Rheinpfalz Wohnungen für die jungen Wilden

Andrey Jörg zeigt, wo das ungewöhnliche, private Wohnprojekt entstehen soll.
Andrey Jörg zeigt, wo das ungewöhnliche, private Wohnprojekt entstehen soll.

«Bad Dürkheim». Menschen mit Behinderung sollen nach dem neuen Bundesteilhabegesetz immer stärker so leben wie Menschen ohne Behinderung. Die Dürkheimer Familie Jörg will genau dies für ihre 22-jährige Tochter Lilli Elaine. Sie bauen deshalb privat eine Wohngemeinschaft für sechs junge Frauen. Wer dort die Betreuung übernimmt, ist noch unklar.

Lilli Elaine ist lebenslustig, tanzt und geht gern zum Bowling. So beschreibt der Dürkheimer Andrey Jörg seine Tochter. „Genau wie andere junge Leute“, sagt er. Und so wie andere in ihrem Alter wolle sie gern von Zuhause ausziehen. Gereift sei der Wunsch, nachdem die älteste der drei Töchter dies vorgemacht habe. Aber anders als die ältere Schwester, brauche Lilli jemanden, der sie zu den Freizeitaktivitäten begleitet, mit ihr zum Arzt oder zum Einkaufen geht. Und nachts sollte sie ebenfalls nicht allein sein. Die 22-Jährige lebt mit einer Behinderung und arbeitet in den Werkstätten der Lebenshilfe. „Sie hat Probleme mit der Lunge, ist oft erkältet, hat schwache Knochen“, sagt Vater Andrey, 49. Medizinisch gebe es für ihre Behinderung keine exakte Diagnose. Unter diesen Voraussetzungen auszuziehen bei den Eltern, bedeutete früher den Einzug in ein Behindertenheim. Die sind aber oft voll. So auch die Optionen bei der Dürkheimer Lebenshilfe, wo Lilli angemeldet war. Bis dort einmal jemand nachrückt, der kein Notfall ist, dauert. Laut Sven Mayer, dem Geschäftsführer der hiesigen Lebenshilfe, sind etwa 70 Interessenten auf einer Warteliste, die bei dem Verein einen Wohnplatz inklusive Betreuung suchen. „Das hätte zu lange gedauert“, meint Jörg, der als Ingenieur für Medizintechnik bei Siemens arbeitet. Außerdem seien die behinderten Menschen in den klassischen Wohnheimen deutlich älter als seine Tochter. Und herkömmliche Mietwohnungen eigneten sich wegen der speziellen Anforderungen meist auch nicht. So haben Andrey Jörg und seine Frau Sibille, eine Ärztin, eine Alternative für die „junge wilde Generation“ gesucht. Sie wollen und können das finanziell allein stemmen. Herausgekommen ist ein größeres Bauprojekt. „Verdienen werden wir daran nichts“, so Jörg. In der Mannheimer Straße gegenüber von Autohaus Scheller haben sie ein brach liegendes Grundstück gekauft, auf dem womöglich schon ab Januar zwei zweistöckige Gebäude entstehen sollen. In dem hinteren werden einmal Mietwohnungen für den freien Markt entstehen – sie helfen bei der Finanzierung des Ganzen. In dem vorderen Haus, für das die Baugenehmigung vorliegt, soll die Tochter mit fünf anderen jungen Frauen mit Behinderung in eine Wohngemeinschaft (WG) einziehen. Jede hat ihr knapp 20 Quadratmeter großes Zimmer, dazu kommen Gemeinschaftsräume und zehn Quadratmeter für eine Pflegekraft, die dort von nachmittags, wenn die Mädels aus der Werkstatt kommen, bis zum nächsten Morgen für die sechs da sein soll. Alle (WG)-Plätze sind schon vergeben. Wer die Betreuung bezahlt und übernimmt, ist zurzeit noch unklar. Die Lebenshilfe hat Interesse bekundet, bestätigt Mayer. Noch steht nicht fest, wie viel Geld die Lebenshilfe für diesen Auftrag bekommen würde. Denn: Anders als an der Sägmühle, ist bei dem Neubau nicht die Lebenshilfe Träger. Träger in der Mannheimer Straße wird Sibille Jörg.

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