Wirtschaft Leitartikel: Zinswende überfällig

Die Situation, in der die Notenbanken das Zinsniveau bis auf null gesenkt

haben, kann nicht zum Dauerzustand werden. Zinserhöhungen sind früher oder später unausweichlich, auch wenn sie manchen Politikern nicht passen. US-Präsident Trump liegt falsch, wenn er die US-Notenbank wegen Zinserhöhungen kritisiert.

Zinsen zahlt keiner gern. Gute Zeiten also für Verbraucher, die sich Geld leihen und dabei von Minuszinsen profitieren, also weniger Geld zurückzahlen müssen als sie bekommen haben. Es sind aber schlechte Zeiten für jene, die Geld verleihen und dafür eigentlich eine Belohnung verdient hätten. Und ebenso für alle, die ihr Geld einer Bank oder Versicherung anvertrauen, mit dem Ziel, dass sich ihr Vermögen zumindest über die Jahre vermehrt. Es ist eine verrückte und auch ungesunde Situation. Diese Welt ist seit Jahren auf den Kopf gestellt. Auslöser war die weltweite Finanzkrise, in der viele Kreditinstitute und andere Finanzinstitutionen vor dem Kollaps standen, selbst deutsche Landesbanken und gar Staaten plötzlich in Finanznot gerieten. Die Notenbanken, mehr oder weniger rund um den Globus, reagierten damit, dass sie mehr Geld druckten und das Leihen von Geld so billig machten, dass dieser Kollaps verhindert wurde. Im Grunde war diese Reaktion nicht falsch – aber auch im Jahre zehn nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman, dem Höhepunkt dieser Krise, hat sich am geldpolitischen Umfeld nichts oder zumindest nicht viel geändert. Es ist daher falsch, wenn US-Präsident Donald Trump die amerikanische Notenbank Fed dafür kritisiert, dass sie versucht, aus der Zeit des ewigen Billiggeldes auszusteigen – unabhängig davon, dass es ohnehin nicht zu einer Demokratie passt, wenn die Regierung versucht, auf eine politisch eigentlich unabhängige Notenbank Einfluss zu nehmen. In Europa mag das Tempo für den Ausstieg aus Sicht der Europäischen Zentralbank (EZB) ein bisschen anders aussehen, weil sich die Lage in den Ländern unterschiedlich entwickelt und manche Länder, wie etwa Italien oder Griechenland, höhere Zinsen kaum verkraften könnten. Aber was bedeutet das für den deutschen Verbraucher? Erstmals seit sechs Jahren sind die Geldvermögen nach Abzug der Preissteigerung geschrumpft. Das lag zwar hauptsächlich daran, dass die Aktienmärkte nicht so toll gelaufen sind wie noch im vergangenen Jahr, als die Kurse kräftig gestiegen waren. Tatsache aber ist, dass vor allem die Organisationen, die für die Altersvorsorge sorgen sollen, kaum noch Alternativen sehen, mit dem ihnen anvertrauten Geld auch Geld zu verdienen. Gerade darauf aber ist unser Wirtschaftssystem aufgebaut: Wachstum soll durch neues Wachstum entstehen. Das kann aber nicht klappen, wenn das neue Wachstum nicht belohnt wird, wenn also im Finanzbereich keine Zinsen mehr gezahlt werden. Diese Fehlentwicklung betrifft Banken, Versicherungen und Unternehmen gleichermaßen, aber die Großen unter ihnen haben die Chance, sich irgendwo auf der Welt einen Ausgleich zu suchen. Der Verbraucher aber, der jetzige oder künftige Rentner, der Sparer haben diese Ausweichmöglichkeit nicht. Dem deutschen Sparer hilft es nicht, nach Anlagechancen in exotischen Ländern Ausschau zu halten. In der Türkei etwa wurden bis vor Kurzem noch 16 Prozent Zinsen gezahlt – die Währung aber hat quasi über Nacht die Hälfte an Wert verloren. Auf solche Abenteuer sollte man sich nur einlassen, wenn man entweder davon etwas versteht oder ausreichend Kapital hat, um Verluste verkraften zu können. Nein, die Zinswende ist überfällig, sowohl in den USA als auch in Europa, da mag Donald Trump denken, was er will. Staaten, Unternehmen und auch Kreditinstitute müssen darauf hinarbeiten, den Weg zur „Normalität“ zurück zu finden. Das mag an der einen oder andere Stelle schmerzhaft sein, aber es kann nicht sein, dass die Bevölkerung am Ende den Preis für Fehler zahlt, die andere begangen haben.

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