Politik Terror von einst, in der Video-Dauerschleife

Das Datum mag krumm sein, zufällig aber ist es nicht: Genau 45 Jahre nach dem Überfall palästinensischer Terroristen auf die Olympischen Spiele weiht München heute einen „Erinnerungsort“ ein. Es hat offenbar der Zeit eines neuen Terrors bedurft, um den überfälligen Schritt zu tun. Zur Eröffnung des Mahnmals kommen heute der israelische und der deutsche Staatspräsident nach München, Reuven Rivlin und Frank-Walter Steinmeier. Rückblende: Am 5. September 1972 drangen acht Palästinenser ins Münchner Olympische Dorf ein, nahmen die israelischen Athleten als Geiseln. Die Aktion endete in einem beispiellosen Blutbad: Die heillos überforderte bayerische Polizei scheiterte mit einem Befreiungsversuch; elf Israeli starben im Kugelhagel auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, als zwölfter ein bayerischer Polizist. „Heitere Spiele“ hatte München ausrichten wollen, ein neues, lockeres Deutschland sollte der Welt präsentiert werden – doch nahm dann, live übertragen, die Katastrophe ihren Lauf. Dass einem derart bewegenden Ereignis die beiden Steinmonumente nicht gerecht wurden, die bald nach dem Attentat in München aufgestellt wurden – die Sensibilität dafür ist erst in den Zeiten des Terrors von heute gewachsen. Das gewachsene, eigene Bedrohungsbewusstsein rief nach mehr: nach menschlicher Nähe. Der „Einschnitt“ in die Münchner Stadtgeschichte ist nun zu einem regelrechten Einschnitt in einen Hügel des Olympiaparks geworden. Glaswände an drei Seiten öffnen Sichtachsen auf die Orte von 1972. Und die Namen der Getöteten, sie sind nicht mehr nur – wie in Fritz Koenigs nahem Mahnmal von 1995 – in Granit gemeißelt, eher Distanz erzeugend als Nähe. Mit modernen technischen Mitteln bekommen die Ermordeten ihr Gesicht, ihre Persönlichkeit zurück. Die Ringer, der Gewichtheber, die Trainer, die Schiedsrichter: Ihre Biografie als lebensbejahende Menschen, nicht als entrückte Opfer, wird erzählt. Auch persönliche Gegenstände tragen dazu bei. „Waldi“ etwa, das Olympiamaskottchen von 1972, das Fechttrainer Andrei Spitzer für seine wenige Monate alte Tochter gekauft hatte. Videos an einer elfmal zwei Meter großen Wand im „Einschnitt“ geben nicht nur den Live-Bildern von damals neues Leben; sie versuchen die Geschehnisse einzuordnen, als Ereignis im – bis heute nicht erledigten – Nahost-Konflikt.

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