Leitartikel Moskau ist zu siegessicher

Die Ukraine wird von den USA dringend benötigte Waffen bekommen.
Die Ukraine wird von den USA dringend benötigte Waffen bekommen.

Die öffentliche Debatte in Russland findet offenbar in einer Parallelwelt statt. Die Milliardenunterstützung aus den USA für die Ukraine wird kleingeredet. Dieser der Propaganda geschuldete Realitätsverlust könnte sich rächen.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow brauchte 47 Sekunden, um das neue US-Hilfspaket für die Ukraine zu erledigen: „Grundsätzlich verändert die Situation auf dem Schlachtfeld nichts. Die russischen Streitkräfte verbessern ihre Position.“ Diese Dynamik sei allen absolut klar und verständlich, die US-Gelder würden nur die Opferzahlen auf ukrainischer Seite erhöhen.

Das offizielle Moskau gibt sich siegessicher wie immer. Obwohl das US-Repräsentantenhaus am Samstag nach fünfmonatigen Streitereien 61 Milliarden Dollar Militärhilfe für die Ukraine bewilligt hat. Die Bestätigung durch den Senat gilt als Formsache, die ersten Container mit Raketen und Geschossen sollen schon in Deutschland zum Weitertransport bereitstehen. Der Kreml und seine Medien aber jubeln, als gingen die Waffen nach Russland.

„Wie Schrotkugeln für einen Elefanten“

Russland siegt und siegt, melden die russischen Medien. Man habe einen Leopard 2 erbeutet und das Dorf Bogdanowka endgültig erobert. Und man feiert den Abschuss eines ukrainischen SU-25 Kampfbombers, laut dem Staats-TV-Sender Pjatyj Kanal, das 591. vernichtete Feindflugzeug seit Beginn der „Kriegsspezialoperation“ – obwohl die Ukraine schon vor dem 24. Februar 2022 nicht mehr als 130 Kampfflieger besaß.

Auch die ATACMS-Raketen, die die USA jetzt neu an die Ukraine liefern, seien „für uns wie Schrotkugeln für einen Elefanten“, versichert der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin. Dabei eigneten sich die Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern durchaus für einen Schlag gegen die drei Milliarden Euro teure Krim-Brücke über die Meerenge von Kertsch.

Aber, da sind sich die offiziellen Medien in Russland sicher, die Gelder, die die USA bewilligt haben, dienten ja sowieso nur dazu, um Washingtons Waffenreserven wiederherzustellen. Selbst die Gelder, die bis Kiew gelangten, müssten zurückgezahlt werden, behauptet der Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin. Die USA zwängen die Ukraine, bis zum letzten Soldaten Krieg zu führen und die eigene Wirtschaft zu begraben. In Russland diskutiert unterdessen niemand, welche Folgen die Lieferung neuer Präzisionsgeschosse an die ukrainischen Fronttruppen im Verbund mit den von ihnen schon massenhaft eingesetzten Kampfdrohnen für die eigene Frühjahrsoffensive im Donbass haben könnte.

Wie eine Propaganda-Brigade

Russlands politische Öffentlichkeit funktioniert wie eine Propaganda-Brigade, um jeden Preis bemüht, das Narrativ von der unbesiegbaren und langsam jeden Widerstand zermalmenden russischen Kriegsmaschinerie aufrechtzuerhalten. Ex-Präsident Dmitri Medwedew beschwört schon einen vernichtenden Bürgerkrieg in den USA und „den Zerfall dieses widerlichen Imperiums des Bösen“. Offenbar hat Medwedew wie viele andere Russen den Hollywoodfilm „Civil War“ gesehen, der jetzt in fast allen Moskauer Kinos läuft, hier „Ende des Imperiums“ genannt.

Genüsslich zitieren die russischen Medien die „Global Times“, die schreibt, Russland besitze die nötigen Ressourcen, um im Ukraine-Krieg den „letzten Schlag“ zu führen. Allerdings erwähnt niemand, dass es sich bei der„Global Times“ um eine englischsprachige Zeitung der KP Chinas handelt und der Autor des Beitrags Italien-Fachmann ist.

Stefan Scholl.
Stefan Scholl.
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