Blick zurück Helmut Kohl, der „Gurkendieb“

Helmut Kohl als junger Mann.
Helmut Kohl als junger Mann.

Der Fernschreibraum der RHEINPFALZ lag neben meinem Arbeitszimmer in der Redaktion. Alle Türen standen offen, und so sah ich fast jeden Abend meinen Mit-Volontär Gerd Brenner, Mitglied der Jungen Union und ewig hungrig, zusammen mit seinem Freund Helmut Kohl in den Fernschreibraum wandern. Dort lasen die beiden dann die eingegangenen Nachrichten, deren Durchschläge in großen Mappen aufbewahrt wurden.

Auf dieses Duo war ich nicht besonders gut zu sprechen. (…) Mir war nämlich bei einer meiner allerersten Reportagen über eine Gurkenfabrik in Altrip ein Messingfässlein Gurken geschenkt worden – für mich ein riesengroßes Problem: War ich jetzt etwa bestochen worden? Ein Gurkenfass war in einer Zeit, in der alle Welt Hunger hatte, ein bemerkenswertes Geschenk. Mein Chef, Hermann Knoll, beschied, die Diskussion sei überflüssig, weil ich das Gurkenfass ja bereits angenommen hätte, und befahl dem Kollegen Gerd Brenner, es über eine Leiter-Treppe auf den Speicher über unserem Großraumbüro zu stellen. Wir wollten die Gurken beim nächsten Redaktionsfest gemeinsam verzehren. Ich war unbändig stolz, dass ich, die kleine Volontärin, zur Verköstigung der Redaktion etwas beizusteuern hatte.

Das nächste Fest kam an den Himmel, Gerd Brenner wurde auf den Speicher geschickt – und kam mit dem leeren Gurkenfass zurück. Darin schwappte nur noch der Essig. Mein Mit-Volontär beichtete daraufhin, er und „der Kohle Helle“ hätten das Gurkenfass aus lauter Hunger geplündert.

Erinnerung von Ulla Hofmann, von 1950 bis 1964 in der Redaktion der RHEINPFALZ
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