Pro und Contra Sollte die AfD verboten werden?

Umfragehoch und Mitgliederzuwachs: Die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel führen ihre Partei in neue Höhen.
Umfragehoch und Mitgliederzuwachs: Die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel führen ihre Partei in neue Höhen.

Die AfD bekommt immer größeren Zuspruch. Zugleich stuft der Verfassungsschutz drei AfD-Landesverbände als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Das hat eine politische Diskussion ausgelöst, ob die Partei verboten werden sollte. Zwei RHEINPFALZ-Redakteure sind unterschiedlicher Meinung.

PRO

Von Olaf Lismann
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht und diese Partei eine ebenso tiefgreifende wie unwahrscheinliche Wandlung durchläuft, dann ist ein Verbotsverfahren gegen die AfD unausweichlich. Das liegt zum einen an der Gefahr für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, die von ihr ausgeht. Zum anderen ausgerechnet daran, dass immer mehr Menschen die AfD wählen. Und das stürzt unser Land in ein Dilemma.

Die AfD ist nach eingehenden Prüfungen des Verfassungsschutzes in wesentlichen Teilen als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Das bedeutet, große Teile der Partei sind Feinde unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. Die Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind „gesichert rechtsextremistisch“. Die Bundespartei ist mit gerichtlicher Rückendeckung als Verdachtsfall eingestuft. Auch die Nachwuchsorganisation der AfD: „gesichert rechtsextremistisch“.

Eine Partei kann allerdings nicht alleine deshalb verboten werden, weil sie Ziele verfolgt, die gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat gerichtet sind. Eine Partei kann auch nicht einfach deshalb verboten werden, weil sie je nach Bundesland auf 20 bis 30 oder mehr Prozent Zustimmung kommt und das vielen Bürgern im Land Angst macht. Das reicht nicht. Eine Partei muss zudem gefährlich oder mächtig genug werden, um einen Erfolg ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen möglich erscheinen zu lassen. Diese Wahrscheinlichkeit aber steigt, je mehr Macht der Wähler der AfD verleiht.

Und das ist der Kern des Dilemmas und zugleich seine Lösung. Die Demokratie muss zwar ihre Feinde ein gutes Stück weit ertragen, das gehört zu ihrem Wesen. Aber diese gebotene Geduld hat ein Verfallsdatum. Unser Grundgesetz sieht aus historischer Erfahrung ein Parteiverbot gerade deshalb vor, weil eine verfassungsfeindliche Partei so mächtig werden kann, dass sie nicht mehr zu stoppen ist. Dann käme ein Verbot zu spät. Die schärfste Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine Feinde bliebe ungenutzt.

Das Parteiverbot ist ein Schutzmechanismus, der verhindern soll, dass die Folgen einer radikalen Wahlentscheidung die Demokratie von innen kaputt machen. Die AfD bewegt sich mit ihrer fortschreitenden Radikalisierung und jedem weiteren Wahlerfolg im strammen Eilmarsch unaufhaltsam voran in Richtung Verbotsverfahren.

Es liegt in der Verantwortung von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, ein solches Verfahren gegen die AfD nicht zu früh, aber rechtzeitig auszulösen. Die Geduld einer Demokratie mit ihren Feinden darf nicht grenzenlos sein.

CONTRA

Von Hartmut Rodenwoldt
Verbieten? Ja, dann ist der ganze Spuk vorbei! Dann wird es keine „Unser Land zuerst!“-Kampagnen mehr geben, keine „Ausländer raus“-Parolen, keine „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“-Fantasien. So einfach ist das!Wirklich? Es gibt offenbar eine unstillbare Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Aber ein Verbotsantrag gegen die AfD wäre keine Lösung. Er wäre eine Eselei. Warum?

Erstens: Verfassungsfeinde sind ein Fall für den Verfassungsschutz und gegebenenfalls für den Staatsanwalt. Ein Parteienverbot schafft sie nicht aus der Welt.

Zweitens: Nach den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbotsantrag ist es fast nicht möglich, eine Partei zu verbieten. Es gelänge selbst dann nicht, wenn ihr Nazi-Umtriebe nachgewiesen werden könnten, weil: „Die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus rechtfertigt für sich genommen die Anordnung eines Parteiverbots nicht.“ (Leitsatz 7). Auch „eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots nicht aus“. Es müsse nachgewiesen werden, dass die Partei „die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland“ nicht nur plant, sondern aggressiv-kämpferisch betreibt. Aber auch das reicht nicht. Denn darüber hinaus „bedarf es konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Handelns zumindest möglich erscheinen lassen.“

So gesehen ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Verbotsantrag gegen die AfD Erfolg hätte.

Drittens: Ein AfD-Verfahren würde sich über viele Jahre hinziehen. Wer also ein Verbot beantragt, würde der AfD jahrelang die willkommene Gelegenheit bieten, in eine Opferrolle zu schlüpfen und diese propagandistisch auszuschlachten. Sie würde hinausposaunen, wie das ach so böse Altparteien-Kartell, die Lügenmedien und das ganze System hinter der Partei her sind wie der Teufel hinter der armen Seele. Das könnte zu einer weiteren Solidarisierung mit der AfD führen – insbesondere in jenen Milieus, die mit den anderen Parteien nur noch wenig am Hut haben. Diesen Jungbrunnen sollte man der AfD nicht gönnen. Zumal sie am Ende noch triumphieren würde, wenn der Verbotsantrag – siehe oben – abgewiesen wird.

Nein, die Parteien müssen sich schon die Mühe machen, die AfD politisch zu stellen.

x