Rheinpfalz „Wir sind kämpferisch“

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MAINZ. Malu Dreyer (SPD) ist am 18. Mai erneut zur Ministerpräsidentin gewählt worden, doch auf anderen Posten in der Landesregierung gab es Wechsel. Die neuen Minister und Staatssekretäre der „Ampel“-Koalition aus SPD, FDP und Grünen stellen wir in der Reihe „Neu im Kabinett“ vor. Heute: Anne Spiegel (35). Die Grünen-Politikerin ist Ministerin für Familien, Jugend, Frauen, Integration und Verbraucherschutz.

Sie führt das kleinste und das finanziell am schlechtesten ausgestattete Ministerium der rot-gelb-grünen Landesregierung: Integrationsministerin Anne Spiegel. Dabei hat die Pfälzerin die Federführung für das Megathema Flüchtlinge. Fünf Jahre lang hat die gebürtige Leimenerin in der Grünen-Fraktion die Flüchtlings- und die Frauenpolitik beackert. Kleine Anfragen geschrieben, kämpferische Reden gehalten und sich eng mit Ministerin Irene Alt (Grüne) ausgetauscht. Ihr Büro ist ihr deshalb vertraut. „Aber es war schon eigenartig, mich zum ersten Mal an den Schreibtisch zu setzen“, sagt Spiegel. Es müssen dramatische Stunden während der Koalitionsverhandlungen gewesen sein, in denen Irene Alt ihren Rückzug vom Amt beschlossen hat. Das wenige Geld, so ist zu hören, gab letztlich den Ausschlag. Wird Anne Spiegel bessere Konditionen heraushandeln? „Dafür werde ich auf jeden Fall kämpfen. Wir sind kämpferisch, fordernd und mutig“, sagt Spiegel über sich und über ihre Staatssekretärin Christiane Rohleder. Die Vorbereitungen für den nächsten Doppelhaushalt laufen. Spiegel strahlt Aufbruch aus, Engagement, den unbedingten Wunsch etwas zu bewegen. So muss das auch vor zehn, zwölf Jahren gewesen sein, als die heute mit 35 Jahren immer noch junge Frau an der Mainzer Universität bei Professor Jürgen Falter in einem Politikseminar über die Grünen saß. Ihre Kommilitonen: Daniel Köbler, Guiseppe Lipani und Katrin Eder. Es lohnt sich, diese studentische Verbindung näher zu betrachten. Eder ist seit fünf Jahren Umwelt- und Verkehrsdezernentin der Stadt Mainz, Lipani stellvertretender Regierungssprecher in der Staatskanzlei und Köbler stand fünf Jahre an der Spitze der Grünen-Fraktion im Mainzer Landtag - mit Spiegel als Stellvertreterin. Die Wahlniederlage im März machte ihn zum einfachen Abgeordneten. Als Spiegel frisch nach dem Abitur am Heinrich-Böll-Gymnasium in Ludwigshafen im Jahr 2000 ein Praktikum in der Grünen-Landtagsfraktion machte, war Ise Thomas Fraktionschefin. Thomas leitet seit fünf Jahren die Zentralabteilung im Integrationsministerium. Politische Karrieren können knicken, mitunter sehr unbarmherzig. Wer Spiegel auf Parteitagen erlebt, ihr gutes Ergebnis bei der Listenaufstellung kennt, weiß, wie beliebt sie an der Basis ist. 1999 wurde sie in den Landesvorstand der Grünen Jugend gewählt. Später kam sie in den Bundesvorstand, war Jugenddelegierte für die Vereinten Nationen. Spiegel hat Politik, Philosophie und Psychologie studiert, unter anderem im spanischen Salamanca. 2007 ging sie auf eine Weltreise mit dem Rucksack, und weil sie danach nach eigenen Worten „total blank“ war, nahm sie die erste Arbeit an, von der sie über eine Mitwohnerin hörte. So wurde Spiegel Sprachlehrerin für Deutsch als Fremdsprache. Nach mehrwöchigen Intensivkursen unterrichtete sie sogar ausländische Manager von Boehringer Ingelheim. Dort habe sie gelernt, dass sich die Bedeutung von Führungskräften darin ausdrückt, in welchem Stockwerk ihr Büro liegt. Nun sitzt Anne Spiegel in der obersten Etage des Ministeriums. An einer Wand hängen Bilder ihrer drei Kinder im Alter von fünf, drei und eins. Es wirkte ungemein leicht und unbeschwert, wie Spiegel, die mit einem Briten verheiratet ist und in Speyer wohnt, neben dem Abgeordnetenmandat dreifache Mutter wurde. Den Wechsel von der Parlamentarierin zur Ministerin hat sie dem Nachwuchs dadurch veranschaulicht, dass ihr Büro jetzt viel größer sei und mehr Platz zum Spielen biete, sagt sie. Bisher gab es noch keine Gelegenheit. Ob sie denn immer noch den Flüchtlingen helfen könne, habe ihre fünfjährige Tochter gefragt, die wegen der räumlichen Nähe zur Erstaufnahmeeinrichtung in Speyer und durch die Kindertagesstätte bereits selbst einen Bezug zu den Geflüchteten hat. Mit der Antwort, dass sie das jetzt noch besser könne, sei es für die Tochter leichter zu verkraften, dass Mama nun manchmal auch nachts in Mainz bleibe. Dafür habe sie sich eine Wohnung genommen, sagt Spiegel. Am Freitag steht ihre Premiere im Bundesrat an. Von einem „riesigen Universum“ und einer „ungeahnten Maschinerie“ spricht Spiegel angesichts vieler Vorlagen. Dabei lacht sie aber so herzlich, dass es sie nicht wirklich zu schrecken scheint. Die Sitzung hat es in sich: Das Integrationsgesetz und die Entscheidung über die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten auf Tunesien, Marokko und Algerien stehen auf der Tagesordnung. Im Wahlkampf hat sich Spiegel stets dagegen ausgesprochen. Als Ministerin im Kabinett von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die für eine Neuregelung ist, hält sie sich zurück: „Das werden wir im Kabinett entscheiden.“ Also heute. Ihr Lächeln ist noch freundlich, signalisiert aber klar, dass sie nichts weiter dazu sagen wird. Info Bisher erschienen: „Rolle gewechselt, aber nicht die Themen“ (Konrad Wolf), Ausgabe vom 9. Juni. „Das bisherige Leben umgekrempelt“ (Andy Becht, 10. Juni.

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