Verfassungsschutz Seehofer: Auftrieb für rechte Szene durch Corona-Pandemie

„Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown“, sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungssch
»Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown«, sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (hier mit Bundesinnenminister Horst Seehofer).

Bundesinnenminister Seehofer hat sich besorgt über eine Zunahme extremistischer Tendenzen während der Corona-Pandemie geäußert. Es gebe nicht nur eine besondere Gesundheitslage, sondern auch eine besondere Sicherheitslage, „die ein dickes Problem ist“, sagte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2020.

Rechtsextreme hätten sich bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an das bürgerliche Spektrum zu finden. Sie hätten dem Protest ihren Stempel aufdrücken können, „obwohl sie von der Personenzahl deutlich in der Minderheit waren“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und äußerte sich besorgt über die mangelnde Abgrenzung der Mehrheit der Demonstranten gegen mitlaufende Extremisten. Auch der Anstieg der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ – Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen – um fünf Prozent sei auf die Proteste rund um die Pandemie zurückzuführen.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bestätigte, extremistische Aktivitäten hätten 2020 zugenommen. „Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown“, sagte er. Deren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Aktivitäten seien in die virtuelle Welt verlegt worden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im April bekannt gegeben, dass es Personen der „Querdenken“-Bewegung, die häufig Anmelderin von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen war, beobachtet. Die Behörde richtete dafür eigens die Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ ein. Begründet wurde der Schritt wegen der Beteiligung einschlägiger Extremisten bei der Bewegung sowie Verbindungen in die Szene der „Reichsbürger“.

„Geistige Brandstifter“

Die Anzahl der Rechtsextremen ist auf etwa 33.300 gestiegen, von denen 13.300 potenziell gewaltorientiert sind. Erstmals widmete sich der Verfassungsschutzbericht in einem Unterkapitel der sogenannten Neuen Rechten. Diese versuche „fortwährend, durch einen pseudointellektuellen Anstrich ihr rechtsextremistisches Gedankengut in den öffentlichen Diskurs einzubringen“, sagte der Bundesinnenminister. Sie seien die „geistigen Brandstifter“, die den Nährboden bereiteten für Neonazi-Schläger und Rechtsterroristen, sagt Verfassungsschutz-Chef Haldenwang.

Als besorgniserregend bezeichnete Seehofer auch die Entwicklung beim Linksextremismus. Die Gewalttaten in diesem Bereich hätten um 34 Prozent zugenommen. Die Szene agiere zunehmend gewalttätig und enthemmt. Er verwies dabei auf „Kleingruppen“, die heimlich und planvoll ihre Taten begingen. Auch beim Islamismus bestehe nach wie vor eine „sehr ernstzunehmende Bedrohungslage“. Er verwies dabei auch auf die Anschläge im benachbarten Frankreich.

2020 wurden dem Verfassungsschutzbericht zufolge 44.692 politisch motivierte Straftaten registriert. Das ist der höchste Stand seit Einführung der Statistik. Propagandadelikte stellen den Großteil der registrierten Straftaten, sind gegenüber 2019 aber leicht rückläufig. Dagegen nahm die politisch motivierte Gewaltkriminalität von 2832 auf 3365 Straftaten deutlich zu.

x