Rheinland-Pfalz „Patchworkdecke statt Flickenteppich“

Die Gutachter beurteilen den Bezirksverband Pfalz kritisch. Unter anderem bemängeln sie, dass die Lehrkräfte an der Meisterschul
Die Gutachter beurteilen den Bezirksverband Pfalz kritisch. Unter anderem bemängeln sie, dass die Lehrkräfte an der Meisterschule in Kaiserslautern beim Bezirksverband und nicht beim Land angestellt seien. Die Wissenschaftler nennen das einen »Systembruch« im Vergleich zu anderen Schulen.

«Mainz». Die geplante Kommunal- und Verwaltungsreform soll zu einer leistungsfähigen Verwaltung führen. Das nannten die Gutachter Jan Ziekow und Martin Junkern-heinrich als Kernziel der 1500 Seiten starken Expertise, die Innenminister Roger Lewentz (SPD) gestern in Mainz vorgestellt hat. Schon seit Tagen tobt ein Streit über die Vorschläge, wonach in der Pfalz nur Kaiserslautern und Ludwigshafen kreisfreie Städte bleiben sollen. Neben dem Zuschnitt von Städten und Kreisen haben die Gutachter auch die Aufgabenverteilung zwischen Land, Mittelbehörden und Kommunen untersucht (siehe Titelseite).

Was änderte sich, wenn kreisfreie Städte in Kreise eingegliedert würden?

Für die Bürger erstmal nichts. Die Stadt als solche bliebe erhalten. Es gäbe auch weiterhin einen Oberbürgermeister und eine Verwaltung vor Ort. Aus Sicht der Gutachter wäre der Vorteil einer Einkreisung jedoch, dass der ausgabenträchtige Sozialbereich in die Verantwortung der Kreise überginge. Das würde die Stadtkassen entlasten, die Landkreise jedoch zusätzlich belasten. Daher müssten diese dann mehr Zuweisungen des Landes bekommen. Wie war die Herangehensweise der Gutachter? Die beiden Professoren Martin Junkernheinrich (Kaiserslautern) und Jan Ziekow (Speyer) haben einen Fragenkatalog abgearbeitet. Der wurde in der vergangenen Wahlperiode in Übereinstimmung der damaligen Landtagsfraktionen (SPD, CDU und Grüne) und der Landesregierung erarbeitet. Die Gutachter hatten den Auftrag, der Politik Optionen aufzuzeigen, beziehungsweise darzustellen, welche Konsequenzen die einzelnen Varianten hätten. Das Kernziel war nicht, bestehende Strukturen zu verändern, sondern leistungsfähige Verwaltungen zu erhalten oder zu schaffen. Ein Kerngedanke: Größere Verwaltungen arbeiten fachlich qualitativ hochwertiger als kleinere. Muss eine mögliche Reform einem Gesamtkonzept folgen? Die Gutachter halten das für wichtig. „Bunt wird es in Rheinland-Pfalz bleiben. Es wäre schon gut, wenn wir vom Flickenteppich zur schönen Patchworkdecke kämen“, sagte Ziekow auf Nachfrage. Kann eine engere Zusammenarbeit eine Gebietsreform ersetzen? Nach den Worten Ziekows ist das nicht möglich. Erfahrungen zeigten, dass es kein Selbstläufer sei, wenn Kommunen eng miteinander kooperieren. Starke Kommunen, etwa der Landkreis Germersheim, würden bereits auf vielen Gebieten eine interkommunale Zusammenarbeit pflegen. Schwächere Kommunen benötigten einen Anreiz. Was passiert, wenn alles bleibt, wie es ist? Schon jetzt würden die Bürger Auswirkungen einer leistungsschwachen Verwaltung spüren, wenn die Kommunen nicht über die Aufnahme von Kassenkrediten gegensteuern würden, sagt Martin Junkernheinrich. Spürbar wäre es beispielsweise dann, wenn Grundstücke eines Neubaugebietes drei bis vier Jahre nicht bebaut werden könnten, weil aus Personalmangel niemand rechtzeitig die Erweiterung der Abwasserentsorgung mitgerechnet hätte. Im Bereich Kultur könnte es zu schlechteren Angeboten bei den Theatern kommen. Spart eine Gebietsreform Geld? Das hängt nach den Worten von Jan Ziekow davon ab, welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden. „Wenn ich Landrat eines großen Kreises wäre, hätte ich zunächst wenig Ambitionen, eine Fusionsrendite zu heben.“ Im optimalen Fall könnten nach frühestens fünf Jahren etwa sieben bis acht Prozent der Kosten eingespart werden. Haben kleine Ortsgemeinden eine Zukunft? Die Gutachter weisen darauf hin, dass sich bei sehr kleinen Gemeinden die Probleme häufen. Es sei schwieriger, die Bürgermeisterstellen zu besetzen oder dem Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken. Dörfer mit einer Einwohnerzahl von 300 bis 500 müsse man sich genau anschauen. Innenminister Lewentz dagegen sprach sich dafür aus, die Vorteile der Gemeinden mit einem ehrenamtlichen Bürgermeister als zentraler Anlaufstelle so lange als möglich aufrecht zu erhalten. Er war zwölf Jahre Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Kamp-Bornhofen im Rhein-Lahn-Kreis. (Zur Sache: „Gemeindearbeiter und Bürgermeister in Personalunion“) Kann sich Innenminister Roger Lewentz (SPD) Rheinland-Pfalz ohne den Bezirksverband Pfalz vorstellen? Auf diese Frage sagte er: „Der Bezirksverband ist mir ein lieber Gesprächspartner, der gute Arbeit leistet.“ Nach Darstellung der Gutachter gibt es Doppelstrukturen zwischen dem Bezirksverband und anderen vom Land bereitgestellten Aufgabenstrukturen. Diese seien kritisch zu sehen, heißt es. Verfassungsrechtlich sei eine Auflösung zulässig. Wie geht es weiter? In der nächsten Woche stellen die Gutachter ihre Studien den Landtagsfraktionen vor. Anfang kommenden Jahres wird dann wohl entschieden, ein weiteres Gutachten zu erstellen. Darin soll es um das Thema „Interkommunale Zusammenarbeit“ gehen. Anschließend werden die Detailfragen erarbeitet und Gutachter beauftragt. Wie lange deren Arbeit dauert, hängt vom Umfang des Fragenkatalogs ab. Innenminister Lewentz sagte gestern, er würde sich „grundsätzliche Vereinbarungen“ zur Kommunalreform noch in dieser Legislaturperiode wünschen. In Gesetze soll das jedoch erst in der nächsten Wahlperiode münden, also nach 2021. Kommentar Im Netz mdi.rlp.de/de/bilanz-zur-kvr

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