DPA Themenwelten So ist die Lage auf dem Immobilienmarkt

Blick auf den Immobilienmarkt
Langfristig ist es billiger, in den eigenen vier Wänden zu leben.

Jahrelange sind die Preise für Immobilien gestiegen – nun dreht sich die Entwicklung um. Werden Wohnungen und Häuser jetzt wieder erschwinglicher?

Regensburg/Berlin (dpa/tmw) – Immobilien sind in Deutschland jahrelang immer teurer geworden, getrieben von niedrigen Zinsen. Das ist vorbei. Im Jahr 2022 sind die Zinsen deutlich gestiegen. Jetzt sinken mancherorts die Preise für Wohnungen und Häuser. Das Ende einer Ära.

Manch einer hofft, dass der Traum vom Eigenheim nun doch wieder in greifbare Nähe rückt. Doch wie sieht die Lage am Immobilienmarkt gerade wirklich aus?

Brechen die Immobilienpreise gerade tatsächlich ein?

Die kurze Antwort: Nein.

Es gibt zwar teils einen leichten Preisrückgang, aber nicht flächendeckend. Außerdem sind die Preise jahrelang krass gestiegen.

Schauen wir uns dazu ein paar Zahlen etwas genauer an:

  • Das Statistische Bundesamt registrierte im 3. Quartal 2022 einen minimalen Rückgang der Preise für Wohnimmobilien von 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal.
  • Schaute man zu diesem Zeitpunkt ein Jahr zurück auf das 3. Quartal 2021, waren die Preise allerdings um 4,9 Prozent und damit weiter gestiegen.
  • Laut Verband Deutscher Pfandbriefbanken (VDP) stiegen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser im 3. Quartal 2022 nur noch um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Im Jahresvergleich lag das Plus bei 8,4 Prozent.
  • Die Preise für Eigentumswohnungen erhöhten sich laut VDP im Quartalsvergleich um 0,7 Prozent, während es im Jahresvergleich 7,8 Prozent Anstieg waren.
  • Das Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica beobachtete kurzfristig eine Stagnation: Der Indexwert für die Immobilienpreise lag im 2. und 3. Quartal 2022 jeweils bei 188 (gemessen am fiktiven Wert 100 für das 4. Quartal 2004). Im 3. Quartal 2021 waren es erst 177.

Fazit: «Die Preise sinken oder stagnieren. Der allgemeine Preisanstieg ist gestoppt», sagt Florian Koch, Professor für Immobilienentwicklung an der HTW Berlin.

Und Professor Steffen Sebastian vom Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg sagt: «Wir sehen einen Rückgang der Preise, aber noch keinen Einbruch.»

Man muss aber genauer hinschauen. Der Experte beobachtet eine Spreizung des Marktes.

Bei den hochpreisigen Wohnungen für Eigennutzer tut sich «nicht viel bis gar nichts», sagt Steffen Sebastian. «Auch wenn sich die Nachfrage hier halbiert, ist sie immer noch doppelt so hoch wie das Angebot.»

Diese Klientel sei gegen eine Rezession gewappnet, kaufe mit viel Eigenkapital. «In diesem Segment gibt es keine großen Preisänderungen.» Aber eben auch keinen weiteren Anstieg trotz sehr hoher Inflation. «Für Eigentumswohnungen in Städten bleibt die Nachfrage hoch.»

Anders der Markt für preiswerte Immobilien: «Der ist gerade mausetot», sagt Sebastian.

Der Grund: «Wer jetzt noch eine Immobilie kaufen kann, will nicht auf dem flachen Land wohnen, sondern in einer größeren Stadt. Dafür zahlen die Leute lieber 500 oder 1000 Euro mehr im Monat, wenn sie sich das leisten können.»

Der Traum von der Eigentumswohnung erfüllt sich nur für wenige.
Der Traum von der Eigentumswohnung erfüllt sich nur für wenige.

Werden die Preise tendenziell weiter sinken?

Das ist der Blick in die berühmte Glaskugel.

«Ob die Preise in den kommenden zwei, drei Jahren weiter sinken, kann niemand sagen», sagt Florian Koch. Pauschale Aussagen sind schwierig.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hält einen Rückgang der Preise für Eigentumswohnungen und Eigenheime um bis zu 10 Prozent für «durchaus möglich».

Solche Prognosen machen Immobilienkäufern Hoffnung. Doch die ist trügerisch.

Können sich bald wieder mehr Menschen eine Immobilie leisten?

Die kurze Antwort: Wahrscheinlich nicht.

Das liegt nicht an den Kaufpreisen, sondern an den Finanzierungskosten. Die Bauzinsen sind im vergangenen Jahr kräftig gestiegen.

«Der ausschlaggebende Punkt sind die veränderten Zinsen», stellt Florian Koch klar.

Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob die Bauzinsen bei 1 oder 3 Prozent liegen. «Die monatliche Belastung ist viel größer.» Ausgleichen lasse sich das nur, indem man die Tilgungsrate zurückfährt. «Dann zahlt man das Haus im Zweifel nicht mehr 20, sondern 40 Jahre lang ab.»

Für viele sei das schon vor dem Zinsanstieg schwierig gewesen, so Koch. «Wenn jetzt die Preise sinken, liegt das nicht an einem steigenden Angebot, sondern an sinkender Nachfrage.»

Fazit: «Sinkende Preise bedeuten nicht, dass sich nun mehr Menschen Eigentum leisten können», so Koch.

Steffen Sebastian sieht das genauso: «Die Finanzierung von Immobilien ist teurer geworden, durch die gestiegenen Zinsen.» Ein leichter Rückgang der Preise fällt da nicht groß ins Gewicht.

Der Immobilien-Ökonom beschreibt einen Effekt, der zunächst widersprüchlich klingt. In Zeiten niedriger Zinsen sei es trotz der immer stärker gestiegenen Preise extrem günstig gewesen, eine Immobilie zu kaufen. «Die Leute haben mich immer groß angeschaut, wenn ich das gesagt habe.»

Der Grund: Der fremdfinanzierte Teil – also der Kredit von der Bank – war günstig zu bekommen. Nun hat sich das Blatt gewendet, die Zinsen sind kräftig gestiegen.

Ergebnis: «Für Menschen mit wenig Eigenkapital ist es damit erst recht unerschwinglich geworden, eine Immobilie zu kaufen», sagt Sebastian. «Viele werden sagen: Das wars mit Eigentum.»

Etwa die Hälfte aller Mieter plant ein Eigenheim zu bauen.
Etwa die Hälfte aller Mieter plant ein Eigenheim zu bauen.

Warum sind die Preise über Jahre so kräftig gestiegen?

Vor allem drei Faktoren erklären die Preisexplosion:

  1. fehlendes Angebot an Wohnraum und Bauland
  2. eine anhaltend hohe Nachfrage
  3. niedrige Zinsen und damit günstige Immobilienkredite

«Wir hatten zwölf Jahre Boomphase», sagt Steffen Sebastian. Das sei einmalig in der Geschichte des Marktes für Wohnimmobilien gewesen.

Hier kommen einige eindrucksvolle Zahlen, die den Trend untermauern:

  • Das Statistische Bundesamt ermittelte die Entwicklung der Hauspreise in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2021. Das Jahr 2015 entsprach einem fiktiven Wert von 100. Gemessen daran lagen wir im Jahr 2000 bei 84,4 - und im Jahr 2021 bei 153,9.

Das heißt übersetzt: Die Preise haben gegenüber dem Basisjahr 2015 um satte 53,9 Prozent zugelegt. Speziell in den deutschen Großstädten stiegen die Wohnungspreise auffällig stark an, heißt es.

  • Der Verband deutscher Pfandbriefbanken untersuchte die Preisentwicklung für selbst genutztes Wohneigentum in Deutschland von 2003 bis 2021. 2010 entsprach einem Wert von 100. 2021 lag der Wert bei 180,6 - ein Preisanstieg von 80,6 Prozent in gut zehn Jahren.
  • Die Preisentwicklung von Eigentumswohnungen in Deutschland von 2003 bis 2021 zeigt ein ähnliches Bild: Der Zuwachs lag laut den Daten des Verbands bei 85 Prozent. Besonders gravierend war der Preisanstieg in den beliebten Städten.
  • Die Entwicklung der Kaufpreise für neu errichtete Ein- und Zweifamilienhäuser von 2004 bis 2021 sieht genauso aus: 2010 lag der Wert bei 1952 Euro pro Quadratmeter, zeigen Zahlen des Forschungs- und Beratungsinstituts Empirica - 2021 waren es 4190 Euro. Ein Plus von 115 Prozent.
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie wirkt positiv auf den Markt.
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie wirkt positiv auf den Markt.

Haben wir hier eine Blase, die bald platzen könnte?

«Nein», sagt Steffen Sebastian. «Aber die Boomphase kommt an ihr Ende.»

Auch das DIW glaubt nicht, dass Deutschland vor dem Platzen einer Immobilienblase steht.

«Wie in jedem Markt gab es spekulative Übertreibungen, aber nicht flächendeckend und vor allem nicht fremdfinanziert», sagt Sebastian. Die Finanzierungsstruktur in Deutschland sei ausgesprochen solide. Das heißt: Es gibt keine große Anzahl an wackligen Krediten, die nun wegen des Zinsanstiegs nicht mehr bedient werden können.

Außerdem seien 4 Prozent Zinsen auf 10 Jahre immer noch nicht schlecht, so Sebastian. «Damit kann die Immobilienwirtschaft leben. Aber die große Party ist vorbei.»

«Nicht jede Überbewertung ist eine Blase», sagt auch Florian Koch. Eine Blase sei dadurch definiert, dass der Preisanstieg durch Spekulation getrieben sei. Das heißt: «Die Leute kaufen nicht, weil sie Eigentum brauchen, sondern weil sie hoffen, dass die Preise weiter steigen werden.» So sei es etwa bei der Immobilienkrise in den USA und Spanien gewesen.

Koch sieht auch deshalb keine Blase, weil es nach wie vor kein Überangebot gibt. «Die Erwartung, dass jetzt Unmengen an neugebauten Wohnungen auf den Markt kommen, wird sich nicht erfüllen.»

Im Gegenteil: «Der Traum vom Eigenheim ist für viele noch weniger realisierbar», sagt Koch. «Wenn weiterhin so wenig gebaut wird, werden die Preise nicht sinken», schätzt der Experte.

Nach Ansicht von Steffen Sebastian wurde auf dem Land zu viel gebaut und in den Städten zu wenig. «In Berlin zum Beispiel gibt es viel Bauland, aber die Stadt kriegt es nicht auf die Reihe oder will gar keinen Neubau», kritisiert der Experte.

Hinzu kommt: «Die Baukosten werden weiter steigen», sagt Sebastian.

Wie werden sich die Bauzinsen entwickeln?

Auch das ist naturgemäß nicht seriös vorherzusagen.

Steffen Sebastian formuliert es so: «Die Zinsen werden nicht wieder auf das paradiesische Niveau sinken, das wir hatten. Sie werden aber auch nicht ins Unermessliche steigen.» Das werde die EZB nicht riskieren, um die Finanzmärkte nicht zu destabilisieren.

These: «In dem Korridor, in dem wir jetzt sind, werden sich die Zinsen einpendeln.» Das sind etwa 3 bis 4 Prozent für 10 Jahre.

Was heißt das alles für Immobilienkäufer?

Steffen Sebastian rät dazu, mit dem Kauf besser nicht zu warten.

Möglich ist nämlich auch, dass die Zinsen eben doch noch etwas weiter steigen.

«Wenn ich jetzt eine Immobilie finde, die passt und die ich mir leisten kann, dann sollte ich sie mir jetzt kaufen – und nicht auf Schnäppchen warten», lautet die Empfehlung.

Auf niedrigere Preise zu warten, mache nur Sinn für vermögende Menschen, die eine Immobilie größtenteils über Eigenkapital finanzieren. «Aber wenn ich 80 Prozent über einen Kredit finanziere, dann interessiert mich vor allem der Preis für dieses Fremdkapital», sagt Sebastian.

Eine These besagt, dass wieder viel Eigentum für Familien frei wird, wenn die ältere Generation der Baby Boomer aus dem Markt ausscheidet. Diese Menschen leben derzeit oft allein in großen Häusern.

Aber ist da wirklich etwas dran?

  • Steffen Sebastian ist skeptisch: «Wir haben immer gesagt, die Demografie wird uns einmal helfen. Aber das hat sich nicht bewahrheitet.»

Der Grund: Die Binnenmigration in Deutschland und Europa habe den Effekt kompensiert. «Eigentlich müsste Wohnraum frei werden, aber jedes Jahr kommen bis zu 400 000 Einwanderer aus der EU nach Deutschland.»

  • Hinzu kommt die Landflucht: Immer mehr Menschen wollen in die Städte.

«Wir haben im Moment viele alte Leute, deren Häuser auf den Markt kommen», bestätigt Koch. «Aber die Frage ist, ob die jungen Leute in diesen Häusern wohnen wollen.» Solche Häuser seien zum Beispiel nicht sehr energieeffizient. Der Sanierungsbedarf ist groß.

Energieeffiziente Gebäude seien lange kein Muss gewesen. Das habe sich geändert, auch wegen immer strengerer gesetzlicher Vorgaben. «Man muss mehr Geld investieren als früher, um dort auch noch die nächsten 30 Jahren wohnen zu können», sagt Koch.

Der Experte sieht hier eine Gefahr für Immobilieninteressenten: «Häuser werden vielleicht günstig verkauft, aber die Folgekosten für Sanierungen sind enorm. Hier muss man wirklich aufpassen, wenn man ein vermeintliches Schnäppchen macht.»

Der Sanierungsaufwand bei Bestandsbauten ist oft unattraktiv.
Der Sanierungsaufwand bei Bestandsbauten ist oft unattraktiv.

Was bedeutet die aktuelle Entwicklung für Mieterinnen und Mieter?

Schlechte Nachrichten: Experten gehen davon aus, dass die Mieten deutlich steigen werden.

Wer bis vor Kurzem noch über Eigentum nachgedacht hat, bleibt jetzt womöglich doch dauerhaft Mieter – wegen der gestiegenen Zinsen und damit höheren Finanzierungskosten. Außerdem hält der Zuzug in die Städte unverändert an, was den Druck auf die Mieten verstärkt. Und aus dem Ausland sind zuletzt viele Menschen nach Deutschland gekommen, vor allem aus der Ukraine.

Die Nachfrage nach Mietwohnungen werde förmlich explodieren, glaubt auch Steffen Sebastian. Der Experte ist sich sicher: «Die Mieten werden steigen, das sehen wir jetzt schon.»

Wie viele Menschen wohnen in Eigentum?

Deutschland ist im europäischen Vergleich ein Land der Mieter. Viele wollen ins Eigentum, doch das ist bislang nur knapp der Hälfte gelungen.

Einige Statistiken und Zahlen im Überblick:

Laut einer Allensbach-Erhebung lebten deutschsprachige Personen ab 14 Jahren hierzulande im Jahr 2022 in folgender Wohnsituation:

  • eigenes Haus: 28,7 Millionen
  • Eigentumswohnung: 4,75 Millionen
  • Miete: 36,9 Millionen
  • Wohngemeinschaft: 4,6 Millionen

Die Statistikbehörde Eurostat hat die Wohneigentumsquote 2021 in ausgewählten europäischen Ländern erhoben. Ergebnis: Deutschland lag mit 49,5 Prozent ganz weit hinten.

In den Ländern Osteuropas ist die Quote der Studie zufolge besonders hoch. In Albanien, Rumänien, Kroatien, Ungarn, Montenegro und der Slowakei liegt der Wert bei mehr als 90 Prozent.

Weitere Länder:

  • Polen: 86,8 Prozent
  • Spanien: 75,8 Prozent
  • Italien: 73,7 Prozent
  • Niederlande: 70,1 Prozent
  • Frankreich: 64,7 Prozent
  • Österreich: 54,2 Prozent

Befragungen zeigen, dass in Deutschland gerne mehr Menschen in den eigenen vier Wänden leben würden. Der Baufinanzierungs-Vermittler Interhyp kam im März und April 2021 zu folgendem Ergebnis:

  • 72 Prozent aller Mieter wünschen sich eine eigene Immobilie.
  • 65 Prozent aller Deutschen wünschen sich ein Einfamilienhaus.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegt also eine große Kluft.

Fazit: Die Lage auf dem Immobilienmarkt bleibt äußerst angespannt – auch wenn die Preise teils etwas zurückgehen.

Für Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen dürfte es schwierig bleiben, sich den Traum vom Eigenheim in naher Zukunft zu erfüllen.

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