig gleich hinterher: „Uns war klar, dass wir an dieser Kultur gerne gestalterisch teilhaben wollten.“ Dass es schließlich auf die Organisation von Veranstaltungen hinauslaufen sollte, war laut Charles recht bald klar: „Eigentlich wollte ich DJ werden, aber leider konnte man meine technischen Fähigkeiten beim Auflegen niemandem zumuten“, räumt er lachend ein. Doch das Gespür für die richtige Musik und die spannendsten neuen Stücke, das hatte er, und so sollte der Einstieg in die Szene erst einmal der Betrieb eines Plattenladens werden, der sich zum Treffpunkt für DJs entwickelte. Durch die so entstehenden Kontakte und die nötige Unbekümmertheit kam es im Oktober 1994 zur ersten eigenen Veranstaltung im damaligen Heidelberger Club „Normal“ und noch im gleichen Jahr zur ersten Time Warp in der Ludwigshafener Walzmühle. Charles’ Partner war damals allerdings noch Michael Hock, der sich heute zwar aus dem aktiven Geschäft der hinter der Time Warp stehenden Agentur Cosmopop zurückgezogen hat, sich aber immer noch um die aufwendige technische Produktionsleitung der Veranstaltung kümmert. Jedoch sollte es keineswegs eine linear verlaufende Erfolgsgeschichte werden. In den ersten Jahren wechselten die Locations öfter, die Time Warp fand auch in Sinsheim und Bremen statt, testete in Mannheim mehrere Standorte und blieb dann ab 2002 fest in der Markmarkthalle. Auch die Besucherzahlen schwankten bis zu Beginn der Nullerjahre durchaus, hinzu kamen Rückschläge wie 1995, als die komplette Lichtanlage vor der Party gestohlen wurde. Ebinger und Charles müssen zudem schmunzeln, wenn sie an das eher zufällige und glückliche Zustandekommen mancher Entwicklungen denken, ohne die eine Time Warp heute nicht mehr denkbar ist. Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass die offenbar konditionsstarken Gäste traditionell bis Sonntagmorgen um 11 Uhr feiern dürfen? „Wir haben Sven Väth einmal einfach nicht zum Aufhören bewegen können“, sagt Charles und grinst. Es ist eine spannende Frage, was die Time Warp so besonders und bis heute zu einem der bedeutendsten Termine der Szene macht. Das Gespür der beiden Macher für die jeweils relevanten Künstler ist sicherlich ein Grund. Weltweite Stars wie Sven Väth oder Carl Cox sind hier beinahe seit Beginn Stammgäste oder bauten sich ihren Ruf sogar erst durch ihre Auftritte auf der Time Warp auf. Zudem schaffen es die Veranstalter, der bisweilen kalten Atmosphäre bei den etwas aus der Mode gekommenen Massenraves in Mehrzweckhallen entgegenzuwirken. Mit durchdachten und aufwendigen Lichtinstallationen und Dekorationskonzepten gelingt es ihnen, sogar in der ebenfalls nicht sonderlich gemütlichen Maimarkthalle eine beinahe intime, clubbige Atmosphäre zu schaffen. Die können sie dann auch nach 20 Jahren noch genießen: „Wenn das Licht angeht und tausende Arme zur Musik nach oben gehen, das sind schon ganz besondere Momente für uns“, sind sich beide einig.

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