Rheinpfalz Betrugsabsicht nicht zu erkennen

Endlich kann das Amtsgericht Kusel eine seiner am dicksten zugestaubten Akten zuklappen. Sobald ein 52 Jahre alter Mann 500 Euro abgestottert hat, können die papiernen Zeugnisse des Strafverfahrens im Archiv verschwinden. Wegen Betrugs nach mehreren Anläufen nun endlich auf der Anklagebank gelandet, verließ der Angeklagte den Saal des Kuseler Amtsgerichts ohne einen Schuldspruch. Der Strafrichter stellte das Verfahren wegen allenfalls geringen Verschuldens ein.

Der Fall wog im Grunde gar nicht schwer: Weil er einen privaten Darlehensgeber um sein Geld gebracht haben soll, war der Mann per Strafbefehl bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen hatte er jedoch Einspruch eingelegt. In der Regel kommt es dann relativ rasch zu einer Hauptverhandlung. Die war auch anberaumt – schon mehrmals. Jedoch hatte es der Beschuldigte bislang einfach nicht geschafft, vor Gericht zu erscheinen. Vor allem sein psychischer Zustand hatte den Verfahrensbeteiligten immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ihm war wiederholt Verhandlungsunfähigkeit attestiert worden. Jetzt geht es ihm besser, wie er sagt. In Begleitung eines Anwalts war der Mann – für Richter und Staatsanwältin etwas überraschend – doch tatsächlich erschienen. Gerechnet hatten die Juristen damit wahrlich nicht. „Es wird ja auch Zeit, dass für sie persönlich dieses Verfahren endlich mal abgeschlossen wird“, sollte der Richter später sagen. Der Vorsitzende hatte sich auch umgehend mit dem Vorschlag einverstanden gezeigt, man könne die Sache doch auch ohne einen Urteilsspruch über die Bühne bringen. Allzu fraglich war, ob der Geldgeber tatsächlich einem Betrug im eigentlichen Sinne zum Opfer gefallen ist. Knackpunkt ist dabei allein der: Hat der Angeklagte tatsächlich den Privatkredit in Anspruch genommen, wohl wissend, dass er ihn nie zurückzahlen kann und das auch nicht will? Hat er dem Geldgeber Solvenz vorgegaukelt? Das wären die Kriterien, gemäß denen ein Betrug vorläge. Hätte sich der Mann nur übernommen und plötzlich nicht mehr genügend zurückzahlen können, wäre dies nur Gegenstand eines Zivilverfahrens geworden. So hatte sich das Strafverfahren rasch erledigt, kaum dass der Mann vor dem Richter erschienen war. Die Geschichte dahinter ist eine eher traurige: Der Mann hatte eine Frau kennengelernt, der er nach eigenem Bekunden hörig war. Ein gemeinsamer Bekannter hatte dem Angeklagten 5000 Euro geliehen. Per Darlehen, mit Rückzahlungsvereinbarung und Kapitaldienst. „Aus der Zinsberechnung wird man nicht schlau“, sagte der Richter stirnrunzelnd, als er ein Aktenstück mit einem Gekritzel in Augenschein nahm. Ob der Geldgeber gewusst habe, wie prekär die finanzielle Lage des Angeklagten war? Natürlich, sagte der. Ihm sei es schlecht ergangen. Er habe in seiner Verzweiflung tausend paar Schuhe erworben – für einen guten Preis. Wie bitte? „Das verstehe ich jetzt aber nicht“, bat die Staatsanwältin um nähere Erläuterung. Tja, er habe die Damenschuhe „zusammenbauen“ und mit Gewinn verkaufen wollen. Schade nur: Die oberen Teil lagen ihm vor, die Sohlen fehlten... Der Mann war wohl einem Versprechen aufgesessen, dass er mit „Heimarbeit reich werden“ könne; einer Masche, mit der dafür empfängliche Menschen in verzweifelter finanzieller Lage oft noch tiefer in die Misere reinrutschen. Der Richter war ziemlich sicher: Der Geldgeber muss zumindest in Kauf genommen haben, dass es mit der Rückzahlung Probleme geben kann. Abgesehen davon, dass der Mann einen Großteil des Geldes zurückgezahlt haben will und behauptet, die Frau habe es sich unter den Nagel gerissen: Richter wie Staatsanwältin und Verteidiger waren sich einig, dass der Betrugsvorwurf fehlschlage. Mit der Auflage, 500 Euro zu zahlen, kam er Mann davon. Ist das erledigt, wird die Akte nun nach sieben Jahren geschlossen. (cha)

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