Rheinpfalz Das Bad der Russen

Speyer. Die Neufassung des Bebauungsplans „Am Russenweiher“ in Speyer führt zur Frage, woher die Bezeichnung des Gewässers zwischen dem Stadtteil Neuland und der Brückenauffahrt der B 39 rührt.

Weder bei der Stadtverwaltung noch beim Stadtarchiv war mehr bekannt, als die in Speyer gängige Meinung, der Weiher sei im Ersten Weltkrieg von russischen Kriegsgefangenen gegraben oder gebaggert worden. Unterlagen einer Familie geben jedoch Aufschluss über die wahre Geschichte des Sees. Das ist nur insofern richtig, als das 1,5 Hektar große, zwischen einem und fünf Meter tiefe Gewässer in der Tat Russen als Namensgeber hat. Aber nicht, weil sie dort arbeiten mussten, sondern weil sie dort badeten. Das ergibt sich aus den Unterlagen des Anwohners Werner Kretz. Das Areal des Russenweihers – Vereinsgewässer der Anglerfreunde Speyer – gehörte einst dem Bauer Franz Thomas, Vorfahre der Ehefrau von Kretz. Der Grundstücksbesitzer grub auf dem Gelände nach Kies, der einige Zeit vor und nach 1900 unter anderem für die Anlage von Großbauten in der näheren Umgebung benötigt wurde – etwa für das spätere Quartier Normand, als Kasernenanlage im deutschen Kaiserreich errichtet, das Krankenhaus der Diakonissenanstalt und vermutlich auch für die Zeppelinschule. Russen aber waren zu jener Zeit höchstens vereinzelt in Speyer zu Besuch. Eine unbekannte Anzahl von ihnen kam jedoch in die Stadt, nachdem der deutsche Kaiser Wilhelm II. 1914 auch dem Zaren den Krieg erklärt hatte. Russische Kriegsgefangene wurden zur Arbeit in die Möbelfabrik Orth gebracht, die sich zwischen dem nördlichen Teil der Rheinhäuser und der späteren Winternheimer Straße erstreckte. Diese Zwangsarbeiter lebten in zwei Baracken, die auf dem Gelände des späteren Zahntechnik-Labors Kretz errichtet waren. Sie nutzten zumindest einen oder zwei Sommer lang das nahe Thomas’sche Gewässer zum Baden, was Anwohner zur Namengebung „Russenweiher“ veranlasste. Auch Deutsche gingen dort schwimmen. Der Verein der Wasserfreunde grenzte während der 1920er Jahre im Russenweiher ein Teil der Gewässers als Schwimmbahn und errichtete ein Klubhäuschen. (wk)

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